Provenzalischer Rennradherbst am Mont Ventoux

Wir starten in die Provence-Woche. Unser Prolog führt uns nach am Anreisetag hinauf auf das Plateau de Vaucluse, das sich direkt hinter unserem Standort Isle-sur-la-Sorgue aus der Ebene erhebt. Wahlweise statten wir noch der größten Quelle Frankreichs, der Sorgue-Quelle in Fontaine-de-Vaucluse, einen Besuch ab. Oder wir fahren gleich am südlichen Rand des Plateaus in das hübsche Örtchen Gordes - sozusagen ein Prototyp des typisch provenzalischen village perché, eines auf einem Bergsporn in geschützter Lage erbauten mittelalterlichen Dorfes. Der erste col unserer Rennradwoche ist der zwar nicht allzu hohe, aber dennoch sehr schöne Col des Trois Termes, der durch die mythsichen Lavendelfelder des bekannten Zisterzienser-Klosters Abbaye de Senanque führt. Anschließend geht es am Westrand des Plateaus über die Hügel rund um La Crémade wieder nach Isle zurück.

Bienvenue en Provence - Willkommen in der Provence. Der bekannteste und beliebteste Berg der Provence: natürlich der Mont Ventoux. Den fahren wir heute noch nicht (mit Betonung auf noch). Stattdessen die auf der Beliebtheitsskala an zweiter Stelle liegende Schlucht Gorges de la Nesque. Tief hat sich die Nesque hier ins Karstgestein des Plateau de Vaucluse eingegraben. Für uns ist es ein sanfter und gleichzeitig spektakulärer Einstieg in unsere Rennradwoche, und so fahren wir den gorges traditionell auf der ersten Etappe nach dem Prolog. Toll zum Einrollen, und absolut zum Genießen. Tiefblicke hinab in die Schlucht, abenteuerliche Felstunnels, garniert von der typischen kargen mediterranen Vegetation. Und als Krönung: vom Endpunkt der Auffahrt sieht man den Ventoux-Gipfel zum Greifen nahe direkt in der Verlängerung der Schlucht. Pflicht-Fotostopp!

Provence prototypisch. Eine lange Etappe führt uns in den südöstlich von Isle liegenden Lubéron. Dieser Höhenzug spannt sich südlich und südöstlich von L'Isle auf, und es ist sozusagen der allerletzte Außenposten der provenzalischen Alpen, die noch weiter in Richtung Süden in das hügelige Hinterland der Côte d'Azur übergehen.

Die Anfahrt zum Lubéron ist recht flach, und wir benutzen teilweise den Bahntrassenradweg Véloroute du Calavon, um am Nordrand des Gebirges entlang zu fahren. In Cereste wartet dann die nicht allzu schwere, dafür aber umso schönere Auffahrt auf einen Pass mit dem schönen melodischen Namen Col de l'Aire deï Masco. Eine traumhafte Abfahrt bringt uns auf die Südseite des Lubéron, wo wir durch verschiedene malerische Dörfer bis nach Lourmarin fahren und dann den Höhenzug erneut nach Bonnieux überqueren. Am Nordrand des Lubéron rollen wir dann nach L'Isle zurück.

Das Plateau de Vaucluse ist das Gebiet, das sich östlich von L'Isle erhebt, und das sozusagen die Verbindung zwischen dem Mont-Ventoux-Massiv im Norden und dem Lubéron im Süden herstellt. Dabei darf man sich jedoch keine flache Hochebene vorstellen, sondern eher eine zerklüftete, hügelige Region mit wildromantischen Schluchten, Wäldern - und ausgedehnten Lavendelfeldern. Nach Süden hin fällt das Plateau steil zum Calavon-Tal ab, was uns in Form des Col de la Liguière den längsten Anstieg des Tages beschert. 600 Höhenmeter zwischen wilden Rosmarinsträuchern bis zum Pass, dann geht es durch die Lavendelfelder, die zu dieser Jahreszeit allerdings unspektakulär braungrün statt leuchtend lila sind. Nach dem Mittagessen auf der Panoramaterrasse am Fuße des Mont Ventoux in Sault fahren wir dann weiter über den einsamen Col de la Ligne. Die schöne Abfahrt durch die Schlucht Combe de Chaulon führt uns ins Comtat, und dann ist der Weg zurück nach Isle nicht mehr weit.

Mitte der Woche will man es heute vielleicht mal etwas ruhiger angehen - ein legitimer Wunsch. Wer den Tag nicht komplett am Hotelpool verbringen möchte, kann die Alpilles entdecken. Hinter diesem Begriff („Kleine Alpen“) verbirgt sich ein Mini-Höhenzug im ansonsten völlig flachen Rhonetal, gerade mal etwas mehr als lächerliche 200 m hoch. Lohnt sich nicht? Doch, denn die Alpilles sind ein absolutes landschaftliches Highlight, und für die markanten hellen Kalkfelsen und die ausgedehnten Olivenplantagen der bekannten appelation Maussanne, kann man schon mal die weitgehend flache Anfahrt auf sich nehmen. Äußerst empfehlenswert ist die kurze Stichstraße zum Belvedère des Baux, von wo aus man das auf das auf einem Felssporn gebaute mittelalterliche Les Baux herunter blicken kann.

Heute ist es endlich soweit. Der Gigant der Provence wartet. Dann was wäre eine Rennradwoche in der Provence ohne den Mont Ventoux?

In den letzten Tagen haben wir uns schon heran getastet, das Massiv des Mont Ventoux aus nahezu allen Himmelsrichtungen ehrfürchtig bestaunt. Heute wenden wir uns also nach Norden, durch die Ebene des Comtat, ca. 30 km Einrollen bis Bédoin. Hier beginnt die klassische Tour-de-France-Auffahrt. 21 km, 1600 Höhenmeter. Durch den Wald, dann ab dem Chalet Reynard durch die berühmt-berüchtigte Felswüste bis hinauf zum Observatorium auf dem 1912 m hohen Gipfel. Monumental. Hier liegt uns die ganze Provence zu Füßen; insbesondere im Spätsommer hat man aber auch oft atemberaubende Blicke von den Cevennen im Westen über das Mittelmeer bei Marseille im Süden bis zu den Hochalpen im Osten.

Die Abfahrt auf der Nordseite führt uns nach Malaucène. Um die Runde zu vollenden, fahren wir durch die Dentelles de Montmirail, mit ihren dolomitenartigen verwitterten Felsen auch ein beliebtes Gebiet bei Kletterern. Zwischen Weinbergen geht es an Carpentras vorbei zurück zum Ausgangspunkt.

Die Schlussrunde - nochmal ein hübsches Potpourri auf dem Plateau de Vaucluse. Wir halten uns nach Osten, und am Südrand des Plateau fahren wir in Richtung Roussillon, wo wir - vielleicht bei einer ersten Kaffeepause - die imposanten Ockerfelsen bewundern können. Dann erklimmen wir das Plateau über den schönen Col de Lagarde d'Apt. Wir fahren auf Sault und den Mont Ventoux zu, machen jedoch wieder kehrt und gelangen über die Combe de la Sigalière nach Isle zurück.