10.07.2020,
Jan:
Wunderschön liegt die Stilfserjochstraße heute morgen in der Sonne, mit der Wolkendecke, die bis zur Franzenshöhe reicht.
Wir stürzen uns in die Abfahrt nach Bormio, jeder Tunnel ist uns noch wohlvertraut von... wann war das noch? Vorgestern? Die Wochentage geraten etwas in den Hintergrund... Unten ziehen wir uns alles aus, es ist unglaublich warm, die ganzen Schichten hätten eigentlich gar nicht sein müssen. In Torripiano zuckt niemand Richtung Torri di Fraele, vier echte Pässe müssen reichen. Der erste ist der Passo di Foscagno, über den die Hauptstraße nach Livigno führt.
Entsprechend stark ist der Verkehr, die Automobilisten wollen schließlich zollfrei tanken. Uns kommen unglaublich viele Profis entgegen, scheinbar trainieren alle Teams derzeit in Livigno. Statt die Tour de France zu bestreiten, die jetzt eigentlich laufen würde.
Oben raus wird der Foscagno sogar ganz nett, statt mit einer Passgastronomie kann er allerdings nur mit einer Zollstation aufwarten. Also weiter zum Eira, runter und hoch, bei zwischenzeitlich 92,5 km/h läuft es recht flüssig.
Überall zollfreie Einkaufsgelegenheiten,
extradoganali. Oben endlich eine Bar. Caffè 1 Euro, Cola 4,50 Euro.
Prezzo turistico doppiodoganali? Unten in Livigno wartet zum Glück Thomas mit erschwinglicher Mittagsverpflegung.
Bis hierher hatten wir unglaubliches Wetterglück, zum Foscagno blies sogar der Wind von hinten. Das ändert sich jetzt in Richtung Forcola di Livigno. Der Wind kommt von vorn, es wird anstrengend. Die 3 km lange Schlusskurve will schier nicht enden. Viel einfacher wird's dann am Bernina. Gleiche Windrichtung, andere Fahrtrichtung. Wir fliegen hoch! Und runter. Ich weise Thomas noch darauf hin, dass hier 100 km/h wohl teils möglich sind. Für mich reicht es dann nur für 98,8 km/h. Womit die Eleganz und Leichtigkeit des Rennradfahrern zunächst passé ist, denn das Engadin hinunter bläst ein straffer Wind, den wir bis zum Malojapass im Gesicht haben. Dann eine 32 km lange Triumphabfahrt nach Chiavenna, Caffè, Cola und Panini am Dorfplatz. Und jetzt fallen die Tropfen!
Was bleibt von dieser Etappe? Für mich drei fantastische Abfahrten. Die beiden oben erwähnten Hochgeschwindigkeitsabfahrten, und die Abfahrt vom Malojapass, quasi ohne Halt hinunter nach Chiavenna. Damit sind wir direkt beim
Zweikampf Rätische Alpen gegen die Rhön
98,8 km/h am Berninapass kann die
90 km/h hinunter nach Elters parieren. Insofern, so mein salomonischer Urteilsvorschlag, zieht die Rhön in der Abfahrtswertung mit der heutigen Etappe gleich.
Die in den letzten Tagen zurückgelegten Monumente jedoch sind schon ein dickes Brett für die Rhön, das mag ein jeder mit einem Blick in den
Rätische-Alpen-Blog und
Hagens Rhön-Monumenten für sich entscheiden. Ein Kniefall vor der Rhön, wie von Hagen darin gefordert, würde der Würde der Rätischen-Alpen-Monumente nicht gerecht.
Auch aus historischen Gründen solten wir da vorsichtig sein, wie wir hier in Chiavenna bei unserem abendlichen Streitzug durch die mediterran anmutende Altstadt lernen. Der
Kniefall Kaiser Friedrich I. Barbarossas vor seinem Vetter Heinrich dem Löwen in Chiavenna verfehlte im Jahr 1176 nicht nur das erwünschte Ziel, sondern führte wenig später zum Zerwürfnis der beiden und für Heinrich den Löwen ins Exil. Dieses Schicksal wollen wir CvG Barbarossa Jan und Rhönerjung Hagen dem Löwen doch wahrlich ersparen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am Morgen dürfte es kalt werden - hier heißt es warm anziehen, wenn wir früh morgens vom Stilfser Joch nach Bormio abfahren. Damit uns wieder warm wird, starten wir sogleich in die längste Auffahrt des Tages zum Pässeduo Foscagno/Eira, das uns die ersten beiden Passschilder sozusagen im Doppelpack serviert, nur mit einer kurzen Abfahrt dazwischen. Dann geht es ein Stück hinab nach Livigno, das vor allem vom Zollfrei-Tourismus geprägt ist. Wir ignorieren die Zigaretten- und Schnapsläden, halten uns nicht lange auf und absolvieren mit der Forcola di Livigno Pass Nummer drei. Und schließen, weils so schön war, die Schlusskilometer zum Berninapass gleich an. Die erste Tageshälfte ist rum, vier Pässe sind abgehakt, und der Löwenanteil der Höhenmeter auch. Die Nordwestseite des Bernina kennen wir ja schon, heute nehmen wir sie bergab. Durch das Oberengadin fahren wir flach zum Malojapass, den wir sozusagen geschenkt bekommen - ganz ohne Höhenmeter. Und dann trennt uns nur noch eine lange Abfahrt von unserem Tagesziel im italienischen Chiavenna.