20.06.2019,
majortom:
Würde Jan den heutigen Bericht schreiben, er lautete folgendermaßen: "Epische Vogesen-Etappe. Viel Schmutzbier. Jetzt Essen!" Aber damit geben wir uns natürlich nicht zufrieden. Tatsächlich haben wir nach dem heutigen Vogesen-Auftakt in Thann noch beinahe in Vollbesetzung den Park im gleichnamigen Hotel bevölkert und die Bier-Umsätze in die Höhe getrieben. Grimbergen Ambrée, Fischer (sprich: Fischähr) oder La Perle Pils. Gerade spielt ein klimpernder Gitarrist zum Abendessen auf. Warum auch immer. Die Stimmung ist exzellent.
Was natürlich vor allem daran liegt, dass wir heute auch Rad gefahren sind. Vogesen mal wieder. Ich muss ja gestehen, dass die Vogesen auf meiner persönlichen Rangliste der französischen Mittelgebirge auf einem ehrenvollen dritten Rang liegen. Aber als wir kurz nach dem Aufbruch in Thann in Richtung Col du Hundsruck fahren, weiß ich auch wieder, warum ich die Vogesen so mag. Es gibt jede Menge asphaltierter
routes forestières – Forststraßen – auf denen quasi null Verkehr unterwegs ist. Idyllischer Wald, eine homogene Gruppe, so macht Rennradfahren Spaß. Dass sich angeblich am Col du Hundsruck die berühmt-berüchtigte Episode zugetragen haben soll, als ein rothaariger Jungspund im
mailot jaune der Tour de France von einem pfälzischen Sportskameraden aus seinem Team zu mehr körperlichem Leiden aufgefordert wurde, ist heute nur eine unbedeutende Fußnote.
Schnell stehen wir auf dem Col du Hundsruck und rauschen auf frisch asphaltierter Straße ins Doller-Tal. Den neuen Belag haben wir wohl der Tour de France 2019 zu verdanken, die auch hier lang führen wird. Hundsruck und Ballon d'Alsace – ein todsicher erfolgreiches Vogesen-Double. Heute bin ich hier auch in besserer Verfassung als im vergangenen Jahr zur Auftaktetappe von Freiburg-Bordeaux, als ich von meiner Gruppe nur noch die Rücklichter gesehen habe. Einfach eine schöne Auffahrt zum Ballon. Recht anspruchsvoll, aber schön zu fahren. Leider erwischt uns im oberen Teil, dort wo man eigentlich die sensationelle Aussicht bis ins Berner Oberland hat (heute reicht sie kaum bis in den Schwarzwald), ein erster Regenschauer. So dass uns die Auberge oben gerade recht kommt, um vor dem ersten Wolkenbruch dort Zuflucht zu suchen. Rainer und die Sportiven sitzen bereits bei
tarte aux myrtilles hier; Oliver und die Entspannten folgen ein paar Minuten nach uns und haben den Wolkenbruch noch mitbekommen.
Leider ist das Personal geringfügig überfordert mit der Organisation, die 26 hungrige Rennradfahrer mit sich bringen, so dass der Speisezettel nicht weit über die Heidelbeer-Tarte hinaus reicht. Was solls, für uns war es genau die richtige Auberge zum richtigen Zeitpunkt. Nicht ganz so gut ist unser Timing allerdings beim Aufbruch. Die ersten in der Gruppe haben sich schon in die Abfahrt gestürzt, und während der Rest sich noch sammelt, kommt der nächste Wolkenbruch. Zurück in die Auberge ist nun keine Option mehr, also fahren wir halt im strömenden Regen ab. Mittelmäßiges Timing, zugegeben.
Blindflug auf der Abfahrt also. Doch schon unten im Mosel-Tal ist es wieder trocken, und wir fahren sofort weiter, um bergauf zum Col de Page wieder auf Betriebstemperatur zu kommen. Was erstaunlich gut klappt, denn der Sommer kehrt zurück. Trockene Straßen. Sonnenschein. Eine
route forestière auf den Col du Page. Ein Traum. Daran schließt sich ein kurzer Rest-Anstieg zum Col d'Oderen an, gefolgt von einer sensationell flowigen Abfahrt hinab nach Kruth. Es macht Spaß in den Vogesen.
Bei der Suche nach freiwilligen Windbrechern meldet sich natürlich der Apéro-Beauftragte aus einem mittelgroßen Nachbarland, der ja sowieso eine Art Allzweckwaffe auf quäldich-Reisen ist. Mit Flow geht es den Thur-Tal hinunter, nur als wir dann auf die Route Nationale einbiegen, trifft Guy an der Spitze die goldrichtige Entscheidung, auf die parallel verlaufende
voie verte auszuweichen. Hier ist der Asphalt zwar etwas holpriger, der Rollsplitt etwas zahlreicher, aber den LKW-Verkehr sind wir ein für alle Mal los. Navigation also ausnahmsweise mal nicht per Track, sondern per Radweg-Hinweisschildern. Geht gut. Und so rollen wir mit Improvisationstalent und guter Laune in Thann ein.
Viel Schmutzbier. Jetzt essen. Hoffentlich.
Grüße des Tages: an Uli, Gabi, Markus und Sille in den Cevennen. Habt weiterhin viel Spaß im Süden.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Heute heißt es Abschied nehmen von den Vogesen. Wir tun dies mit dem letzten noch fehlenden Ballon, vielleicht dem bekanntesten, dem Ballon d'Alsace. Es ist eine klassiche Tour-de-France-Kombination, wenn die Grand Boucle denn mal den Vogesen einen Besuch abstattet (so übrigens auch anno 97, als der Ausspruch „Quäl dich, du Sau!“ erfolgt sein soll): zuerst der Col de Hundsrueck, und dann der Ballon d'Alsace im Anschluss. So machen wir es auch heute und kommen wieder auf eine stattliche Höhenmeteranzahl. Nach der Abfahrt ins Moseltal bringt uns der Col du Page hinüber zum Col d'Oderen, und dieser wiederum ins Thur-Tal zurück, wo wir gemütlich bis Thann ausrollen können.