03.05.2023,
hagen306:
Der Morgen in Ronda ist kühl. Der eine oder andere taumelt noch ein wenig durch die erwachende weiße Stadt, schwänzt dabei das (bis auf den Kaffee 😉) gute Hotelfrühstück und gleitet so langsam in den Tag hinein. Das Ziel: der Torcal de Antequera – diese unwirkliche Felslandschaft kurz vor unserem Tagesziel mitten im andalusischen Hinterland. Der Wetterbericht verspricht heute angenehme, wenngleich windige 25 Grad. Alex beschließt also gleich, die Bidons heute im Transporter mitfahren zu lassen, besinnt sich aber noch vor Abfahrt eines Besseren.
Auch heute ist wieder so ein Tag, an dem die Garmins zeigen, dass KI am Radcomputer eben doch nicht schlauer ist: 4 von 5 Radcomputern in Mortens Gruppe wollen das Peloton durch ein Flussbett lotsen statt auf der zugegebenermaßen etwas zugige Szenerie von Ardales. Solange alle den Weg zum Chorro finden, ist das in Ordnung. Dort unten in der engen Schlucht mit den kreisenden Bartgeiern über uns und nach den ersten warm-up-Höhenmetern am Puerto del Viento wartet heute der Food Truck. Authentizität steht im Dokus: Herrliche „lenguas“ (Blätterteigzungen mit Mandel-Kakao-Füllung) ebenso wie frische Tortilla stehen auf dem Menü. Es bleibt sogar noch etwas für die Besatzung des Fahrzeugs über. – Derweil schraubt sich das Peloton aus der touristischen Szenerie (hier ist ja der allbekannte Hängeweg „caminito del rey“ zu begehen – besser aber ohne Radschuhe) wieder hinaus – natürlich auf nagelneuem Asphalt – ein kurzer Blick auf google Maps zeigt die Konzentration unserer Telefone im rampigen Gelände.
Arturo bekommt heute übrigens den Mastertitel in Reifenflicken mit Stil: Verlässt doch just an einem Aussichtspunkt zum Caminito die Luft den Reifen. Da quetscht man doch mit Wonne den Reifen wieder über die Felge!
Ab Abdajalís zieht es dann eine Gruppe mit magischer Kraft direkt zum Dachpool des Hotels in Antequera – nicht ohne vorab wieder einmal die beste bar zum Abschlussgetränk zu finden. Man sagt, es wurden Telefonnummern mit dem Personal ausgetauscht.
Davon ist die schnelle Eingreiftruppe noch etwas entfernt: In langem Bogen hügelt sie sich südlich um das Bergmassiv des Torcal herum – zuverlässig werden in der prallen Sonne auch heute die Flaschen leer – 20 Getränke für die 4 Muske(l)tiere in der letzten Bar vor dem Finalgegner sprechen eine eindeutige Sprache. – Die Rampen des Torcal haben sich bereits in Schale geworfen: Schöner Ginster säumt die Kehren der ersten Kilometer, ein Witzbold hat das übliche Warnschild „Precaución: Carretera de la montana“ noch um „…de mierda“ ergänzt (Achtung: „sch… Bergstraße). Was soll also passieren?
Also treten und beten – dass es nach Bezwingen der letzten unmenschlichen 14%-Stiche oben auf dem Felsplateau wirklich so surreal ist, wie wir vorab vollmundig behauptet haben. Und natürlich ist es das. „Pancake rocks“, Felstürme mit Hütchen, Felsschrauben, gelegentlich der Romantik halber mit Steinböcken garniert. Wir lassen die Stille wirken: Der Fels, die Straße, wir! Genau so und nicht anders soll es sein. Unbeschreiblich – aber eben nur, wenn man ganz oben auf 1200m ankommt - must see!
Epilog: Auch das Abendessen geht heute in die Rubrik „unglaublich“ ein – denn es ist wirklich fix (voraussichtlich das schnellste der ganzen Tour), ebenso wie es einen Lerneffekt hat: die porra (eine dieser sämigen meist kalt servieren Gemüsesuppen) ist hier ähnlich wie der salomorejo cordobés nur komplett mit gekochtem Ei, Schinkenwürfeln und Thunfisch. So stellen wir uns das vor – genau die richtige Stärkung für die kommende Etappe über den Puerto del Sol nach Alhama.
Der Plan war dieser:
Diese Etappe ist ganz anders als die gestrige. Mit Westwind fliegen wir den Puerto del Viento am Morgen nur so rauf. Quer durchs Hinterland mit vielen Oliven und wenigen Dörfern erreichen wir El Chorro mit dem berühmten Caminito del Rey. Dem "Hängeweg" in der Schlucht bleiben wir mit Rennradschuhen zwar fern, schrauben uns dafür aber steil hinaus und genießen die Weitblicke bis zum Meer. Zum Torcal gelangen wir in südlichem Bogen und biegen auf die finale Stichstraße auf das Gipfelplateau der karstigen Formation auf 1300m ab. Eine unglaubliche Felslandschaft, die mal Meeresgrund war, erwartet uns. Die finale Abfahrt nach Antequera ist der Lohn dieses Tages mit 2900 Höhenmetern. Darauf eine clara!