Eine letzte Etappe steht heute noch in der Provence auf dem Programm. Eine Etappe, die zunächst über St. Didier das Vaucluse-Plateau erklimmt und am
Col de la Ligne ihre Klimax findet. Über die Ockerfelsen von Roussillion fahren wir dann nochmals hinüber ins Luberon und wollen den Mont Ventoux nochmals über der Vaucluse-Hochebene stehen sehen. Ein genialer Rundumschlag durch die in den letzten Tagen durchfahrene Region, mit dem immer präsenten Mont Ventoux im Blick, der diese Woche geprägt hat. Der Mont Ventoux, das habe ich so richtig erst diese Woche verstanden, ist ein wahrlich energetischer Berg, ein Monument der Extraklasse, der diese Region dominiert wie kaum ein Berg eine andere. Es war schon etwas besonderes, den Ventoux in den letzten Tagen immer weiter zu umkreisen, um ihn dann letztlich am Donnerstag, auf Etappe 6 zu erstürmen. Ein großer Tag für uns alle!
Auch heute, an der Abschlussetappe, steht nochmals ein großer Tag an, mit der oben erwähnten Rundumschlagsplanung, die allerdings den Rückweg über den sperrenschwangeren Cavaillon-Voie-Verte-Radweg vorsieht. "Hatte Susanne da nicht eine bessere Strecke vorgeschlagen?" fragt Thomas am Frühstück. "Ja, genau, lass uns über Lacoste fahren", sagt Susanne. Sie schickt den Track, ich baue ihn schnell noch ein. Er ist 5 km länger. 200 Hm mehr. Gruppenschwarmintelligenzumplanungserweiterung. "Sperrenschwangerschaftsverhütungsplanung", lobt Christian.
Zunächst geht es aber raus aus Isle, der Verkehr tobt schon wieder. Erste Eskalationen schon so früh am Morgen. Dann verlassen wir die vollen Straßen Isles und befinden uns schlagartig auf der Nebenstrecke Richtung St Didier, die sich die herrliche morgentliche Ruhe mit einigen Höhenmetern erkauft. In der Abfahrt nach St. Didier fahren wir erstmals heute auf den Mont Ventoux zu. Der Sendemast auf seinem Gipfel zeigt wie ein Finger in den Himmel: "Obacht, Leute! Wenn ich es will, schüttel ich euch alle ab!" Glücklicherweise war er gestern gnädig zu allen von uns.
Über Méthamis verlassen wir die provenzalische Ebene und fahren sanft auf das Vaucluse-Plateau hinauf, auf schmalen Wegen mit immer besser werdenden Ventoux-Blicken. Ein geheimdienstlich anmutender Weg zweigt 700 m vor dem
Col de la Ligne ab, und diesem Weg folgt unser Track. Ich schicke Mirko dort hinein und fahre noch die paar hundert Meter weiter zum Passschlid. Offiziell, um noch einen Aufkleber zu kleben, eigentlich natürlich aber wegen +1 in der Passjagd. Kurz darauf ruft Axel an. Er ist trackkonform abgebogen, aber niemand steht am Hochpunkt. Ich schaue mal zum Col, sage ich ihm, und tatsächlich stehen sie dort alle und warten auf mich. "Das war doch ein Trackfehler", findet Thomas. "Da war ja kaum eine Straße." Ich konsultiere die quäldich-Karte und verkünde selbstbewusst, dass Tom sich etwas dabei gedacht haben muss. Also Aufkleber geklebt und zurück gefahren. Tolle Blicke erneut auf den Mont Ventoux. Hier auf dem Rückweg ist das Etappenhauptbild entstanden.
Der "Trackfehler" erweist sich als schmales, nicht bestens, aber gut und rauh asphaltiertes Asphaltband, das uns durch unberührte Wälder hinunter auf die Straße durch die
Combe de la Sigalière führt, die wir gestern auf der Ventoux-Etappe mit Gruppe 3 hinauf gefahren sind. Sehenswerte Streckenführung, das hebt auch Thomas hervor. Heute fahren wir sie runter. Natürlich erkennt sie keiner aus "meiner" Gruppe 2, denn die ist ja gestern anders gefahren. Große Begeisterung, Fotostopps.
Kurz darauf fahren wir auf die Ockerfelsen von Roussillion zu. Wir erreichen den Ort verkehrsfrei über einen kleinen Anstieg. Auch der Ort selber ist so gut wie leer, Susanne weiß von Menschenmassen am letzten Samstag zu berichten. Das Guidebriefing sieht einen Mittagsstopp zum Beispiel im l'Ocrier vor, einem Restaurant direkt am Aussichtspunkt auf die Ockerfelsen. Wir beratschlagen kurz, was wir machen. Ein kleiner Snack wird allgemein favorisiert. Ich schlage vor, den Balkon im ersten Stock zu erobern, der frei ist und uns alle beherbergen könnte. Und dann doch voll zu Mittag zu essen, wenn das gelingen sollte. Ich frage nach. "Non, c'est pas possible, Monsieur, nous sommes seulement deux personnes au services!". "Mas nous sommes très tranquilles", versuche ich dagegen zu setzen. Kein Problem, wenns etwas länger dauere. "Oui, mais moi aussi, keine Lust auf Stufen steigen", sagt der Mann auf französisch (was ich zwar verstehen konnte, aber nicht wiedergeben kann). Na gut, dann kaufen wir uns ein Baguette nebenan am Kiosk... wir stehen gerade in der Schlange, da kommt die Chefin. Natürlich sei es kein Problem, 10 Personen auf dem Balkon. "Money talks", freut sich Christian.
Dann werden wir dort oben aber aufs Beste und Schnellste bedient, die Bedienung ist wirklich freundlich und das Essen gut. Natürlich haben wir schon günstiger gegessen, aber natürlich zahlen wir auch gerne für diesen Panoramablick auf die Ockerfelsen in Cinemascope. Und nach nur einer Stunde sitzen wir wohlgesättigt wieder auf dem Rad, eine echte Urlaubserfahrung reicher.
Die Zuführung zum
Col de Pointu hinauf in den Luberon asphaltieren sie gerade neu, aber trotz Rollsplit und neuem, bitumenklebenden Asphalt sauen wir unsere Räder nicht ein. Glück gehabt. Der Anstieg ist sanftestens. Und der Mont Ventoux thront über der Vaucluse. Hier mache ich
ein Foto mit Hans im Vordergrund, dem wahren Helden der gestrigen Ventoux-Etappe, der auf 190 km und vielen Höhenmetern (wievielen eigentlich?) fast noch den Cingles komplettiert hat. Aber ohne Autoanreise, und ohne viele Worte. "Ein letztes Passschildbild muss sein", rufe ich oben aus. Ohje... ist es schon so weit? Sind es jetzt wirklich nur noch 36 km, und die Woche schon fast vorbei? Wir können es nicht glauben. Wir wollen es nicht glauben. Noch nicht!
Über eine Hangtraverse erreichen wir die Abfahrt vom
Col du Carrefour des Cèdres hinunter nach Bonnieux. Die wird auch gerade neu asphaltiert. Auch hier wird viel in die Straßen investiert, der Pointu war auch schon komplett neu. In Bonnlieux geniale Mont Ventoux-Blicke. Nicht umsonst sind viele Touristen hier. Wir finden den Abzweig hinüber nach Lacoste. Herrlich! Tolle Blicke zurück auf den Ort und hinüber zum Berg. In Lacoste finden wir eine Pizzeria, aber Axel glaubt nicht, dass wir schon am Ziel unserer Träume sind. "Lieber nochmal weiterschauen, guckt mal, Café de France, das hört sich doch gut an!" Es ist mehr als gut. Genial sitzen wir auf dem Panoramabalkon und genießen die wärmenden Sonnenstrahlen. Hier in Lacoste, hier im Café de France ist der Oktober noch sehr weit weg!
Dann heißt es aber Abschied nehmen von dieser wunderbaren Urlaubsstimmung, und auch wenn ich nicht bis zum Ende Susannes Wunschtrack gefunden habe, erreichen wir doch zügig, entspannt und sicher die Innenstadt von Isle, wo wir uns noch eine Stunde lang die Zeit beim Schmutzbier vertreiben und auf eine wunderbare Woche in einer fantastischen Gruppe anstoßen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Noch einen Pass mehr bietet uns die lange Variante: Sie führt noch auf den Col de Pointu im Lubéron-Gebirge, der tolle Aussichten über das Plateau de Vaucluse hinweg zum Mont Ventoux bietet.