24.08.2022,
Jan:
Heute könnte ich es mir einfach machen, und einfach auf den
Blog-Artikel der Seealpen 2020 verlinken, wo wir die identische Etappe von Cuneo über den Agnel nach Guillestre gefahren sind. Wir sind in dem Fall Lena, Martin und ich, die heute wie damals dabei waren. Mit Rolf bin ich auch schon über den Agnel, auf der bereits erwähnten Erstausrichtung der Monumente der Südalpen 2011 (leider ohne Bericht).
Aber natürlich mache ich es mir nicht einfach, denn die zuhause gebliebenen erwarten schließlich einen aktuellen Bericht. Und sie war auch gar nicht identisch, die Etappe, denn Gruppe 1 hat gestern auf ihrer Morti-Sampeyre-Komplettbefahrung die Strecke aus dem Varaitatal über die kleine
Colletta di Rossana nach Cuneo für uns gescoutet und für gut befunden. Also fahren wir sie heute andersrum, über schmale, teils etwas verwinkelte Straßen, aber viel entspannter und mit besserem Belag als die verkehrsbelasteten Provinzialstraßen. So können wir bei klarer Sicht die herrlichen Blicke hinein ins Valle Maira und über den nächsten Kamm hinweg auf den Monte Viso genießen.
Viel zu schnell sind wir über die Colletta gesprungen und befinden uns auf der teils desolaten Hauptstraße durch das Varaitatal. Der Verkehr ist deutlich stärker als zuvor, aber unproblematisch, da die Straße breit genug ist. Dennoch ist es anstrengend. Die Straße steigt nur leicht, und weder die Kilometer noch die Höhenmeter wollen recht schrumpfen. Wie schon 2020 kehren wir in Venasca zum Caffè ein. Der Alimentari gegenüber erfreut sich auch schon größter Beliebtheit. Hauptstraßenminimierend fahren wir für einige Kilometer auf der anderen Seite der Varaita weiter. Endlich erreichen wir Sampeyre und den Abzweig zum gleichnamigen Pass, den wir aber heute links liegen lassen müssen. 2020 war Martin noch mit
titan3 die fast-4000-Höhenmeter-Variante Sampeyre-Agnel gefahren. Im Anschluss geht es endlich etwas aufwärts, in Stufen nach Casteldelfino und weiter hoch nach Castello zur Staumauer, zum Fassbrunnen, zur üppig bemalten Kirche und... zu Natascha! Selten habe ich sie stärker herbeigesehnt, die erste saure Gurke schickt einen wohligen Schauer durch meinen Körper. Dazu harmoniert der gestern beim Kloster unterhalb des Morti gekaufte Käse. 64 km haben wir nun schon in den Beinen, und die Anfahrt bis hier war hart. Natürlich kann ich mich von der 2020er-Etappe gar nicht mehr daran erinnern, weil der phänomenale Schlussteil all die Erinnerungen davor überlagert.
Nun aber liegen noch 16 km und etwas mehr als 1.000 Höhenmeter vor uns. Sie gehören zu den besten, die die Alpen zu bieten haben. Gleich hinter Chianale (
uno dei borghi più belli d'Italia) nimmt die Breite der Straße ab und es beginnt die Almstufe. Seit dem Stausee hält sich der Verkehr in engen Grenzen, und so können wir die kehrenreich durch grandiose Felslandschaft trassierte Straße ungestört genießen. Oben ein Passbild mit glücklicher Gruppe.
Im ersten Ort hinter dem Pass legen wir eine Kaffeepause ein. Tolle Gruppe, alle warten. Die entspannte Gruppe posiert fast komplett im
Alpinsten-Trikot. Dann hinunter nach Chateau Queyras, durch die Guilschlucht mit multiplen Fotostopps nach Guillestre. Nach dem wirklich guten Abendessen ergibt die Abstimmung
Col Agnel vs
Colle dei Morti 12:9 für den Agnel bei zwei Enthaltungen aus der neutralen Schweiz. Im Anschluss sitzen wir noch lange auf der Terrasse beim
Pässequartett. Als nur noch Teddy und Uwe Karten haben, schlage ich salomonisch vor, nun hätten beide gewonnen. "Ich fahre doch jetzt nicht Hand in Hand mit Teddy über die Ziellinie!" ruft Uwe aus. Großes Gelächter. Nach dem Auszählen der Karten sieht Teddy vor Uwe, mir gönnen sie keinen Stich!
Die Italienisch-Lektion des Tages lautet: hinterm Agnel spricht man französisch.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Es geht heute auf die französische Seite der Alpen, über unser Souvenir Jan Sahner, das Dach der Tour. Die Etappe beginnt mit etwa 25 flachen Kilometern am Alpenrand, dann wenden wir uns nach Westen und dringen über das Valle Varaita immer tiefer in die Cottischen Alpen vor. Ab Sampeyre beginnt dann so langsam der Anstieg zum berüchtigten Colle dell'Agnello oder Col d'Agnel - der 2746 m hohe Grenzpass zwischen Piemont und Hochprovence, zwischen Italien und Frankreich. Der dritthöchste Pass der Alpen nach Iséran und Stilfserjoch, uns unser Dach der Tour, das Souvenir Jan Sahner. Mit sagenhafter Alpenkulisse. Und dann auf französischer Seite einer langen Abfahrt hinab nach Guillestre.