21.05.2019,
majortom:
Gestern Abend habe ich bei der Etappenbesprechung mal wieder den Mund sehr voll genommen und die Messlatte hoch gelegt. Im Gegensatz zur gestrigen Weltpremieren-Runde ins Diois ist das „Pässequartett der Drome Provençale“ ein echter Klassiker. Vier schöne Pässe, eine tolle Dramaturgie – und nebenbei bemerkt noch meine Buis-Lieblingsetappe. Das Menu war also bereitet für einen epischen Tag im Rennradsattel (wie Jan sagen würde).
Erste Erkenntnis, als wir Buis verlassen haben und kurz darauf in den Anstieg zum Col de Fontaube einbiegen: Die Vernunft hat inzwischen wohl ein wenig die Oberhand über Euphorie und Tatendrang gewonnen. Wurde gestern noch teils vor meinem Freigabe-Ruf das Tempo erhöht (Sandra hat wohl recht, ich habe
keinenatürliche Autorität), bleiben heute alle ganz brav hinter mir. Niki erbarmt sich und fährt zu mir nach vorne, und hinter uns formiert sich eine nahezu perfekte Zweierreihe. So kann man den Pass natürlich auch fahren. Nebenbei bemerkt: er ist zwar nicht besonders anspruchsvoll, dafür aber wirklich schön, und das Panorama auf die zum Greifen nahe Nordflanke des Mont Ventoux ist wirklich einzigartig.
Wir fahren ab ins Toulorenc-Tal und cruisen mit Rückenwind nach Montbrun-les-Bains, wo sich der Col de Macuègne anschließt. Inzwischen hat der Tatendrang wieder etwas zugenommen, die meisten genießen jedoch einfach die schön an den Hang trassierte Straße und die schönen Ausblicke zurück. Der Ventoux-Gipfel hängt zwar immer noch in einer Wolke, aber dennoch prangt der Gigant vor uns. Auch der Macuègne kann uns also nicht aufhalten. An der Passhöhe werde ich sogar noch zum dort ausgeschilderten Col de l'Homme Mort befragt, der sich trotz des martialischen Namens jedoch nicht wirklich lohnt. Also geht es sofort in die Abfahrt nach Séderon, wo eine frühe Mittagspause geplant ist.
Leider versagt die Logistik, da der Supermarkt von Séderon heute geschlossen ist. Also plündern wir beim Bäcker all das, was die sportive Gruppe uns übrig gelassen hat. Und lassen leider Guy und seinen Entspannten nicht mehr allzu viel übrig. Bitte entschuldigt. Bei Redaktionsschluss ist jedoch klar, dass der Apéro-Beauftragte natürlich andere Nahrungsmittelquellen aufgetan hat, und so auch die Entspannten zu ihrem Ravitaillement gekommen sind.
Ein paar flache Kilometer im Méouge-Tal, dann biegen wir links ab in den Col Saint-Jean. Ich habe ihn als den steilsten des Tages annonciert, was aber in der Provence alles relativ ist. Steiler als acht Prozent wird es auch hier nicht. Und auch der Saint Jean hat einen schönen Streckenverlauf, der sich in offenem Gelände an imposanten Felsformationen vorbei schlängelt. Oben treffen wir die Radgruppe wieder, die uns in der Auffahrt zum Fontaube schon bergab fahrend begegnet sind. Sie fahren wohl eine ähnliche Runde wie wir, nur in der Gegenrichtung. Wir haben auf unserer Runde natürlich die meisten Pässe von der Schokoladenseite genommen. Oben können wir dann – inzwischen bei strahlendem Sonnenschein – das Hochalpenpanorama genießen. Leider haben wir immer noch nicht recherchiert, welche schneebedeckten Gipfel man da überhaupt sieht.
In Laborel treffen wir uns beim Brunnen wieder. Die meisten Bidons sind leer. Frühsommer in der Drome Provençale – er ist da! Und es fehlt nur noch die letzte Bergwertung in unserem Quartett. Einer meiner Lieblingspässe der Region. Und er hält, was ich versprochen habe. Ein bei fünf bis sieben Prozent sehr schön zu fahrender Anstieg, schmale Straße in idyllischer Landschaft, mit traumhaftem Alpenpanorama oben. Und Ventoux-Panorama auf der anderen Seite. Ich fotografiere glückliche Rennradfahrer vor dem Passschild. Und auch die Serpentinenabfahrt hinab ins Ouvèze-Tal ist einfach ein Traum.
Vom Perty sind es noch 33 Kilometer bis ins Ziel, und knapp 1000 Höhenmeter wollen noch vernichtet werden. Die Abfahrt ist schnell genommen, und auch dem Wind, der uns das tal hinauf entgegen weht, trotzen wir, indem wir einen schönen Zug aufbauen. Ich sichere das Feld nach hinten ab und lasse die anderen im Wind ackern. Es läuft super. Vielen herzlichen Dank an alle für die Mitarbeit. Und so genießen wir als allerletzte Herausforderung noch die Tunnelumfahrung kurz vor Buis und sind kurz darauf angekommen.
Einfach eine schöne Etappe.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Ein Buis-Klassiker. Das Pässequartett der Drome Provençale. Vier Pässe, jeder ein wenig höher als der vorangegangene, zum Abschluss der 1302 m hohe Col de Perty, der mit Ventoux- und Hochalpen-Panorama von der Passhöhe eindeutig ein Highlight der Region ist. Keine leichte Etappe, aber sie lohnt sich! Der erste Pass ist der Col de Fontaube auf der Nordseite des Ventoux-Massivs, schöne Ausblicke auf den Giganten. Der zweite Pass ist der schön trassierte Col de Macuègne, der uns ins Méouge-Tal führt. Der dritte Pass ist der Col Saint-Jean, zwar der steilste des Tages aber dennoch gemächlich, durch schöne Felslandschaften führend. Und dann der Perty als Nummer vier, mit schon etwas schweren Beinen vielleicht härter erscheinend als er wirklich ist, aber die einsame Passstraße und das Hochalpenpanorama beflügeln ja... Und als Sahnehäubchen dann die lange rauschende Abfahrt durchs Ouvèze-Tal. Eine tolle Provence-Etappe weit abseits der überlaufenen Ventoux-Routen.