07.08.2021,
Jan:
Zwischen 13 und 14 Uhr ist für heute Gewitter in Grenoble angekündigt. Dennoch wagen wir uns auf Tour B, die mit 120 km und drei ausgewachsenen Pässen recht ambitioniert erscheint für diesen engen Zeitplan. Da Alexander und Stefan noch einen weitere Heimreise vor sich haben, komme ich in den Genuss der Verlängerungsoption.
Anders als es gestern noch den Anschein hatte, loggen sich heute morgen aber nur Gruppe-1-Teilnehmer für meine Strecke ein, was mir den Angstschweiß auf die Stirn treibt.
In diesem Moment ruft es "Hallo Jan", und
Reinhard steht neben mir. Der ist mit der Familie unverhofft in Bourg d'Oisans gestrandet und hat die Gelegenheit genutzt, nach 16 Jahren noch einmal Alpe d'Huez zu fahren. Schön für mich, und eine willkommene Kraftquelle für meinen Berserker-Tag in Gruppe 1. Danke, Reinhard!
Es ist deutlich wärmer als am Donnerstag, als wir schon einmal in Alpe d'Huez aufgebrochen sind. Dennoch steht Natascha nach einer rauschenden Abfahrt am Kreisverkehr und sammelt die Kleidung ein. Natascha ist immer da, wo man sie braucht, großartig! Denis und ich sind uns einig: über den Col de Sarenne fährt man nach Alpe d'Huez, und über die 21 Kehren runter! Aber auch wir beide wissen: das macht man erst, wenn man vorher einmal
richtig rauf gefahren ist.
Der
Col d'Ornon ist einer der meistgefahrenen Pässe auf quäldich von denen, die mir noch fehlen, und diese Lücke kann ich heute endlich schließen. Die Scharte, durch die die Straße zum Pass führt, sieht man schon von weit oben in der Abfahrt von Alpe d'Huez. Der Pass entpuppt sich als gut fahrbar, und hat oben sogar einige nette Felsformationen zu bieten. Dennoch ist nicht zu bestreiten, dass wir hier die Hochalpen langsam aber sicher verlassen. Denis gibt den Schongang vor, und Charly, Christian, Fabian und Thilo sind uns weit enteilt. Pass 1 geschafft ohne einzugehen, Zwischenziel erreicht. Es folgt die Schussabfahrt No 2, auf der aber empfindliche Kreuzwinde äußerste Vorsicht verlangen. Der Wind weht scharf von Süden, und um den nun in Sicht kommenden Mont Aiguille kreisen tief dunkle Nebelschwaden. "Dort unten liegt Mordor", sagt Fabian, und tatsächlich jagen kalte Gewitterwinde von Süden heran. Glücklicherweise dreht die Fahrtrichtung nach Norden, zum
Col de la Morte, zu dem hin wir den Spinaker auswerfen können.
«Solange du das Knacken meiner Kurbel noch hörst, lebe ich noch», sage ich zu Charly. Das ist aber nichts gegen die Schaltgeräusche von Fabian mit seinem per Gummiband notrepariertem Schaltwerk! Ansonsten ist die Auffahrt ist unauffällig, fast langweilig. Und schnell weg gedrückt. Auch Pass 2 geschafft! Oben Schnellstverpflegung mit Baguette und Cola vom Markt am Passschild. Ich denke nichts Böses, und wir stürzen uns in die Abfahrt. Aber was ist das für eine Abfahrt! Nicht enden wollende Abschnitte zwischen den wenigen Kehren, kurvengespickt! Abfahrtsrausch! Immer tiefer fallen wir, langsam muss doch die Talsohle des Romanchetals erreicht sein! Immer weiter Flow, Flow, Flow!
Der wird jäh in Séchillienne gebrochen, als uns eine Baustellenumleitung in den
Col Luitel führt. 9 km, 900 Hm. 10 % im Schnitt. Alles im Wald. Und alles andere als rhythmisch. Einige wenige Flachpassagen werden durch 16 %-Rampen kompensiert. Ein spanisches Pärchen sorgt für zusätzliche Motivation. Mehr als sportlich fahren ist hier eh nicht, Ausblicke gibt es keine. Oben in einem kleinen Weiler gehen ein paar Regentropfen runter, und kurz darauf ist endlich die Passhöhe erreicht! Geschafft und nicht gestorben! Der unheilverkündene Südwind mahnt zur Eile, ein letztes Passschildbild ist trotzdem Pflicht. Nach kurzer Fahrt biegen wir auf die neu asphaltierte D 111 ein und leiten den Sturzflug nach Greboble ein. Noch ein drittes und letztes Mal fliegen!
Ein greller Blitz erleuchtet Échirolles, als wir auf den Hotelparkplatz vorfahren. Gruppe 2 unter Stefans Führung ist seit 5 Minuten da, weitere 5 Minuten später rollt Alexander mit Gruppe 3 ein. Alle da, alle heile! Großes Hallo und Abschiedsszenen! Wir gehen ins Hotel um zu duschen, als sich die Gewitterwolken mit voller Kraft über Grenoble entladen. Was für ein Timing!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die Aufbruchstimmung wird heute am letzten Tag der Tour sicherlich präsent sein, und wer es eilig hat, nach Hause zu kommen, kann die Etappe auch auf direktem Weg nach Grenoble abkürzen. Um den Verkehrsmassen auf diesem direkten Weg durchs Romanche-Tal zu entkommen, und um gleichzeitig noch ein paar letzte alpine Eindrücke mitzunehmen, können wir jedoch auf der Schlussetappe noch einen Schlenker einstreuen. Der Col d'Ornon, der von Bourg d'Oisans aus nach Südwesten führt, ist wahrlich kein Riese mehr, bietet aber immerhin eine schöne Voralpenkulisse und ist somit ideal, die Highlights der letzten Tage noch einmal Revue passieren zu lassen. Die zweite Etappenhälfte führt uns dann parallel zur Route Napoleon über die sogenannte Corniche du Drac, eine hübsche Höhenstraße oberhalb des Drac-Stausees, die uns immer wieder mal Tiefblicke erlaubt. Eine letzte Abfahrt sind wir noch von den Vororten von Grenoble entfernt, dann schließt sich der Kreis, und nach einer Woche endet unsere Dauphiné-Rundfahrt.