Im April diesen Jahres, einen Monat vor meinem ersten Ausflug in die Ligurischen Alpen mit der quäldich-Reise „Ligurien – Alpen der Ponente“ im Mai, betitelte ich den vorbereitenden Blog-Beitrag mit „Alpen oder Apennin? Hauptsache Ligurien!“
Da lag unsere östliche Ligurienreise im Ligurischen Apennin, der Saisonauftakt in Chiavari schon hinter uns, in der ich unseren Sous-Chef majortom mit der fantastisch-einfachen und dennoch raffinierten ligurischen Küche begeistern konnte. Und von den langen, ausschweifenden Touren ins Hinterland, die aufgrund der Schlüssellage Chiavaris am Tigullischen Golf möglich sind, in den hier vier Flüsse einmünden.
Meine Spannung war groß, wie sich unsere Reise in den westlichen Teil Liguriens im Vergleich dazu darstellt, in Ligurien Ponente, wie man in Italien sagt. Ist es wirklich so, wie Henner sagte, dass der Ligurische Apennin nur der Fiat 500 ist, die Ligurischen Alpen aber der Ferrari unter den Rennraddestinationen am Ligurischen Meer?
Natürlich war ich voller Vorfreude, konnte ich in den Ligurischen Alpen doch zwei meiner Passionen vereinen: meine Vorliebe für die Ligurische Küche einerseits, die Vorliebe für das alpine Radfahren andererseits. Und da ich noch nie in der Region war, bereitete ich mich intensiv vor, insbesondere auf die Königsetappe zur Colletta delle Salse, die vor uns noch nie eine quäldich-Gruppe erreicht hatte, 2019 aufgrund eines Hangrutsches, in den Folgejahren aufgrund der Pandemie.
Tourenvielfalt
Die Etappen in den Ligurischen Alpen wurden von unserem Ortskenner Henner mit großer Liebe zum Radsport zusammengestellt und nach der Erstausrichtung von Tom verfeinert. So konnte ich mich schon letztes Jahr ins gemachte Nest setzen, einen Pass nach dem anderen entdecken und einfach nur Rennradfahren. Pässe jagen. Die Gemeinschaft genießen. 16-mal kann man hier in den Ligurischen Alpen am Passschild anschlagen, schon in der jeweils kürzeren Tagesvariante. Die Pässevielfalt ist schier unglaublich, gerade im langen Arrosciatal, das von Albenga am Mittelmeer zum Alpenhauptkamm führt. Hier heraus führen die in meinen Augen schönsten Pässe der Region, wie der Colle di Caprauna oder der San Bernardo di Mendatica.
Für die profisportlich Interessierten darf natürlich ein Abstecher nach San Remo nicht fehlen, und so waren in diesem Mai auch Cipressa und Poggio di Sanremo diejenigen Anstiege, bei denen das Adrenalin in ungehemmten Strömen floss.
Der herausragende Anstieg der Region führt allerdings auf die oben schon erwähnte Colletta delle Salse, mit 1620 m der höchste Pass Liguriens und für mich klar der schönste asphaltierte Pass der Ligurischen Alpen. Hier, hinter dem Alpenhauptkamm, kommt schon im Mai hochalpine Stimmung auf. Urplötzlich stehen wir vor dem mächtigen Monte Mongoie, dem zweithöchsten Massiv der Ligurischen Alpen. Hier müsste man auch die Punta Marguareis sehen können, den höchsten Gipfel. Das werde ich im Mai überprüfen. So oder so staunen wir angesichts der großartigen Natur.
Eine Woche Rennradfahren kann vielfältiger kaum gestaltet werden als hier in den Ligurischen Alpen.
Straßenzustand
Der Straßenzustand im westlichen Ligurien ist für italienische Verhältnisse gut, mit deutlichen Abstrichen im Imperotal auf unseren westlichen Schleifen. Da in Italien immer mehr Straßen neu gemacht werden, bin ich gespannt, ob sich da etwas getan hat und werde berichten.
Kulinarik
Die Abende verbingen wir teils im Hotel, teils außerhalb in den Restaurants im kleinen Küstenstädtchen Laigueglias. Das Essen ist stets fantastisch, wie ich es mir von Ligurien erhoffe. Mit der Lage am Mittelmeer kommen Liebhaber von Fisch und Meersfrüchte aller Art natürlich auf ihre Kosten, aber auch die vegetarischen ligurischen Klassiker wie Trofie al Pesto und Pansoti con salsa di Noci sind hier auf fast ähnlichem Niveau zu bekommen wie in Chiavari.
Das Städtchen ist deutlich kleiner als Chiavari und deutlich touristischer. Ab und zu hört man sogar deutsch. Da wir aber in der Nebensaison unterwegs sind, bleibt der Touristenandrang sehr überschaubar.
Seit 2009 tragen wir jährlich unsere Ligurienreisenreisen am Standort Chiavari aus, für die wir mittlerweile berühmt sind. Chiavari liegt im östlichen Ligurien, in Liguria levante. Hier führen die Anstiege vom Mittelmeer in den Apennin, die erreichten Endhöhen sind sehr ähnlich zum westlichen Pendant, und die Anstiege haben auch eine ähnliche Charakteristik. Der Standort, Chiavari, ist deutlich größer als das Fischerörtchen Laigueglia, aber auch deutlich weniger touristisch. Ab und zu hört man französisch. Die Touristen kommen aber hauptsächlich aus Italien.
Tourenvielfalt
Ist es in den Ligurischen Alpen hauptsächlich das Arrosciatal, aus dem die meisten Anstiege hinausführen, sind es hier rund um Chiavari die vier Täler Fontanabuona, Sturla, Graveglia und Petronio, die mit mannigfaltigen Asphaltbändern verbunden sind und so eine große Tourenvielfalt ermöglichen. Auch hier ist die Küstenstraße die Via Aurelia, und hier wie dort quirlig und belebt. Taucht man in eines der Seitentäler ein, ebbt der Verkehr aber sehr schnell ab und man ist in himmlischer Ruhe unterwegs. Hier wie dort.
Die Kombinationsmöglichkeiten kenne ich nach 14 Jahren natürlich in- und auswendig, und so hat sich eine Best-of-Tourenplanung etabliert, in der der Passo di Bocco, der Passo di Portello und der Passo di Tomarlo die leuchtendsten Pässe sind. Der Bocco glänzt mit einem sanften Anstieg auf bestem Belag quasi von Meerhöhe bis auf 957 m, oben wartet die Bar da Annamaria mit ihrem Kanonenofen, sollte es einmal frisch werden. Der Portello windet sich vier Seitentäler weiter westlich vom Fontanabuona ins Trebbiatal. Oben kann man über die erste Apennninkette hinweg bis zum Meer sehen. Ein Auto sieht man selten. Hier herrscht Einsamkeit pur. Der Rückweg führt dann über Barbagelata auf 1121 m, von wo aus wir schon in die verschneiten Seealpen geschaut haben.
Eine Besonderheit in der östlichsten Ecke Liguriens sind sicherlich die Cinque Terre, fünf Fischerdörfer, die sich aufgrund ihrer jahrhundertelangen Isolation eine gewisse Ursprünglichkeit erhalten haben. Selbstverständlich ist der Abstecher nach Vernazza eines der Highlights der Woche.
Die Pass-Krone der Region trägt allerdings der Tomarlo, der zwar nicht ganz die 1500-Meter-Marke erreicht, aber dafür im letzten Jahr mit Fernblicken bis zum Monviso, also über die gesamte Poebene hinweg bis in die Cottischen Alpen begeistert hat. Und im Jahr vorher mit den Weitblicken in die verschneiten Apuanischen Alpen
Eine Woche Rennradfahren kann vielfältiger kaum gestaltet werden als hier im Ligurischen Apennin.
Straßenzustand
In der Provinz Genua wurden fast alle Straßen seit Beginn der Pandemie neu asphaltiert, ein wahrer Luxuszustand für Italien. Mängel gibt es nur noch, wenn man die Provinz verlässt, aber selbst hinter dem Biscia waren die dramatischsten Löcher in diesem Jahr geflickt. Dieser Punkt geht an Chiavari und den Ligurischen Apennin.
Kulinarik
Wie ich Tom schon oben zitiert habe, ist die Ligurische Küche einfach raffiniert. Viele Gerichte wie Pansotti con Salsa di Noci, aber auch so einfache wie die Farinata oder Focaccia al Formaggio werden die wenigsten schon einmal gegessen haben. Sie sind einfach gut. Das Antipasto misto al mare in der Cantina Reggiana ist legendär, und eine Sensation auch für diejenigen, deren Lieblingsessen nicht Meeresfrüchte sind. Das regelmäßige Highlight sind aber die Abende bei Luchin, einem der ältesten Restaurants der Stadt, wo Gianni vor dem Holzofen steht und die riesigen gusseisernen Farinata-Pfannen jongliert. Hier sieht es noch genau so aus wie 1907, auch die Rezepturen sind von damals unverändert, ein Umstand, der Toni, unserem Gastgeber, sehr am Herzen liegt, wie er uns in dem Bild unten gerade gestenreich erklärt (danke, kurtie, für das Bild!). Ohnehin… das langjährige Verhältnis zu unseren Gastgebern ist der Grund, warum ich immer wieder nach Chiavari komme. Ich sehe mich ja eigentlich als Entdecker, aber in Chiavari fühle ich mich fast wie zuhause. Daher geht mein persönlicher Kulinarik-Punkt an Chiavari und den Ligurischen Apennin, aus einer neutralen Warte wird man hier wohl ein Unentschieden feststellen müssen.
Was ist nun der Ferrari, und was der Fiat 500?
Ist nun die Reise Ligurien – Alpen der Ponente der Ferrari, und der Saisonauftakt in Chiavari der Fiat 500, wie Henner einst unkte? Die Straßen sind heute im Apennin rund um Chiavari besser als rund um Laigueglia in den Ligurischen Alpen. Kulinarik und Tourenvielfalt sind auf Augenhöhe. Die alpine Kulisse an der Colletta delle Salse (kombiniert mit den hausgemachten Ravioli von Mauri und Simona im Rifugio) tragen allerdings etwas dicker auf als der Tomarlo, an dem wir nicht jedes Jahr bis zum Monviso gucken können.
Beide Standorte liegen direkt am Mittelmeer, und laden nach der sportlichen Runde zum Entspannen an der Strandpromenade ein.
Ein Klassenunterschied besteht sicher nicht, letztlich wird es eine Geschmacksache sein. Welche Reise ich lieber mag? Ich drücke mich vor dieser Entscheidung. Und muss sie dieses Jahr zum Glück nicht fällen, denn ich werde wieder beide Reisen begleiten. Und freue mich auf beide Wochen gleichermaßen.
Wir sehen uns in Ligurien!