Nicht nur hier in Andalusien geht es für uns auf dem Rad auf und ab, schließlich sind wir beim Bergtraining, sondern auch im echten Leben. Hochs wechseln sich mit Tiefs ab, mal ist die Stimmung gut, mal ist sie schlecht, mal geht es uns gut, mal hängen wir durch.
Aber nur beim Rennradfahren kann dieser Wechsel so extrem schnell sein, in die eine, aber auch in die andere Richtung. Und so ein Tag war heute. Gut oder schlecht? Besser als der "Flasche-leer-Moment" auf dem Bild hier?
Heute gibt es für alle Gruppen die gleiche Strecke, der Schnee macht den Anstieg zur Sierra de Lújar (wer den Stieg nicht kennt, sagt: leider) unmöglich. Um den Trainingseffekt für die Gruppen 1, 2a bis 2z dennoch zu stärken, werden wir als Hasen eine halbe Stunde früher losgeschickt. Wir nehmen die Rolle an, treten los, wollen es den Verfolgern nicht zu einfach machen...und was passiert? Nach Kilometer 5 stehen wir das erste Mal, meine Kette ist runter. Nervig, sie wieder draufzufriemeln. Losfahren können wir trotzdem nicht, Jürgens Di2 hat leider andere Pläne für diesen Tag. Und diese haben nichts mit Rennradfahren zu tun, sie schaltet nicht mehr. Gar nicht mehr, er muss zurückfahren (wird aber später noch einen Küsten-100er in den Asphalt brennen).
Dezimiert fahren wir (immer noch nicht von den Verfolgern eingeholt) hoch zum Gorgoracha-Tunnel und machen weiter Pausen. Leider keine Fotopausen, sondern Kettewiederdraufmachenpausen, wir trauen uns nicht zu schalten - der Kettenwurm frisst sich durch die Gruppe.
So verunsichert gehen wir in den Anstieg zum Alto de Los Guájares (HC 1 – Hidden Champion 1), schalten aufs kleine Blatt und bleiben dort, nur kein Risiko eingehen. Nur das ermöglicht der Gruppe 1, uns zu überholen, endlich. Marcel mit Wolfgang schweben an uns vorbei, schön und schnell.
Lisa und Hagen nutzen den Anstieg zu einer Teambesprechung. (Ergänzung des Reiseleiters: Es war ein Crashkurs in spanischer Phonetik, schließlich wollen solch schöne Ortsnamen wie Guájar-Faragüit ja korrekt ausgesprochen werden.)
und als wir denken, die Gruppe 2a kommt, kommen die "Kalenderboys". Gleiche Teamkleidung, teuer (laut Andy´s Recherche am Abend). Nicht fleckenfrei, aber schnell, trotzdem waren November und Dezember erst nach uns oben (Flaschen!). Es geht uns gut, der erste der zwei Berge – Haken dran, ganz klar ein Hoch.
So gondeln wir auch in die Bar Venezia, machen Pause (bis auf Gruppe 1) und stürzen uns in die Abfahrt in die Alpujarras. Leider auch wörtlich und das Tief ist wieder da. Schürfwunden verbinden, die Seele streichen, Taxi-Transport ins Hotel ... Hagen übernimmt und wir fahren allein weiter. Weiter nach Lanjarón und nach Orgiva, in das Kaffee, das uns vorgestern verwehrt wurde. Aber dort wird es nicht besser. Das Aussteigerdorf ist voll von Cowboys und sonstigen Feierwütigen, unsere Gruppe „Hagenlos“, die Kuchenbestellung klappt nicht.
Dann fallen noch Fahrräder um, Helme brechen, schlimmer kann es nicht mehr werden. Die Stimmung hängt durch, wie die Kette zu oft an diesem Tag.
Die Gruppen 2a bis 2z fahren los, wir bestellen endlich, ergeben uns einem Zuckerschock und Hagen ist nach kurzer Verfolgungsfahrt wieder da. Wir beschließen, dass es ab jetzt heute nur noch aufgeht. Nicht nur den zweiten Berg, den Puerto Camacho auf 1.120 Meter (HC 2), sondern auch sonst. Nicht mehr durchhängen, weder mit der Kette noch mit den Gedanken, einfach Augen auf und treten. Genießen. Ein wunderschöner Berg, 15 km hoch, ein einsames Tal, nur wir, die Mandelbäume und blauer Himmel. Und der Kuchen im Magen.
So kommen wir oben an, nicht nur auf dem Berg. Von dort stürzen (diesmal nicht wörtlich) wir uns über Rubite auf die uns inzwischen gut bekannte, aber nicht sehr geschätzte Küstenstraße, der Wind macht uns die Rückfahrt schwer, die letzten 25 km sind noch mal anspruchsvoll, machen uns aber nichts aus – denn endlich sind wir wieder obenauf!
Epilog I: Wir danken Marta für ihre Zeilen! Mit diesen verlassen wir nun "Andalucía querida", denn gäbe es ein besseres Schlusswort, als nach einer Woche im Sattel davon zu sprechen, obenauf zu sein?
Werbung: Noch mehr Andalusien gibt´s im Herbst in derSierra Navada: Und dann auch ganz obenauf mit dem jetzt noch im Schnee glitzernden Veleta auf 3396m.
Epilog II: Wir danken von Herzen der Crew, dem Hotel, der Radstation, allen im Pelotón und auch dem Abschleppdienst, der den am Abreisetag liegengebliebenen Mannschaftswagen soeben aufgeladen hat.
official:
Wir streifen Motríl und fahren über den Gorgoracha-Tunnel (330 Hm) nach Vélez de Benaudalla ins Hinterland. Die Auffahrt zum Alto de Los Guájares rollt dank schwarzem Gold wunderbar, die Blicke zur verschneiten Sierra Nevada sind göttlich, vor allem oben an der Pass-Ruine. Mit kleinen Gegenanstieg erreichen wir Pinos del Valle (Stop Over in der Bar Venezia immer empfohlen!), um in die Alpujarras - die Sierra-Südflanke - einzuschwenken. In Lanjarón, bekannt durch seine Mineralquellen, zapfen wir Wasser, Brunnen gibt es genug! Weiter geht es durch das Aussteigerdorf Órgiva und über den Guadalfeo ("hässlicher Fluss") von hinten (= Norden) hinauf zur Haza del Lino...hach - wem geht hier nicht das Herz auf?. Bei gutem Wetter oben auf der Höhe Blicke in alle Richtungen - und auf die finale Abfahrt über Rubite - stramm geht es hinunter ans Meer und zurück nach Motril.
Trainingstipp: Meist angenehme Steigungen zwischen 5 und 10% - heute ist wieder Zeit für Grundlage mit - je nach Gusto - ein paar GA2-oder auch Kraftausdauer-Einlagen. Harte Attacken heute zeugen mit Blick auf morgen von einem ungesunden Maß an Selbstüberschätzung ;-)!