21.06.2019,
majortom:
Es ist ganz einfach. Vier Tage. Vier Ballons. Gestern war schon der Ballon d'Alsace auf dem Speiseplan, heute steht der Grand Ballon darauf. Damit haben wir die prestigeträchtigsten Ballons in den ersten beiden Tagen abgeräumt und können uns ab morgen um die unbekannteren Schöneheiten kümmern. Heute also der Grand Ballon, mit einer Einrollphase von 8 km bis Moosch. Da kommt mir natürlich ein uralter Disput zwischen zwei quäldich-Vogesen-Autoritäten (der geschätzte AP und der geschätzte stb72) in den Sinn, welches nun die härteste Auffahrt auf den Grand Ballon ist. Ich weiß nicht mehr, wer von beiden welche These vertreten hat, auf jeden Fall haben wir uns heute völlig wertneutral für die Auffahrt aus Moosch entschieden. Die zunächst recht human und bis Geishouse auf einer Straße in gutem Zustand verläuft. 900 Höhenmeter am Stück sind natürlich ein Wort. Aber die Motivation ist hoch, Morgeneuphorie, jeder fährt sein Tempo. Es macht Spaß.
Ab Geishouse leidet der Spaßfaktor dann ein wenig, weil die Straße teils in desolatem Zustand ist. Am Anfang findet man noch eine gute Linie zwischen den Schlaglöchern hindurch, was im finalen Teil der Auffahrt dann immer schwieriger wird. Steil ist es noch dazu. Grenzwertig. Aber es macht immer noch Spaß, vor allem als dann das Observatorium auf dem Ballon in Sicht kommt, und wir dann für die letzten 1,5 km auf die bestens asphaltierte Straße wechseln können. Dann sind wir oben, das Dach unserer Tour. Die Wolken hängen tief, weswegen wir auch nicht links beim "Vue des Alpes" (das ist heute eine leere Versprechung) auf einen Kaffee einkehren, sondern lieber rechts beim Honigverkäufer. Während wir dort sitzen, verschwinden die Berge Richtung Petit Ballon immer mehr in den Wolken, so dass zu befürchen ist, dass auch das Hohneck in den Wolken liegt, und wir die richtige Mittagspause vom Hohneck auf den Col de la Schlucht verschieben.
Route des Cretes. Die Höhenstraße entlang des Vogesenhauptkamms. In einem Mini-Grupetto fahren wir aufgrund eines Reifenwechsels (danke an dieser Stelle an Oliver für seine Tubeless-Expertise) der Gruppe hinterher, und tatsächlich bessert sich die Wettersituation zusehends. Im Westen sieht man weit nach Lothringen hinein, und die Hoffnung steigt, dass wir das Hohneck doch noch einstreuen können. Es ist meines Wissens das erste Mal, dass wir tatsächlich den ganzen südlichen Abschnitt vom Grand Ballon zum Col de la Schlucht am Stück fahren - eine quäldich-Weltpremiere also. Zwischen dem Breitfirst und der Einmündung der Route des Américains kenne ich die Route des Cretes auch noch gar nicht, und ich muss sagen: es lohnt sich! Schöne Landschaft, herrliche Aussicht, guter Flow trotz vereinzelter Gegensteigungen.
An der Hohneck-Abzweigung haben wie die Gruppe dann wieder vereinigt. Multifunktionsteilnehmer Guy führt die Verweigerer direkt zum Col de la Schlucht; der größere Teil entscheidet sich aber tatsächlich noch für die Stichstraße. Der Gipfel ist wolkenfrei, und der Serpentinenhang durch die karge Wiese lockt einfach. Und es lohnt sich. Im Osten sieht man zwar kaum über Colmar hinaus, aber ich meine immerhin, den Kaiserstuhl schemenhaft am Horizont erkennen zu können. Wunschdenken möglicherweise. In der Abfahrt kommen uns beide anderen Gruppen entgegen, und ich nutze die Gelegenheit, auch mal die Sportiven von vorne zu fotografieren.
Kurze Zeit später sind wir am Col de la Schlucht, entschließen uns aufgrund von Baustellenlärm jedoch, die Mittagspause noch bis nach der Abfahrt nach Munster hinauszuzögern. Tatsächlich werden wir kurz vor Munster in einer Flammkuchen-Bude fündig, wo man das Zusammenrücken von Tischen auf der Terrasse zwar recht kritisch sieht, uns aber dennoch mustergültig und lecker versorgt. Kudos für die Flammkuchen-Bude.
Das letzte ernst zu nehmende Hindernis ist dann der insbesondere Wintzfelden-Veteranen bekannte Col de Firstplan. Ein kurzer Regenschauer kann uns nicht schocken, wir quetschen souverän hinauf und machen uns dann an das flache bis wellige Schlussstück am Rande der Vogesen entlang. Es sind malerische Weinberge, durch die wir unterwegs sind, bei drückender und feuchter Hitze wird jedoch auch das nochmal zur Herausforderung. Trotz schwindender Kräfte schaffen wir es noch rechtzeitig zum Schmutzbier zurück nach Thann.
Gnocchi sind schon durch, jetzt kommt der Turbo-Hauptgang. In diesem Sinne: Jetzt essen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Unsere erste richtig lange Etappe durch die Vogesen. Sie beginnt mit einem Paukenschlag: der langen Auffahrt zum Grand Ballon ab Moosch, vielleicht die unbekannteste Variante zu diesem bekannten Gipfel, mit Sicherheit aber nicht die leichteste. Am Ballon-Gipfel drehen wir heute wieder um und fahren über die Route des Cretes, die wir in ihrer gesamten Länge genießen können. Das wohl spektakulärste Panorama des Tages erarbeiten wir uns dann mit dem kurzen Abstecher zum Hohneck. Die Kammstraße endet am Col de la Schlucht, der uns eine lange Abfahrt ins Munstertal verspricht. Die Forststraße zum Chateau de Haut-Landsbourg nimmt sich dagegen nur noch als kleiner Hügel aus - unterschätzen sollte man ihn aber nicht.