15.09.2022,
Jan:
Über die ersten 62 Kilometer der Etappe decken wir heute den Mantel des Schweigens. In Sinaia dürfen wir die Europastraße verlassen und in die Bucegi aufsteigen. Sofort ebbt der Verkehr ab, und abgesehen von einer Nahtoderfahrung in Kombination mit einem Zementmischer verlaufen die weiteren 11 Km bis zur Verpflegung bei Alex relativ ereignislos konstant ansteigend im Wald.
Ab hier erleben wir eine fantastische Etappe. Alex hat das Verpflegungsmobil gekkonnt in der Panoramakurve abgestellt und verpflegt uns in einer steifen Brise aufs Beste. Nun öffnet sich die Landschaft. Im Süden blicken wir über tiefe Wälder in die Tiefebene, im Norden beginnt die Almstufe, durch die sich die Straße kurvenreich den Hang entlang schlängelt. Am Saua Dichiu, einem Vorpass auf 1595 m Höhe, zweigt die Stichstraße in die Bucegi ab. Eine Hochalmfläche von karger, unaufgeregter Schönheit. Rumänische Tundra. Ich fühle mich an den
Campo Imperatore erinnert, auch Alexanders Assoziation mit dem
Monte Grappa kann ich nachfühlen. Der Wind weht steif von vorne, aber er stört nicht. Er verlängert nur den Befahrungsgenuss, bis wir am Ende des Asphalts die Räder abstellen. Hier ist ein großer, gut gefüllter Parkplatz. Wir fühlen uns trotzdem wohl und sammeln uns wie die Affen auf zwei großen Felsen. Schön hier! Die Zeit verstreicht. Ein netter Ranger weist uns darauf hin, dass der Nationalpark eintrittspflichtig ist. 10 Lej pro Person, das sind zwei Euro. Mit Karte könne man nur am Foodtruck zahlen, nicht bei ihm. Für 20 Lej pro Person gibt es am Foodtruck noch ein alkoholfreies Bier dazu. Also neunmal Eintritt, neunmal Moretti zero. Die Zeit auf dem Felsen verstreicht weiter.
Dann noch einmal über die wunderschöne Hochfläche zurück zum Vorpass, dann runter, und über zwei Wellen zu unserem tollen Hotel mitten im Hinterland der Bucegi. Was für eine schöne Etappe! Jeden Kilometer Europastraßenmoloch wert!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Von Bran aus starten wir Richtung Norden, vorbei an den "kleinen Dolomiten" zur linken Seite. Wir nähern uns dem Pasul Paraul Rece. Danach wird es auf der Europastraße bis nach Sinaia verkehrsreicher. Wir üben wieder die Einerreihe. Der Lohn für diesen eher unschönen Streckenabschnitt gibt es ab Kilometer 62. Traumhaft schön schlängelt sich die Straße hinauf. Mitten im Anstieg zur Bucegi, machen wir die Pause. Nicht weil wir den mühevoll gewonnenen Bergauffahr-Rythmus brechen wollen, sondern weil sich hier ein toller Ausblick offenbart. Nach der Pause wird es nicht minder schön. Die Stichstraße auf den kargen Bucegi-Kamm ist absolutes Pflichtprogramm. Bis ins Hochtal, wo wir das Hotel beziehen werden, sind es noch 24 km durch beeren- und bärenreiche Wälder.