Jetzt haben wir schon die zweite Bergankunft in dieser Woche hinter uns gebracht. Ganz oben auf dem Col de Valberg sind wir angekommen. Draußen in der Ferne hört man Kuhglocken bimmeln, das Fenster ist offen und ein schöner kühler Wind weht durch das Zimmer. Das Abendessen ist schon vorbei, für morgen alles besprochen. Jetzt gibt es noch die letzten beiden Etappen auszuwerten. Gestern war ich so schreibfaul, da war die Erholung wichtiger. Das Erlebte und die ganzen Eindrücke des Tages müssen auch mal in Ruhe verarbeitet werden. Aber wie nach jeder Etappe gibt es natürlich so einiges zu berichten.
Laut Frank war der Col d'Allos der bisher schönste Pass in dieser Woche. Darüber habe ich mir bisher noch gar keine Gedanken gemacht, komme aber zu dem Entschluss das er Recht hat.
Eingerahmt von zwei weiteren Pässen hat er seine ganze Pracht gezeigt. Wie sich die Straße am Hang entlang schlängelt, lange links Kurve und dann auf der anderen Seite am Hang weiter. Lange rechts Kurve und wieder ganz neue Eindrücke. Das Wetter bombastisch wie man sehen kann. Einfach traumhaft den Pass bei gleichbleibender Steigung zu geniessen. Was soll man hier noch beschreiben, man muss es einfach selber live erleben.
Gestartet sind wir in Guillestre und sofort ging es in den ersten Berg, den Col de Vars.
Nach wenigen Kehren waren wir schon oberhalb des Ortes, in der Ferne die schneebedeckten Berge mit dem über 4000 Meter hohen Écrins Massiv. Die sehr gute Fernsicht haben alle genossen und so segelten wir gut gelaunt bis zum Gipfel hoch.
Lokale Speisen oder Getränke bleiben auf quäldich Reisen manchmal im Kopf hängen. Und so hat sich einer von uns noch einen Génépi zum Abschluss des Tages gegönnt. Nachdem wir am Vorabend alle zusammen angestoßen haben.
Mal schauen was es morgen in Barcelonnette beim Abendessen zum anstoßen gibt, dann sind bestimmt wieder alle dabei.
Aber da sind wir noch lange nicht, denn heute war der Tag der Schlucht. Die George du Cians mit den Porphyrfelsen war das Highlight des Tages. Für einige ging es vorher noch über den einsamen Col de la Sinne.
Oben angekommen haben wir ein französisches Pärchen getroffen. Als alle Guides gerade nicht in der Nähe waren, haben sie sich über unsere Radreise unterhalten und wollten alle Pässe wissen. Schwierig ohne Guide das zu reflektieren. Jeden Tag neue Pässe und komplett neue Eindrücke. Da vergisst man schon den ein oder anderen Pass. Ist aber auch völlig egal, das Erlebte zählt und ist viel mehr Wert. Nach der Reise kann man ja nochmal alles reflektieren und innerlich auswerten. Wenn da nicht der Arbeitsalltag wäre, aber da sind wir ja noch lange nicht.
Schließlich wurde es jetzt feuerrot.
Es gibt ja einige Schluchten in Europa, aber so rot? Durch den ersten Tunnel sind wir noch hindurch gefahren ohne was zu sehen, die restlichen haben wir einfach links liegen gelassen und sind rechts vorbei, wir wollen ja die Natur sehen und nicht die Tunnel. Wie im Märchen schwebten plötzlich tausende kleine Schmetterlinge um uns herum. Was war hier los? Ein ostasiatischer Kleinschmetterling hat die Schlucht für sich entdeckt und ist gekommen um zu bleiben. Auf Buchsbäume haben es die Raupen abgesehen. Was schlecht für die Bäume ist, hat uns fasziniert. So ist die Natur, aber das ist ein anderes Thema.
Die Kuhglocken sind mittlerweile verstummt, Dunkel ist es geworden. Der Tag neigt sich dem Ende entgegen und die Body Battery muss über Nacht wieder aufgeladen werden, schließlich steht morgen wieder eine lange Etappe auf dem Programm. Zeit zu schlafen. Gute Nacht.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Die fünfte Etappe ist kurz, aber sie ist gewissermaßen eine zweite Bergankunft. Wir schlafen heute im Skiort Valberg, also sozusagen auf der Passhöhe des Col de Valberg. Doch der Weg dorthin ist das Ziel. Dieser führt uns heute durch die atemberaubend schöne Cians-Schlucht mit ihren feuerroten Porphyrfelsen. Mit dem Rad können wir teilweise auch die Tunnels durch die Schlucht umfahren, wo die alte Straße durch die kaum zwei Meter breite Schlucht verläuft. Das ist einmalig in Europa!
Eine ganz schöne Verlängerung der Etappe, wenn man das Var-Tal entlang, das Vesubie-Tal hinauf und dann über den Col de la Sinne fährt. Aber absolut lohnenswert dank der einsamen, scheinbar vergessenen Passstraße durch die schöne Haute-Provence.