14.09.2021,
Jan:
Die heutige Runde drehen wir wie die gestrige um, fahren also
Passo del Bocco,
Passo del Chiodo,
Passo della Forcella. Von gestern wissen wir ja schon, dass der Bocco neu asphaltiert wurde, und daher rollt es heute morgen fantastisch los. Natürlich halten wir am Denkmal für Wouter Weylandt inne und gedenken der Opfer der Straße. Danach beginnt der kontemplative Aufstieg zum Bocco. Herrliche Blicke bis zum Meer. Es riecht nach Walderdbeeren. Oben hat Robert schon Speckknödel mit Speck bei Elfi aus Innsbruck in der Bar da Annamaria bestellt. Gekommen sind 4 doppelte Espressi, Cola und Sprudelwasser. Auch gut. Für mich kommt noch ein Panino con Pancetta, denn ich habe immer den doppelten Hunger von allen. Hier oben lässt es sich aushalten. Wenn Ligurien unser Wohnzimmer ist, dann ist die Bar da Annamaria unsere Couch.
1000 Höhenmeter haben wir hier schon im Kasten, aber noch kein Korn verschossen. Das ändert sich jetzt, denn die sanfte Abfahrt hinunter ins Tarotal ist voll mein Ding, und ich drück was geht nach Pontestrambo, wo wir jäh links abbiegen in den Anstieg zum Chiodo. Bis hier haben uns 3 Autos überholt. Es ist ein Traum! Ungefähr so viele überholen uns nochmals bis zum Rifugio Monte Penna, das am Ende des Steilstücks hoch zum Chiodo liegt. Hier leidet jeder für sich. Meine Beine wollen sich diese Woche irgendwie nicht entwickeln. Macht nichts. Macht trotzdem Spaß. Die Weitblicke über die Apenninketten in Richtung Meer und auf die Felsformationen in unserer Fahrtrichtung sind sehenswert. Richtig Freude kommt allerdings auf, als das Rifugio Monte Penna rechter Hand am Wegesrand auftaucht. Mamma hat gekocht, es gibt Ravioli mit Pilz- oder Fleischsauce. Sehr lecker, mit fast vegetarischer Kalbsfüllung! Und Tiramisu, dass es schafft, unsere Laune von gut auf sehr gut hochzuziehen.
Am Rifugio ist der schwere Teil vom Chiodo geschafft, es folgt der schöne Teil. Es geht kaum noch hoch. 200 Hm auf gut 5 km, aber durch die weitreichendsten Buchenwälder, die ich in Ligurien kenne. Dazwischen märchenhaft bemooste Felsformationen wie aus Ronja Räubertochter. Wunderschön. Die Passhöhe selber ist unspektakulär.
Wir wählen die Hauptstraße hinunter in Richtung Gramizza, nicht die Strecke über den Rommezzano, die mich letztes Jahr nicht überzeugt hat. Gute Wahl, denn diese Strecke ist in den letzten Wochen zur Hälfte neu asphaltiert worden, wir rauschen ungebremst zu Tal. Dann beginnt das alte Gerumpel, aber ein Arbeiter an der Strecke erklärt mir, dass der Rest hinunter bis nach Gramizza noch dieses Jahr komplett neu durchasphaltiert wird. In Gramizza erwartet uns die Talstraße mit nagelneuem Asphaltkleid. Wahnsinn! Uwe setzt die oben beim Mittagessen diskutierten Trainingseinheiten für das Flachfahren sogleich voller Motivation in die Tat um und drückt die 100 Hm-Welle in Richtung Rezzoaglio hoch, als gäb's kein Morgen. Auch im Ort einfach weiter, weiter, weiter. Zug muss auf die Kette, der Flüsterasphalt lässt ehrlicherweise auch nichts anderes zu. Kurz lässt sich Uwe einbremsen, aber dann entfesseln sich wieder seine Ironman-Kräfte. "Jetzt muss ich aber bis Chiavari lutschen, das habt ihr nun davon, jetzt bin ich platt!" lässt er uns am Forcella wissen. Zwei Motorradfahrer klären uns auf, dass ein letzter Teil der Forcella-Passstraße hinunter ins Valle Sturla in diesen Tagen aufgefräst wurde, um sie mit einem neuen Belag zu versehen. Und tatsächlich rollt der nagelneue Belag nur noch drei Kilometer weit, dann bremst uns eine Baustellenampel aus. Im laufenden Verkehr wird hier weiter asphaltiert, die Walze walzt ungeachtet weiter, trotz LKW im Gegenverkehr. Wir rollen über den noch heißen Asphalt und danach auf die abgefräste Teerfläche. Dreck, Staub, Steine kleben an den Mänteln. Macht nichts. Ich bin im Glück. 130 km Traumrunde, und ab dem nächsten Jahr alles auf bestem Asphalt. Ich kann das Glück nicht fassen. Die Pandemie war für etwas gut. Ligurien hat nun rund um Chiavari fast nur noch Traumstraßen zum Fahrradfahren. Genial!
Leivi geht immer, und dann trinken wir am Lungomare auf diese Sensation.
Beim Abendessen dann der Schock: Donnerstag soll das Wetter schlecht werden, wir müssen morgen in die Cinque Terre! Also doch nicht mehr zum Absacker an den Strand, sondern ab ins Bett!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Der Passo la Forcella ist der angenehmste Anstieg der Gegend. Gleichmäßig und kaum mal über sechs Prozent steil rollt es fast von selbst auf 875 m Höhe. Nun folgen wir für 12 km sanft abfallend dem Avetotal, was noch viele weitere Abenteuer für uns bereit hielte.
Wir aber wollen heute hoch hinaus, auf 1460 m Höhe zum Passo del Chiodo. Ob dort noch Schnee liegt, kann man jetzt, mehr als einen Monat vor der Reise, noch nicht sagen. Das werden wir aber in Chiavari und nicht erst vor Ort wissen. Weil sie viel schöner ist, wählen wir die Strecke über den Passo Romezzano und folgen dann der Kammstraße, die hier allerdings noch ordentlich bergan geht.
Vorsicht bei der steilen Abfahrt ins Tarotal! Dann sanft über den Bocco zurück. Und Leivi geht immer.