08.09.2022,
Sebastian383:
Heute morgen in Bagniére werde ich etwas unschön geweckt. Die Müllabfuhr kommt mitten in der Nacht zur Leerung der Tonnen und ab 7 Uhr wird mit dem Laubbläser die Strasse gereinigt. Aber so langsam bin ich auch im Urlaubsmodus angekommen. Am Morgen muss ich erstmals überlegen, welcher Wochentag ist. Mittlerweile haben wir schon Tag 5 und damit das Bergfest erreicht. Wie kurzweilig und unglaublich die letzten Tage doch waren, immer bestes Wetter, tolle Anstiege und wie gut die ganze Gruppe auch zwischenmenschlich harmoniert.
Auch heute fahre ich wieder mit Gruppe 1 los und wir rollen zunächst das Tal über eine etwas ausgebaute Strasse hinunter in den Einstieg zum Col de Menté. Die Stimmung ist gut und nach der gestrigen höhenmeterreichen Runde beschliesse ich mit Jenny und Christian in der Gruppe hochzufahren. Wir kommen gut voran, auch wenn die Steigung fast immer jenseits von 8% weilt. Im Anstieg treffen wir auch auf eine erste holländische Gruppe, die ebenfalls den gleichen Anstieg befuhr. Uns fällt gleich auf, dass fast die gesamte Gruppe ohne Helm unterwegs ist, bei quäldich seit Jahren undenkbar. Der gesamte Anstieg bewegt sich durchgehend in Kiefernwald und erinnert mich doch etwas an die heimischen Anstiege im Schwarzwald und die Sonne bleibt zunächst etwas von den Wolken verdeckt. Auch einige Nebel wabern in den ungebenden Waldstücken herum. Von hinten kommt nach der Hälfte des Anstiegs plötzlich Oliver angerauscht, der wohl Morgenluft gewittert hat und den Anstieg noch ganz vorne beenden möchte. Doch Jan-Marc ist schon ein gutes Stück voraus. Oben angekommen, verbringen wir nur kurze Zeit, da es deutlich frischer ist als die letzten Tage und begeben und zur Abfahrt zum Portet d'Aspet, der sich direkt an die Abfahrt anschliesst. An der Kreuzung gebe ich auf dem grossen Kettenblatt nochmals ordentlich Gas, um mit Schwung in den Anstieg zu fahren und noch bis zum Denkmal für Fabio Castelli zu gelangen. Auch heute noch sind mir die Fernsehbilder seines Unfalls präsent. So halten wir kurz inne, bevor wir in den Anstieg starten. Der Anstieg faszieniert alle, wie ein kleiner Regenwald winden sich rechts und links die Bäume in die Höhe. Wir sind für 4 Kilometer in einer ganz anderen Welt gefangen und vergessen, dass die Steigung in diesem Teil bei über 10% liegt. Oben am Pass wartet Manfred mit dem Buffett. Die Wassermelone ist heute der absolute Hit. Auch die holländische Radgruppe, die wir am Montag im Hotel trafen, ist vor Ort. Etwas neidisch sind wir schon auf ihre gelestefarbenen Bianchi-Leihräder, Thorsten hatte sogar bereits versucht, seines gegen ein solches zu tauschen. Jedoch ohne Erfolg. Dafür haben wir aber den besseren Picknickplatz in der Sonne ergattert und wir bekommen Besuch vom dort ansässigen Hund. Ein richtiges Fellknäuel, das sich von allen herzen liess und das wir gerne als Maskottchen mitgenommen hätten, doch Manfred liess sich da nicht erweichen.
Da einige aus Gruppe 2 ebenfalls noch die Zusatzvariante zum Col de la Core in Angriff nehmen wollten, stieg meine Gruppe auf 15 Mitfahrer an. Ich schickte alle in die Abfahrt, doch allzuweit kam ich hier zunächst nicht. Christian hatte in Portet-d'Aspet einen Nagel aufgegabelt, sodass wir zunächst die Panne beheben mussten. Nachdem er das Hinterrad ausgebaut hatte, erklärte er Arne, der gerne hehilflich war, noch den dringenden Hinweis, nicht den Scheibenbremsgriff zu betätigen, da sonst die Weiterfahrt jäh unterbrochen würde. Arne, der mit Alurad, Felgenbremse und manueller Schaltung unterwegs war, fühlte sich wie in den letzten Tagen mit der Wahl seins Rades und der Komponenten, mehr und mehr bestätigt. Das könnte ihm so schnell nicht passieren. Zu dritt gingen wir nach Pannenbehebung dann in die Verfolgung der restlichen Gruppe, wurden aber nach wenigen Kilometern erneut ausgebremst. Matthias, der mit Tubeless unterwegs war, hatten sich eine grösseren Schnitt im Mantel zugezogen, den die Milch nicht mehr abdichtete. Beim Abnehmen des Mantels spritzte die Milch in alle Richtungen, traf auch mich, ein richtiges Schlümpfemassaker dachte ich mir, bezogen auf die blaue Farbe. Arne hat schon recht, dachte ich mir noch in diesem Moment, mit Schlauch kann mir diese Sauerei nicht passieren. Zum Glück hatte ich am Morgen die Babytücher in mein Guidegepäck gepackt, sodass wir die grösste Sauerei recht schnell beseitigen konnten. Nach Behebung der Panne und einholen der Gruppe, wurden wir anschliessend erneut ausgebremst. Plötzlich fiel auf, das Arturo fehlte. Der hatte während des Wartens eine Katze entdeckt und war zum Katzenflüsterer mutiert, wie ein Video eindrucksvoll dokumentiert. Nachdem wir wieder vollständig waren, konnten wir uns endlich dem finalen Anstieg zum Col de la Core widmen. Auch mir war dieser Pass bisher unbekannt, rollte aber sehr gut dahin. Bei Gesprächen über die schönsten Anstiege und Geschichten aus der Kindheit, vernichteten wir die Kilometer im Nu. Schön wie der Pass im oberen Teil die Talseite wechselt, der Blick zurück ganz eindrucksvoll. Nach Abfahrt nach Seix und einer Kaffeepause verbingen wir den restlichen Tag in der Sommersonne am Pool. Die Welt kann so schön sein.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Und weiter geht der Pässereigen, zwei weitere Klassiker können wir heute dem persönlichen Palmarès hinzu fügen. Etwas Schonfrist verschafft uns die flache Auftaktpassage zwischen dem Etappenort Luchon und Saint-Béat, dann macht der Col de Menté den Auftakt. Und weiter geht res mit der steilen Westrampe zum Col de Portet d'Aspet, wo einst Fabio Casartelli in der Abfahrt tödlich verunglückte. Die Abfahrt geht in eine weitere tendenziell bergab verlaufende Rollerpassage bis Saint-Girons über, dann geht es noch ein Stück das Salat-Tal hinauf bis in den Etappenort Oust.