Dieser Tag ist lang - quaeldich-Reisen stehen ja per se für Tage voller Urlaub von früh bis abends und nachts. Nur, dass unser Urlaub durchaus sehr aktiv ist - jeder "jubilado" (Rentner) schüttelt da oft nur das weis(s)e Haupt. Resümieren wir also mal fix den Tag rund um das Rennraddach Europas, den Pico del Veleta mit seinen ominösen 3396m:
Erster Akt - Klettershow
7:00 - Frühstück um diese Zeit ist möglich, aber nicht nötig. Schließlich soll heute eine Horde "jubilados" ebenfalls jetzt zum Buffet antreten. Und dann wird´s eng an der Kaffemaschine.
7:30 - So mancher Recken-Wecker klingelt erst jetzt das erste Mal. Ebenso schleicht sich so mancher tatsächlich schon zum Frühstück.
7:45 - ok, Snooze aus und aufgestanden. Auch die Sonne ist nun online.
9:00 - Abfahrt, Ehrfürchtig-respektvoll kreisen die Gespräche um die anstehenden 3000hm und den Schotter oben im schiefrigen Nirgendwo fernab unseres eigentlichen Rennrad-Habitats, dem wohlgepflegten Asphalt der andalusischen Kleinststraßen
9:45 - Flasche leer. Nein, nein. Nur die Bidons ob zärtlicher 22 Grad und der ersten Bergkilometer bereits am Morgen. Kein Problem, im Bergdorf Güéjar laden wir nach, denn ab jetzt geht es los.
9:58 - Zeit, die Bestien in uns loszulassen. Der eigentliche Gipfelsturm beginnt mit den feisten 16%-Rampen nach Kreuzung des idyllischen Genil-Tals. Der Veleta will verdient sein!
10:45 - aaah - es gibt hier also auch normale Straßen mit schönen 7%. Also weiter! Georg jagt drei Spanier, lässt das aber dann doch sein, als einer zwischendurch anfängt, mit seiner Mutter zu telefonieren. Weiter hinten im Peloton sinnieren Bernd und Hagen über irgendwas wichtiges, jedenfalls dauert der Talk noch die folgende Stunde an.
11:45 - Wir passieren die ominöse Schranke auf 2500m (ab hier keine Autos mehr erlaubt). Noch stehen uns 800hm bevor. Übrigens auch den zahlreichen E-Bikern, Bikern, Bikepackern und Wanderern. Selten haben wir soviel Öko-Verkehr hier oben erlebt. Aber schließlich hat uns Granadas Schutzpatronin, die Virgen de las Nieves, ja heute auch eitel Sonnenschein und fast Windstille beschert.
12:45 - 15:30 Erfreulich zu hören, dass wir nicht übertrieben haben bei der Beschreibung der letzten Kilometer bis zum Gipfel, Schlaglöcher, Geröll, Schotter. Das Peloton astet durch die Mondlandschaft bis auf die 3396m des Veleta. Einige Tränen fließen, fremde Räder werden für das Gipfelfoto in die Höhe gereckt (das eigene hat man halt unterhalb der Gipfelfelsen gelassen), Radschuhe werden getragen, und zwar mit den Händen statt am Fuß, da es sich hier so wunderbar gehen lässt. Glücksgefühle im Sonnenschein!
15:31 - Alle sind abgefahren. Jetzt kommt der Wind und bläst das liegende Rad ein wenig auf dem Schotter umher. Zeit für den letzten Late Guide, der Meute hinterherzustürzen.
17:00 - Back again in Granada. Das Endorphin strömt aus allen Poren. Kurz innehalten. Was haben wir da gerade Beklopptes gemacht? Richtig: Den höchsten (gerade noch) mit dem Rennrad ansteuerbaren Punkt Europas erklommen. Sieg!
Zweiter Akt - Tapasflow
19:00: Wir gehen ins Risiko - neues Restaurant. Tapas-Style - wir werfen die deutsche Mein-Teller-Mentalität über Bord. Alles, aber auch alles kommt zum Teilen. Und de facto sehr vegetarisch. Wo so etwas tun, wenn nicht in Granada? Leider haben wir schon wieder vergessen, was da so alles kam, lediglich die biegsamen Löffelchen für eine der tapas bleiben in Erinnerung. Ebenso wie die lange Zeit sehr kühle Klimaanlage. Aber die dunkelblaue Jacke stand Fred wirklich gut!
Dritter Akt - Late Guide Show
22:00: Aufgrund des EU-Gipfels, der gestern die halbe Stadt lahmgelegt (und auch im Hotel zu Sicherheitskontrollen geführt) hatte, konnten wir diesmal erst am Veleta-Tag in die die Alhambra. Wie immer: Nachtführung durch die Nasridenpaläste. Vorhang auf für Carlos und Rosa. Immer wieder erstaunlich, wie viel Kultur wir dann doch noch so in uns aufsaugen können nach einem solchen Bergtag wie heute. Das liegt in nicht unerheblichem Maße an unseren beiden Guides. Wir hören von Algebra und Sultanen, lassen uns die Fresken in fließendem Arabisch vorlesen. Erfahren von den Freizeitbeschäftigungen damals um 1400 in den herrschaftlichen Palästen (unter anderem Literatur und Dirnenspiel) und lauschen amüsiert, wenn Carlos mal wieder mit einem süffisant geschnalzten Murksgeräusch auf das Ende von Sultan x hinweist, weil man sich nur zu gern und oft umbrachte.
00:00: Völlig sportleruntypisch verschwinden wir nach dem einen oder anderen Schlummertrunk in den Kojen.
Granada. Veleta. Granada. Veleta... es könnte ewig so weitergehen!
P.S.: heute nur ganz wenige Bilder hier hochgeladen, lasst uns nun faul sein!
official:
Das Rennraddach Europas wartet. Monumentale 50km, die nur ein Attribut kennen: BERGAUF!
Wir hätten mehrere Möglichkeiten. Diese Variante klettert über Pinos del Valle hinauf nach Güéjar-Sierra und weiter auf einem einsamen, zunächst sehr steilen Sträßchen bis zum Naturparkzentrum auf 1600m. Weiter geht es auf der alten Passtraße durch den Pinienkranz bis auf 2200m und über dem Skidorf zur ominösen Schranke (dort auch Verpflegung). Ab hier gilt: Keine Autos!. Die Straße durch das Skigebiet und seine schroffen Schieferhänge wird nun schleichend schlechter. Ganz oben noch einige Meter Schotterpiste und dann ist es geschafft: 3396m ü. NN.
- der Veleta! In der Abfahrt nehmen wir ab dem NP-Zentrum für besonderen Flow die Hauptstraße, genießen die Tiefblicke und das Panorama der Sierra de Huétor im Norden, bevor wir auf etwa 1000hm nach Pinos Genil abzweigen. Spätestens ab jetzt sollte es wieder kuschelig warm werden :-). Entspanntes Ausrollen über Cenes hinab nach Granada. Der Veleta steht im Palmarès!