31.07.2020,
standlicht:
Auch der fünfte Tag unserer Savoyen-Rundfahrt steht unter dem Motto „unvergessliche Blicke“. Unvergesslich etwa der Blick, als wir bereits zum zweiten Mal auf dieser Tour in einer Vollsperrung feststecken: Baustelle. Diesmal aber können wir unsere Räder schultern, stapfen auf dem verbliebenen Bürgerstieg und damit weiter auf dem vorgeschriebenen Track – und erleben, wie am Ende des Weges ein Bauarbeiter herbei eilt und für uns Spaten, Hacke und anderes Baumaterial zur Seite räumt. Und das nur, damit die Rennradgruppe aus Deutschland stolperfrei ihren Weg findet. Mit einem Mal verblassen die Erinnerungen an die gestrenge Baustellenfrau von drei Tagen zuvor. Sie hatte uns im Anstieg zum Madeleine ungefragt gezeigt, was eine Harke ist. Indem man eilfertige Menschen vor willkürlich hin- und herparkenden Lastwagen eine geschlagene dreiviertel Stunde warten lässt. Die Langversion dieser Geschichte ist in den Tagesberichten weiter vorne geschrieben.
Zurück auf die Landstraße: Die heutige Etappe ist in der quäldich-Sprache eine Überführungsetappe. Überführung heißt: viel flach, keine Hammer-Berge, Beine baumeln lassen und Hauptsache zum nächsten Startpunkt gelangen. Die Verbindung von St.-Jean-de-Maurienne durchs Arc-Tal erweist sich als hübscher Mix aus ruhigen Landstraßen und vielen Hubbeln (= kleine, aber unangenehme Zwischensteigungen). Gleich drei Mal fahren wir durch bergige Ableger eines Ortes namens „Argentine“. Und fragen uns,ob den Franzosen unterwegs die Ortsbezeichungen ausgegangen sind. Oder ob die Zweitbedeutung von „Argentine“ etwa „kleiner Bergstich“ lautet. Wir können das vor Ort nicht tiefschürfend klären und machen uns in die Auffahrt zum Col de Tamiè. Zuvor aber erleben wir unvergessliche Blicke rüber auf das Bauges-Massiv.
Inzwischen ist es Mittag geworden, und die Savoyer Sonne knallt mit unbändiger Kraft auf uns Radfahrer hernieder. Die ausdauernde Gruppe versucht, das Dauer-Bescheinen durch einen beherzten Besuch beim Quiche-Imbiss zu verzögern, landet aber wenige Minuten später wie die entspannte Gruppe im Glutofen des Tamiè. Nachdem die Temperatur im Schatten auf 32 Grad angestiegen ist, beschließt auch die ausdauernde Gruppe, den direkten Weg nach Annecy zum gleichnamigen See zu nehmen. Zwar entgeht ihr dadurch der unvergessliche Blick auf See und Stadt auf dem Col de la Forclaz. Wi sich herausstellt, sind unten am Ufer See und Stadt aber auch sehr präsent.
Auf ehemaligen Bahntrassen und im föhnwarmen Dauer-Gegenwind geht es flott nach Annecy und hinein ins Gewusel. Sowohl ausdauernde als auch entspannte Gruppe haben dabei heute locker über 100 Kilometer zurückgelegt. Schöne Tour, tolle Landschaft, lohnendes Ziel – Rennradherz, was willst du mehr?
Morgen ist übrigens quäldich-Ruhetag. Was im Subtext bedeutet: fahren, fahren, fahren! Sollten wir auch tun, denn es lockt ab Cret de Chatillon der unvergessliche Blick auf den gesamten See. Wir werden se’en…!