01.03.2023,
Pocatky:
Jede/r von uns Rennradfahrenden möchte höher, weiter, schneller, steiler. Auch mal einen Schnitt von 30 km/h auf der Hausrunde knacken, einen 200er fahren, eine steile Stichstraße schaffen, um oben einen weiten Blick zu haben. Einfach ausprobieren, was geht, ob vielleicht mehr geht, wo die Grenzen sind und ob man sie vielleicht verschieben kann. Natürlich ist es in Februar zu früh, von diesen zu sprechen, da sind wir wenig draußen gefahren und zwiften ist doch noch anders. Und dann ist man hier, man hat sich angemeldet und steht morgens vorm Hotel und es geht los, für uns alle. Für uns alle die normale Etappe. Und die ist schon lang. Und steil. Für Februar einfach zu früh. Aber die Grenzen sind dafür da, um verschoben zu werden. Gut fühlt sich dabei keine/r, aber danach sollten es alle tun. Tal der Tränen, in Februar, bis Verpflegung 24 km und 1.200 Höhenmeter, mit dunkelroten Strichen im Roadbook, mit schlechtem Asphalt, mit steilsten Kehren. In den letzten Kilometern nutzt man nur zwei Gänge, die kleinsten und dann ist man oben. Beim Martin. Und dann gibt es nur eins: virtuell vor sich den Hut ziehen, sich auf die Schulter klopfen und stolz sein. Auf sich, auf das, was man geschafft hat. Und es ist egal, ob man dann noch die Plusvariante fährt, oder die normale, oder mit dem Bus runter. Man/Frau hat es geschafft! Einen der schwersten Anstiege dieser Insel. In Februar!
Aber von Anfang an. Wir starten heute früher, Roberto, als Gast angemeldet, übernimmt vertretungsweise wieder die Gruppe vier, damit Fred morgen sein Guiding starten kann, eine Erkältung hat ihn die ersten beiden Tage ausgebremst. Die Küstenstraße ist ein Traum, wenn es läuft, läuft es einfach. Alle Ampeln auf grün, wenig Verkehr, wir cruisen, es geht hoch und runter, es läuft. Wir verlieren Mariella an die Gruppe 2 und cruisen durch den Tunnel – durch die guten Beziehungen von quäldich zum Straßenverkehrsamt von Gran Canaria wird im Tunnel für uns eine Spur gesperrt, der Wind hält sich in der Abfahrt nach La Aldea auch zurück, wo wir im Kaffee die Plätze von der Gruppe 2 übernehmen. Norbert sucht als erstes eine Apotheke auf, verdächtig und wir plündern die Tiefkühltruhe, erlösen das Eis vom Eisbrand, um unsere Kohlenhydrate-Zufuhr stabil zu halten. Gudrun übergeht zur Zwei-Kaffee Strategie, findet Nachahmer und an sich wollen wir nicht weg, auch Torsten nimmt endlich seinen Helm ab. Dann fühlt sich Jochen auf einmal nicht mehr ernst genommen und wir fahren los. Ins Tal der Tränen, in dem unsere Tränen letztes Jahr den Asphalt noch rauer gemacht haben. Die Gruppe zerfällt, alle kämpfen mit der Hitze, den Steigungen und dem Asphalt, aber es ist einfach wunderschön. Eine Landschaft, die ihresgleichen sucht. Und wir bezwingen den Berg, auch ein wenig uns, es wird auch die Erholungsstrategie im Liegen angewendet (wirkt) und sind oben. Und essen, oder auch nicht. Aber es wird auch gehadert, mit sich, mit der Form.
Und auch Gruppe 3 fährt dann die Plusvariante. Ich hätte es wissen müssen. Und es wird unschön, um es positiv auszudrücken. Jochen nennt es Brett, ich nenne es eine unendliche Rampe, die mich wirklich an die Grenzen bringt. Inzwischen wurden auch Liebesbeziehungen zu Mieträdern aufgebaut, so dass besser geschoben wird, die Steigung nimmt kein Ende. Stephan fährt wie ein Uhrwerk hoch, scheinbar braucht er eine Steigung jenseits 15%, um warm zu werden. Torsten versucht, mich zu motivieren, leider vergeblich – „fahr langsamer“, da müsste ich stehen bleiben, „erhol Dich vor der Kurve“, bei 16% nicht machbar. Auf meine sehr kurze Frage „wie lange“, auch Kommunikation in der Gruppe leidet, kommt die Info „maximal nur noch ein Sechstel“. Von was? Was ist die Grundmenge? Und hat er einen Taschenrechner? Und dann bin ich oben, bei unserem Hotel von 2022, wünsche mir kurz mein Zimmer zurück, um liegend wieder zu mir zu kommen. Aber noch nicht ganz oben, so ist es immer. Oben oben machen wir auf Torstens Anweisung Riegel-leer Taschen Pause, um genügend Kraft für die Abfahrt zu haben. Aber auch dies ist relativ, irgendwie geht es immer wieder hoch und als es dann laut Track endlich in die echte Abfahrt gehen soll, werden die Beziehungen zum Straßenverkehrsamt genutzt, kurz eine quäldich Popup Baustelle aufgebaut, um dann noch drei Kilometer hoch zu graveln – wir müssen ja Höhenmeter sammeln und mit dem Trend gehen.
Aber auch die schaffen wir, leider weiterhin mit Null-Kaffee-Pausen Strategie und es kommt eine wirklich wunderschöne Abfahrt, bis ins Hotel. Auf meinem Tacho stehen 3.015 Höhenmeter. Aber das ist es egal. Es war ein traumhafter Tag, egal mit welcher Variante nach dem Tal der Tränen, egal mit welchem Schnitt. Dabei gewesen zu sein, gelitten zu haben und es dann geschafft zu haben, darauf sollten wir verdammt stolz sein, alle. Denn wir halten noch einmal fest, es ist Februar.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Um noch ein paar Körner mehr zu verbrennen oder bei Bilderbuchwetter, darf man sich auch gern an die Plusvariante wagen. Im Bergdorf Artenara (km 58) zweigt der Track rechts ab. An der beeindruckenden Caldera de Tejeda führt die Straße am Hang entlang und hoch zum Cruz de Tejeda. Kurz vor dem Alto de los Moriscos gibt es eine tolle Aussicht vom Balkon. Nach Erreichen des Hochpunkts rollt es leicht abschüssig bis Pinos de Galdar und wieder zurück auf die Normalvariante.