05.05.2023,
hagen306:
Man sagt dem rennradfahrenden Teil der Weltbevölkerung ja vielleicht nicht ganz zu Unrecht nach, es mit der Kultur nicht ganz so ernst zu meinen. Klar, Radsportkultur wird groß geschrieben: Von Sockenlänge und -farbe über die spiegelverglasten Augen bis hin zum gepflegten Kaffeestopp (oder auch nicht, je nach leistungssportlicher Sozialisation) – da kennen wir uns bestens aus. Aber so richtig Kultur? Historie? Landeskunde (außerhalb des überbordenden Tellers mit lokalem Käse, Obst, Fleisch…)? – Manch einer wurde in der Vergangenheit regelrecht blass, wenn wir am Morgen der heutigen Etappe verkündeten, dass wir zwar 130km recht fordernd in die Pedale treten, unser eigentliches Ziel aber lautet: Granada! Stromern durch die Stadt, staunen ob der Menge der tapitas gratuitas, und selbstverständlich am späten Abend eine Führung durch die Alhambra. Weltkulturerbe? Aaah, ja…
Nicht so bei uns Golden Boys. Bereits das Rad wird stilvoll unter folkloristischen Infotafeln geparkt, das beste Lokal finden wir sowieso und wir sind regelrecht WISSBEGIERIG beim Ausflug in so rennraduntypisches Terrain. Ein letztes Mal fluchen wir über einen Anstieg (ungewohnt geht es zu Fuß hinauf zur alten Festung mit ihren Palästen – sturzfrei in Zweier-Reihe geht es im Plaudertempo hinauf zum Treffpunkt mit Rosa, unserer Führerin).
Selbstverständlich müssen wir uns nicht an der „Economy-Schlange“ am Einlass zu den weltbekannten Nasriden-Palästen der maurischen Sultane aus dem 13. Jahrhundert anstellen, sondern boarden priority-mäßig und haben eine separate "exüress lane"! – Und los geht´s mit dem faszinierenden Schauspiel aus Architektur, Lichtspielen, Historie und Anekdoten. Zielsicher lotst uns Rosa an den „Golden Hordes“ (Schimpfwort aus der Ethno-Szene für Touristen) vorbei, lässt uns am Sultan-Thron verweilen, aus dem Löwenbrunnen trinken (natürlich nicht!) und entlässt uns mit der Vorführung der Akustik im kreisrunden Karlspalast wieder in unser Rennradleben. Das heißt heute: Schlafen! Schließlich wollen wir morgen in Richtung Sierra Nevada mindestens bis zur Virgen de las Nieves, und vielleicht sogar ganz rauf auf den Veleta - denn es liegt wenig Schnee.
Spoiler: Einige sind weiter als zur Virgen hinauf gefahren. Ich schreibe diese Zeilen nämlich gerade aus der Mittagspause des Folgetages im food truck auf 2500m Höhe – die Jungfrau fest im Blick! - dazu im nächsten Artikel mehr.
Epilog: Wir verbuchen es ausdrücklich nicht unter Kultur, wenn man mit einem Porsche nebst Rennrad auf dem Dach, aber der Ehefrau im Fiat 500 dahinter, vorm Hotel vorfährt!
Und auch heute wieder Rennradspanisch für Jedermann:
El cuadro: der Rahmen – wahlweise auch „Gemälde“. Liegt ja auch nah beieinander.
Cinta de llanta: Felgenband – davon kann Gruppe 1 ja ein Lied singen.
La cubierta: der Reifen. Nicht zu verwechseln mit “la cobertura“ – Abdeckung, z.B. aus Zuckerguss beim Kuchen.
El pepino: (Gewürz)Gurke – Sebastian mag die großen von Mercadona ganz besonders
official:
Heute nehmen wir Kurs auf die wohl legendärste Stadt Andalusiens: Granada. Wir starten in eleganter Zweierreihe entlang der Vega. Bei Íllora haben wir den Fuß der Sierra de Parapanda erreicht und natürlich geht es nunmehr hinauf. In Moclín an der alten Handelsstraße nach Córdoba gibt´s meist. Anisplätzchen in der Bar - unbedingt probieren! Anschließend erklimmen wir die Westflanke der Sierra de Huetor. Hier können wir auch bald die Sierra Nevada in ihrer meist noch verschneiten Pracht bestaunen, bevor wir über den Lobo-Pass direkt ins Herz Granadas hinabstürzen.