Die Winterzeit ist für die meisten von uns sicher nicht die bevorzugte Jahreszeit. So auch nicht für mich. Ich wohne ziemlich im Osten der Republik, in Dresden. Im Vergleich zu vielen anderen Landstrichen Deutschlands sind wir durch die tiefe Lage der Stadt zum Glück etwas begünstigt und bekommen in den Wintermonaten auch nicht viel Niederschlag ab. Wenn man will, kann man hier fast das ganze Jahr über Rennrad fahren. Im Elbtal oder nördlich von Dresden bleibt der Schnee selten lange liegen und die Straßen sind meist frei. Doch Rennradfahren zwischen November und März, dass bedeutet für mich oft, dem eisig-kalten Ostwind zu trotzen. Dabei am grauen Himmel irgendwelche Formen von Konturen zu suchen, die in der Hochnebelsuppe nicht zu finden sind. Tristesse pur! In Gesellschaft und mit guten Gesprächen lässt es sich trotzdem für einige Stunden aushalten. Zum Beispiel bei Gruppenfahrten am Wochenende durch die Hölle des Nordens. Nach Riesa, Lauchhammer oder Großenhain. Schöne Berge? Die gibt es hier im flachen Land an der Grenze zu Brandenburg fast nicht, leider.
Geteiltes Leid ist halbes Leid und der persönliche Stolz überwiegt, wenn ich nach einigen Stunden im Sattel wieder zu Hause einreite. Ich habe etwas für mich gemacht, habe meinen inneren Schweinehund besiegt und bin wieder einen Schritt weiter. In jedem Winter heißt das für mich auch, der ersten quäldich-Reise des Jahres immer näher zu kommen. Vorfreude auf die sommerlichen Kanaren!
Seit vielen Jahren sind wir ab Mitte Februar auf den Kanaren unterwegs und organisieren die Bergtrainings auf Teneriffa und Gran Canaria. Warum? Weil wir davon überzeugt sind und Bock auf Rennradfahren haben, auf Berge und auf schönes Wetter. Dieses Jahr macht das Bergtraining Gran Canaria den Auftakt in die neue Reisesaison von quäldich. Ich lasse es mir nicht nehmen und werde in drei Monaten auf Gran Canaria wieder dabei sein. Für eine Woche werden wir auf Gran Canaria dem Winter entfliehen. Nicht irgendwie einfach nur weg vom Winter, sondern mit Anspruch in vielerlei Hinsicht. Die Voraussetzungen auf Gran Canaria sind ziemlich ideal für uns. Die Insel ist wie ein kleiner Kontinent. Überzogen von hohen Bergrücken und durchzogen von tiefen Schluchten. Diese gewaltig-spektakuläre Kulisse dient im Februar für unser ganz besonderes Bergtraining unter kanarischer Sonne. Beim Bergtraining gleicht kein Tag dem anderen. Auch weil wir auf unser bewährtes Konzept mit zwei Standorten vertrauen. Wir sind vier Tage im Süden in Maspalomas und drei Tage im Norden in Agaete. Vom Süden aus können wir auf drei Etappen alles unter die Räder nehmen, was unser Rennradfahrerherz höher schlagen lässt. Können uns zunächst im kargen und wüstenähnlichen Talkessel von Tirajana warm fahren und unseren Körper an das neue Klima gewöhnen. Während der Schweiß im Anstieg zum Alto de Fataga auf das Oberrohr tropft, blicken wir auf den gar nicht weit entfernten Pico de las Nieves. Der höchste Rennradberg der Insel ragt fast 2000 Meter aus dem Meer heraus und steht auf dem Menü des zweiten Tages. Gut 50 km lang schlängelt sich die Straße von Maspalomas bis zum Gipfel. Natürlich ist das herausfordernd, aber auch Genuss pur. Im letzten Jahr war die Mandelblüte in 1000 Meter Höhe besonders intensiv und bei guter Sicht vom Gipfel konnten wir bis nach Teneriffa hinüber schauen. Besonders beeindruckend ist die Inselmitte, um die gigantische Caldera von Tejeda. Hier, wo sich die majestätischen Roques von Gran Canaria als gigantische Felsnadeln erheben und mit den endlos tiefen Barrancos für eine exotische Western-Atmosphäre sorgen. Da können Anstiege nicht lang genug sein.
Ein wenig surreal ist das schon im Februar. Marta sagte im letztens Jahr auf der Reise: „Auf Gran Canaria ist fast jeder Tag eine Königsetappe.“ Etappe drei mit dem Tauropass, der mit seinen vielen Kehren für nicht wenige zu den schönsten Anstiegen der Kanaren zählt, hat ebenfalls das Zeug dazu! Doch keine Angst vor Gran Canaria und dem Bergtraining. Wir bieten jeden Tag mindestens zwei Etappenoptionen an, so dass alle auf ihre Kosten kommen. Wir wollen bei quäldich fordern, aber im Februar auch nicht überfordern. Den Tauropass können wir beispielsweise auf einer 80 km langen Tagestour mit 1500 Hm erleben. Machbar. So bleibt genug Zeit für die Regeneration. Einen großen Anteil an der Erholung während der Reise hat die Verpflegung. Morgens und abends können wir uns am Buffet in Hotel nach Belieben stärken und unsere Speicher wieder füllen. Tagsüber können wir uns auf Begleitfahrerin Nele verlassen, die auf den Etappen für sportlergerechte Verpflegung sorgen wird. Und noch einen Mehrwert bietet uns Nele und das Begleitauto. Wenn der Passatwind die höchsten Gipfel der Insel doch in Wolken hüllt und wir auf das Gipfelerlebnisse nicht verzichten möchten, ziehen wir uns am Begleitauto einfach unsere warmen Sachen über. Was für ein Service! Falls es wirklich einmal ungemütlich in den Bergen gewesen sein sollte, dann haben wir immer die Garantie ein paar Stunden später wieder im warmen Sand durch die Dünen von Maspalomas spazieren zu können und auf einen denkwürdigen Tag zurück zu blicken. Nach vier Nächten in Maspalomas heißt es Abschied nehmen vom Süden Gran Canarias. Eine schöne Transferetappe durch den Inselwesten nach Agaete steht bevor. Natürlich fahren wir mit dem Rad. Unser Gepäck wird bequem von Nele transportiert. Warum der Hotelwechsel?
Der beschauliche Hafenort Agaete ist unser Standort im Norden für zwei weitere Königsetappen. Einmal den grünen und ruhigen Norden der Insel erleben. Über Eukalyptus-, Kastanien- und Kiefernwälder staunen. Rennradfahren auf traumhaften und teils einsamen Bergstraßen, in Landschaften, wie man sie auf den Kanaren nicht vermuten würde. Einfach fasziniert und überrascht sein. Dabei hat man noch immer nicht alles gesehen. Denn zum Abschluss wartet die für mich schönste Etappe auf Gran Canaria. Zwischen Agaete und La Aldea die wilde Westküste hoch über dem Atlantik erleben und im Tal der Tränen Gran Canarias wohl berühmt-berüchtigtsten Anstieg bezwingen. Oben angekommen auf die majestätischen Roques blicken. Die lange Abfahrt nach Agaete herunter rauschen. Am Meer ein Stück Kuchen essen, einen Kakao trinken und voller Stolz gemeinsam auf eine unvergessliche und erlebnisreiche Woche zurück blicken.