21.09.2021,
Jan:
Nach dem wir nun zwei Tage lang das Plateau de Vaucluse kennen gelernt haben, war es heute an der Zeit, einmal etwas neues zu machen. Da die
Mont Ventoux-Befahrung wetterbedingt erst am Donnerstag Sinn macht, können wir heute einmal etwas Abwechslung einstreuen und dem Luberon einen Besuch abstatten. Der Luberon ist der schmale Gebirgszug, der den Kessel, in dem L'Isle-sur-la-Sorgue liegt, nach Südosten begrenzt. Er gehört wie das Vaucluse-Massiv zu den Provenzalischen Alpen.
Heute fahren wir also hinaus aus den Alpen und erst einmal 50 Kilometer nach Osten, über Apt hinaus. Und da die Straße so stark frequentiert ist, nehmen wir den poller-, sperren- und schikanenschwangeren Radweg. Der ganz offensichtlich das kleinere Übel ist gegenüber der Straße.
Schon sind wir in Cereste, und meine Zweistoppstrategie sieht hier einen Stopp beim Bäcker vor, und dann noch einen Kuchen in Cucuron. Der erste Boxenstopp klappt hervorragend, es gibt Quiche Lorraine und Pizza und Focaccia und Croissants und Orangina. Und schnell.
Dann steht der erste Anstieg des Tages an, der
Col de l'Aire dei Masco, mit dem wir den Höhenzug des Luberon zum ersten Mal überqueren, Richtung Süden. Richtung Meer. Schon können wir schön in Richtung Vaucluse-Plateau gucken. Der Anstieg ist sanft, sehr sanft. Ich drücke aufs Pedal, warte aber vor der Passhöhe an der Panoramakurve des Etappenhauptbildes.
Kurz darauf sind wir oben. Dass Passschild hängt zu weit oben für einen quäldich-Aufkleber. Trotzdem schön hier. Noch schöner ist die Abfahrt auf tollem Belag und mit schönen Ausblicken in die Hügellandschaft südlich des Luberon. Dem Saum des Höhenzugs folgen wir daraufhin nach Osten, und bekommen langsam wieder Hunger. Stephan schreibt in den Geheimdienst, dass das Café de l'Etaing in Cucuron noch Bestellungen entgegen nimmt. Also schnell dorthin, und das Café liegt wirklich wunderbar am Dorfteich unter Platanen, die Hans gleich zeichnet. Tolles Bild!
Leider entpuppt sich meine Zweiboxenstopp-Strategie hier als fail, denn Kuchen gibt's nicht, nicht mal eine einzelne Himbeere. Und ein volles Mittagessen will ich eigentlich hier nicht zu mir nehmen. Ich fürchte, das überträgt sich auf die Gruppe, denn alle trinken nur Café, und das soll sich noch rächen. Gruppe 1 sitzt noch beim Mittagessen, denn die essen richtig. "Madeleine, du nimmst gerade 1 % deines Körpergewichts an Pommes auf", merkt Julian an. Und hat Recht. Wir Gruppe-Zweiler gucken nur neidisch.
Es rächt sich noch nicht am
Col du Carrefour des Cèdres. Im unteren Bereich teilen wir uns die Hauptstraße mit dem
Col de Pointu. Hier herrscht noch etwas Verkehr, aber die Steigungswerte sind gering, und die Schluchtstrecke mehr als nett. Dann zweigen wir ab und die Straße wird ruhig. Bleibt aber sanft. Zur Passhöhe wird dann doch etwas gezuckt, aber ehrfurchtsvoll, denn es steht ja noch der Scharfrichter des Tages an, die Stichstraße entlang des Luberonkamms. Hier hat uns der Etappenplaner
majortom Mont-Ventoux- UND Mittelmeer-Blicke versprochen. Die allerdings erarbeitet werden wollen. Nicht von allen. Susanne und Matthias verabschieden sich. Bei Susanne rächt sich die ungenügende Pausenstrategie des Guides (=mir), Matthias schont sich lieber für den Mont Ventoux. Gute Entscheidung.
Wir machen uns an die Kammstraße. Mehr als 7 % werden es auch nicht, hatte ich nach Roadbook-Studium verkündet. Wurden aber 13. Teils versplittet, in der steilen Kehrenkombination dafür aber mit ersten Blicken auf den Mont Ventoux zur Rechten. Natürlich im Wolkenkleid, weil der Mistral bläst. Klar, denn sonst wären wir heute hoch gefahren. Am Hochpunkt dann eine Schranke und ein Schotterabschnitt dahinter. Aber der Track geht weiter, und das Meer haben wir noch nicht gesehen. Das wurde uns aber versprochen. Also wird der Asphalt bestimmt besser. Außerdem haben wir den Zedernwald noch nicht gesehen, der am Col ausgeschildert war, und nach dem der Col seinen Namen hat. Von dir, Tom, oder heißt der wirklich so?
Also weiter, und dann durchfahren wir ihn. Den Zedernwald. Märchenhaft. Wunderschön. Besonders. Einzigartig.
Der Belag wird tatsächlich schnell deutlich besser, und über eine kleine Abfahrt erreichen wir einen Sattel, an dem wir tatsächlich links das Meer sehen. Es ist nur ein Streifen am Horizont, aber was für einer. Das Meer! Rechts thront der Mont Ventoux über dem Vaucluse-Massiv, natürlich immer noch in den Wolken. Toll hier. Magisch. Das Meer natürlich nicht in Bilder zu fassen. Wunderbar ist für mich vor allem, dass man von hier oben das ganze Arreal unserer zukünftigen Schandtaten erblicken kann: die Ebene rund um Isle, das Vaucluse-Massiv, den Mont Ventoux dahiner. Toll!
Nur kurz teste ich am Ende des Tracks die Abfahrt, die uns die Rückfahrt entlang des Kamms auf gleicher Strecke bis zum Kreuzungspass ersparen würde. Hier ist keine Straße mehr übrig! Meine Gruppe habe ich schon voraus zurück geschickt, als Gruppe 1 eintrifft. Sie wollen die Abfahrt wagen. Ich springe meiner Gruppe hinterher, und erfreue mich nochmals an den tollen Blicken. Und am Zedernwald. Nun sehe ich auch Bonnieux pittoresk unter uns am Hang kleben. Sogleich biegen wir am Pass links ab und fahren durch den Ort. Den Ort ohne Brunnen. Aber mit sensationellem Ventoux-Blick (immer noch in den Wolken). Mein Wasser ist alle. Runter, weiter runter. Auf den Radweg, gegen den Wind. Endlich ein Brunnen an einer alten Bahnstation auf diesem
Voie Verte, einem Eisenbahnstreckenradweg. Dann noch gegen den Mistral 20 km nach Hause. Toller Tag!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Für den Schlusstag haben wir uns eine lange Etappe aufgehoben, die uns in den südöstlich von Isle liegenden Lubéron führt. Die Anfahrt ist flach: wieder benutzen wir den Bahntrassenradweg Véloroute du Calavon, um am Nordrand des Gebirges entlang zu fahren. In Cereste wartet dann die nicht allzu schwere, dafür aber umso schönere Auffahrt auf einen Pass mit dem schönen melodischen Namen Col de l'Aire dei Masco. Eine traumhafte Abfahrt bringt uns auf die Südseite des Lubéron, wo wir durch verschiedene malerische Dörfer bis Lourmarin fahren und dann den Höhenzug erneut nach Bonnieux überqueren. Auch für die Rückfahrt nach Isle nehmen wir den Radweg.