03.09.2023,
Jan:
Heute war einer jener erfreulichen Tage im Leben eines Reiseleiters, an denen das Tageswerk erst nach Mitternacht beendet wird. Weil die ohnehin schon volle Etappe noch weiter verlängert wird, eben weil es so schön war.
Der Tag beginnt im baskischen Niemandsland an unserem weit entrückten Hotel. Wir haben nur ein leicht abfallendes Einrollprogramm von 1,5 km vor uns, dann steht die erste Prüfung des Tages an: der
Col d'Arthaburu. Die 800 Höhenmeter verteilen sich auf 6,2 km, bei zunehmend schönerer Aussicht des irisch anmutenden pyrenäischen Baskenlandes. Es ist heute morgen noch deutlich bedeckter, als ich es erhofft hatte. Dennoch geht's pünktlih los. Ein Defekt in Gruppe 1 würfelt die Gruppen ordentlich durcheinander. Letztlich fahre ich mit Micha dem Rest hinterher, was recht kurzweilig ist, weil er all die alpinen Hotspots aus der Kletterperspektive kennt. Derweil rampen sich die Pyrenäen immer drastischer auf, wir können weit zurück gucken, zurück bis zum Atlantik. Oben erreichen wir eine karge Hochebene. Schafe, wohin das Auge reicht, einige riesige Gänsegeier kreisen über der Szenerie. Gänsehaut!
Wir cruisen recht locker über die Hochebene. Ein kurzer Stich führt uns auf den
Col Bagargui, eine dramatisch steile Rampe hinunter. Hier bremst uns ein Platten aus, zum Glück frühzeitig bemerkt. Es tröpfelt wieder leicht. Wir rollen an Larrau vorbei, am Gave de Larreau entlang zur Mittagsverpflegung bei Basti. Wir sind nach 1650 Höhenmetern alle schon rechtschaffen müde; entsprechend groß ist der Hunger. Heute hat Basti ein Buffet im do-it-yourself-Baukasten-Prinzip aufgebaut. Serviervorschläge inklusive.
Nun hat sich die Sonne durchgesetzt. So ein Glück für uns alle, für mich besonders, denn ich habe diesen Anstieg 2019 nur im Regen erlebt. Heute sehen wir pyrenäische Weite und tief in diverse unaussprechliche Schluchten mit baskischem Namen hinein. Der offene Teil weicht dem Wald, und hier zieht die Steigung empflindlich an! Hier kämpft jeder für sich. Umso größer ist die Freude, als wir aus dem Wald heraustreten, die offene Alm erreichen und den 360-Grad-Blick ins Pyrenäen-Vorland genießßen können: auf die hinter uns liegende Straße und die vor uns liegende Hochgebirgsszenerie rund um den
Col de la Pierre Saint Martin. Nun ist klar, dass wir da auch hoch müssen. Mit 3 Ausnahmen fährt die gesamte Gruppe 2 noch auf den Pierre St Martin. Felsdurchsprengte Wiesen, tiefste Blicke in die Vorpyrenäen, eine interessante Streckenführung und eine Million Schafe machen den Anstieg zu einer einzigartigen Erfahrung für alle.
Nun fehlt nur noch ein Gruppenbild, eine 20 Kilometer lange Abfahrt und das 20 Kilometer lange Schlusszeitfahren nach Oloron. Stopp! Unterbrochen natürlich vom ersten Kaffeestopp der regulären Reise. Dazu war es bisher, vom Prolog abgesehen, einfach zu kalt.
Nicht aber heute. Wir trinken caffè, Orangina und Cola. Dann wird die Lok vorgespannt, und glücklich und zufrieden erreichen wir kurz vor dem Abendessen Oloron. Ein wundervoller Tag! Ein wundervoller Tag wohlgemerkt, den niemand bei der Buchung der Reise auf dem Schirm gehabt hat. Darum aber geht es uns auch bei den quäldich-Reisen. Natürlich bieten wir unseren Teilnehmern, was sie erwarten, nämlich die Tour-de-France-Klassiker an der Perlenschnur bei Pyrenäen Atlantik-Mittelmeer. Aber eben auch Etappen wie heute, von denen man nicht viel erwartet, und am Ende ALLES bekommt, was das Pässefahren ausmacht: fordernde Anstiege, belohnende Ausblicke und Szenerien, eine große Portion Horizonterweiterung, eine tolle Gruppe und ganz, ganz viel Spaß im Rennradsattel.