Als quäldich-Reiseorganisator hatte ich 2023 das Privileg, in insgesamt acht verschiedenen europäischen Ländern im Rennradsattel zu sitzen. Es war ein Rennradjahr, in dem ich viel gesehen habe – von den einsamen Pässen im Hinterland der Côte d'Azur im Februar bis zu den Schluchten des Balkan in Bosnien-Herzegowina im September. Es ist schwierig, vielleicht sogar unmöglich, nach einem so intensiven Rennradjahr einen Favoriten zu küren. Doch ein unbestrittener Höhepunkt – nicht nur von 2023, sondern meines ganzen Rennradlebens – war im Juni die Vorbereitungswoche unserer Rennradreise in Norwegen. Und so möchte ich in diesem Blog-Beitrag von einigen besonderen Highlights aus Norwegen erzählen.
Schon am ersten Tag meines Scoutings wird mir klar, dass diese Rennradwoche in Norwegen etwas ganz besonderes wird. Mein Weg führt mich zunächst mit der Fähre über den Lysefjord, vorbei an senkrechten, 600 m hohen Felswänden, hoch über mir der berühmten Preikestolen-Fels. Dann sitze ich endlich im Rennradsattel, klettere über 27 Kehren selbst durch die Felswand oberhalb des Fjords. Später stehe ich auf der Aussichtsterrasse des Kjerag Café, den Fjord nun 600 Höhenmeter unter mir. All das sind unglaubliche Erfahrungen, so etwas habe ich noch nirgendwo sonst erlebt. Doch so richtig sagenhaft wird es, als ich den Fjord hinter mir lasse. Es geht weiter hinauf auf die Hochebene. Felsen. Schnee. Karge, einsame Landschaft. Immer wieder Seen. Weite Blicke über eine endlos scheinende Bergwelt. Kein Anzeichen von Zivilisation außer einem schmalen Asphaltband, das sich über das Plateau schlängelt. Ich bin auf nicht mal 1000 m Höhe, aber es wirkt wie weit jenseits der 2000er-Marke in den Alpen.
Ich stelle mein Rad ab am höchsten Punkt des bekannten Lysevegen, demütig angesichts der überwältigenden Schönheit der Natur. Vor einigen Jahren sagte mir ein begeisterter Teilnehmer auf der dritten Etappe der Korsika-Rundfahrt: „Selbst wenn der Rest jetzt total langweilig wird, hat sich die Reise immer noch gelohnt.“ An diesem Punkt bin in Norwegen schon nach einer halben Etappe. Ich spüre: das hier ist einzigartig. Das gibt es nirgendwo sonst.
In den folgenden Tagen entdecke ich noch viele weitere Schätze. Ich fahre durch verwunschene Birkenwälder. Vorbei an rauschenden Wasserfällen. An Seen entlang. Die anspruchsvolle Auffahrt zum Flistjønnskaret, der Passhöhe unterhalb des Gaustatoppen, des höchsten Punktes der Telemark. Die sagenhafte Straße durch den Nationalpark, bei strahlendem Sonnenschein über die eisbedeckte Hardangervidda, die größte Hochebene Europas. Am selben Tag dann die fast schon mediterran anmutende Küstenstraße entlang des Sørfjord, zwischen Apfelplantagen – was für ein Kontrast. In Norwegen reiht sich ein magischer Moment an den nächsten.
Meinen Lieblingsmoment erlebe ich dann auf der sechsten, der vorletzten Etappe. Dort, wo ich es gar nicht erwartet hätte. Schon die Anfahrt ist vielversprechend. Durch ein enges Tal, unterhalb des imposanten Folgefonna-Gletschers, der in der Morgensonne glitzert. Vorbei am Låtefossen-Wasserfall, der die ganze Straße in eine Gischtwolke einhüllt. Und dann geht es auf eine einsame Passstraße ins Nirgendwo. Hinauf aufs Røldalsfjellet. Sie windet sich in Serpentinen oberhalb eines kleinen Sees hinauf. Der Gletscher am Horizont scheint nun auf Augenhöhe. Schroffe Felsen. Immer mehr Schnee. Oben bin ich ganz alleine. Mit sagenhaftem Panorama in alle Richtungen. Und möchte nicht mehr weg.
Nach sieben Tagen auf dem Rad komme ich dann zum Ausgangspunkt in Sandnes bei Stavanger zurück. Die Beine sind müde, und der Kopf ist voller Eindrücke, fast mehr als ich in so kurzer Zeit aufnehmen konnte. Ich habe ein sehr gastfreundliches Land erlebt, viele aufgeschlossene Menschen und lächelnde Gesichter. Ich habe eine ganz besondere Atmosphäre erlebt. Lange Tage. Schneemassen im Juni. Gemütliche Hotels. Elchburger. Ich bin sieben Tage lang durch eine fantastische Landschaft gefahren. Eine gewaltige Natur – einsam, wild und nicht selten atemberaubend.
Und so ist mein Fazit: Ich bin dankbar, dass ich diese besondere Rennradwoche zwischen Fjorden und Hochland erleben durfte. Und ich freue mich, dass wir 2024 dann unseren Reiseteilnehmerinnen und -teilnehmer dieselben Erfahrungen möglich machen können.