23.03.2022,
majortom:
Da heute die sportive Gruppe und gut die Hälfte der ausdauernd-entspannten Hybridgruppe gerade erst von unserer heutigen Etappe zum
Puig de Sant Salvador zurückgekehrt sind, habe ich heute die Ehre der Berichterstattung vom Mallorquinischen Saisonauftakt. Es ist mein erster ausführlicher Rennrad-Aufenthalt auf Mallorca, und so ist die Wochenmitte ja auch vielleicht eine gute Gelegenheit, ein erstes persönliches Zwischenfazit zu ziehen.
Grundsätzlich kann man ja Rennradfahrer in zwei Gruppen einteilen. Die Mallorca-Insider und die Mallorca-Outsider. Die Insider erkennt man vor allem daran, dass sie es gar nicht mehr nötig haben, den Begriff "Mallorca" überhaupt in den Mund zu nehmen, da der regelmäßige Aufenthalt dort zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist. Sie sprechen nur noch von "DIE INSEL", und während die Outsider dann automatisch von der weiteren Kommunikation ausgeschlossen sind, wissen andere Insider sofort, dass weder von Sansibar noch Helgoland die Rede ist. Sondern vom einzigen Ort auf der Welt, an dem man zwischen Februar und April legitim Rennrad fahren kann, und an dem man sich schon fast so zu Hause fühlt wie Dieter oder Nick, der schon in den frühen Achtzigern aus Bochum bzw. dem Südwesten Englands auf DIE INSEL ausgewandert ist und dort in seinem kleinen Café die garantiert besten und authentischsten Bocadillos serviert. Mallorca-Insider werfen zudem noch mit weiteren recht kryptischen Begriffen um sich: "Treffen wir uns auf einen Café con leche an DER TANKSTELLE?" Natürlich wissen andere Insider sofort, dass der Kiosk am Coll de Sa Bataia gemeint ist, oder - wenn sie erst vor kurzem zum Mallorca-Insidertum bekehrt wurden - nicken zumindest eifrig und fahren einfach dem Rest des Vierzig-Personen-Pulks von der Hürzeler-Station aus hinterher. Mallorca-Outsider hingegen blicken auf die Insider mit leicht verächtlichen Blicken herab. Sie sehen sich selbst als die Trüffelschweine, die lieber in möglichst entlegenen und unbekannten Rennradrevieren an ihrer Frühfrom feilen. Mallorca - das ist nur schnöder Mainstream, das machen alle. Sonne gibt es schließlich überall, viel zu entdecken auch, schließlich war man schon in Sardinien und in Istrien, dieses Jahr hat man ein kleines Hotel auf dem Peloponnes entdeckt, und für nächstes Jahr könnte man es vielleicht mal mit Albanien versuchen; Berichten zufolge können die auch guten Kaffee. (Wenn es überhaupt etwas gibt, auf das sich Insider und Outsider einigen können, dann ist das die Notwendigkeit von Kaffee.) Über das zahlenmäßige Verhältnis von Insidern zu Outsidern können wir nur spekulieren, die empirischen Daten sowohl vor Ort als auch in der Strava-Timeline deuten jedoch darauf hin, dass sich zu jedem beliebien Zeitpunkt im März und April mindestens 50 Prozent der rennradfahrenden Bevölkerung auf DER INSEL aufhalten.
Nun bin ich also schon seit ein paar Tagen auf DER INSEL. Eigentlich war ja geplant, dass ich hier eine freie Rolle einnehme und mich zur Abwechslung mal von den Insidern im Team guiden lasse. Das hat nicht geklappt, ich musste kurzfristig als Guide einspringen und selbst zum Insider werden. Von Tag eins an erreichen mich nun in unregelmäßigen Abständen bedauernde Nachrichten, in denen das Wort "Wetterpech" vorkommt. Und das, ohne mich im geringsten bedauernswert zu fühlen, denn erstens bedeutet das "Wetterpech" ja höchstens gelegentliche Schauer und kalten Nordostwind (also nichts, was einen grundsätzlich vom Rennradfahren abhält), zweitens ist es hier auf DER INSEL wirklich schön, und so Sachen wie
Cap de Formentor (DAS CAP) oder
Sa Calobra (DER KRAWATTENKNOTEN) sind einfach touristische Weltklasse, die auch die Insider-Horden nicht entwerten können (und über die können wir uns sowieso nicht beschweren, da wir ja Teil des Problems und nicht Teil der Lösung sind), und drittens lohnten die Frito-mallorquín-Orgien in den
celleres von Inca die weite Anreise selbst bei (hypothetischem) Schneesturm. Lange Rede, kurzer Sinn: wir haben Spaß auf Mallorca. Es ist geil. Um nicht zu sagen: episch.
Deshalb ziehe ich mal folgendes Fazit. Die Mallorca-Insider sollten vielleicht mal Dieter oder Nick untreu werden und neue Weltklasse-Trainingslagerziele entdecken - auch wenn man im vergangenen Winter endlich mal das Spanisch-Kursbuch wieder rausgekramt hat, das man schon vor fünf Jahren gekauft hat, da man nach dem zwölften Aufenthalt in Folge doch tatsächlich auch mal anfangen könnte, Spanisch zu lernen. Aber vor allem sollten auch mal die Mallorca-Outsider über ihren Schatten springen, den Albanien-Aufenthalt noch um ein Jahr rauschieben und es doch mal mit DER INSEL versuchen. Es lohnt sich.
Alle Infos zum Balearischen Saisonauftakt auf Mallorca
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Das liebliche Orangental mit seinem Serpentinenanstieg ist eine Erweiterung der Runde an Manacor vorbei wert. Hinter Petra fahren wir ebenfalls noch zur Ermita de Bonany hinauf.