Obwohl hier schon Toskana und Andalusien um die Aufmerksamkeit des fleißigen quäldich-Lesers buhlen, müssen wir auch noch die Berichtschuld aus den Ardennen einlösen. Am legendären Schnee-Samstag, als nachmittags eigentlich ausreichend Zeit gewesen wäre, ist der Bericht jedoch einem (wohlverdienten) Familienbesuch des Berichterstatters sowie dem Rahmenprogramm zum Opfer gefallen, so dass wir ihn hiermit nachreichen.
In weiser Voraussicht haben wir ja schon die Tage getauscht. Die Tour zur Redoute und allen anderen Liège-Bastogne-Leckereien haben wir auf den Freitag vorgezogen, was angesichts des morgendlichen Blickes aus dem Fenster die richtige Entscheidung war. Am Morgen liegt Neuschnee in Eupen. Zwar nicht auf der Straße, aber Bäume und Dächer sind weiß, der Himmel ist grau, und die Atmosphäre ziemlich winterlich. Temperaturen knapp über null. Auf den Höhen der Ardennen eventuell sogar Frost. Doch Richtung Norden, im belgisch-niederländischen Grenzgebiet, sind es sogar ein paar Grad mehr, und so spricht nichts dagegen, eine verkürzte Version der "Grenzerfahrungen" aufzulegen, die ursprünglich bis zum mythischen Cauberg, Scharfrichter des Amstel Gold Race, führen sollte.
Alles sind warm eingepackt wie im Winter; es befindet sich so ziemlich alles am Körper, was die Koffer hergegeben haben. Auf Empfehlung von Lokalmatador Stephan fahren wir über den sehr idyllischen Kehrweg aus der Eupener Unterstadt heraus und finden uns bald darauf im Waldgebiet am Rande des Hohen Venn wieder. Der Schnee fällt von den Bäumen, was die Illusion von Schneefall erzeugt und die Stimmung noch surrealer macht. Dennoch sind alle gut gelaunt, als wir schließlich auf verkehrsfreien Landstraßen auf Raeren zufahren und uns dann über Walhorn, Kelmis und Gemmenich zum Dreiländereck vorarbeiten. Mit immer größer werdenden Fetzen blauen Himmels. Das war nun wirklich nicht das, was wir erwartet haben.
Das Dreiländereck ist gleichzeitig auch der höchste Punkt der Niederlande mit sagenhaften 322,5 Metern Höhe. Hier wird – verständlicherweise – auf jeden halben Meter Wert gelegt. Also unsere erste Bergwertung des Tages. Christoph und Sebastian wollen es offenbar wissen und schlagen ein hohes Tempo an. Aber nicht mit mir – das ist mein Hausberg, den ich wie meine Westentasche kenne, und hier gebe ich keine Bergpunkte kampflos her. Letztendlich ist es aber auch nur der Heimvorteil, der die Entscheidung bringt...
Oben quittieren dann gleich zwei Schläuche den Dienst, nachdem Vorder- und Hinterrad desselben Rades Bekanntschaft mit ein und demselben Schlagloch geschlossen haben. Und dabei sollen die niederländischen Straßen doch besser sein als die belgischen – wir befinden uns inzwischen bereits jenseits der Grenze. Doppelte Pannenbearbeitungszeit also, so dass ich den Rest der Gruppe auf eine Kaffeepause in meine Stammkneipe in Vaals schicke. Ein Hoch auf den Guiderucksack, denn die Defekt-Abteilung stößt schon bald dazu. Leider ermöglicht die Pause auch eine nochmalige Konsultation des Regenradars, und es wird nochmal klar, dass wir mit straffem Zeitfenster unterwegs sind. Um 13 Uhr soll die nächste Regenfront heranrücken.
Nichtsdestotrotz bleiben wir erstmal bei der anvisierten Strecke, die nun über den Camerig nördlich der Grenze auf niederländischer Seite durchs Mergelland führt. Kaum sind wir oben, zieht ein Graupelschauer durch. Obwohl der sofort wieder vorbei ist und schon in der Abfahrt nach Epen – übrigens die höhenmeterreichste Abfahrt der Niederlande mit beeindruckenden 130 Hm – wieder die Sonne scheint, ziehe ich eine spontane Abkürzungskarte und lotse meine Gruppe ungefragt auf den schmalen, idyllischen Weg nach Sippenaeken, wo wir nahezu unbemerkt die Grenze wieder überschreiten und nach Belgien zurückkehren. Eine spätere Überprüfung ergibt: etwa 2 km und 20 Hm haben wir durch dieses Manöver eingespart.
Ebenso idyllisch geht es nun zunächst leicht ansteigend bis Hombourg, dann leicht ansteigend hinauf nach Henri-Chapelle, dem höchsten Punkt des heutigen Tages. In der Sonne ist es im Winter-Outfit nun schon fast zu warm. Spätestens jetzt wird jedem klar, dass es sich defintiv gelohnt hat, heute mitzufahren. Vor uns breiten sich die Ardennen am Horizont aus, und auch wenn wir hier "nur" im Mittelgebirge unterwegs sind, ist es einfach nur schön hier. Wir rollen hinab nach Welkenraedt und weiter nach Dolhain und haben somit nur noch die letzten flachen Kilometer im Wesertal vor uns. Gemütlich cruisen wir also nach Eupen zurück und lassen uns auch nicht aus der Ruhe bringen, als die entspannte Gruppe vor uns am Horizont auftaucht. Ehrensache, dass wir sie
nicht noch auf dem letzten Kilometer überholen, lieber das Tempo drosseln, und uns als große Hybridgruppe vom unermüdlichen Guy an der Spitze zurück zum Hotel leiten lassen.
Fünf Minuten nach Ankunft geht ein erneuter Starkregenschauer runter. Heute stimmt also offenbar alles. Selbst das Timing.
Epilog: Das Nachmittagsprogramm gestaltet sich dann wie folgt.
- Frites "spécial" und
Peak blonde im
Woppy Snacks
- Eupener Bier "pression" im
Paparazzi
-
Orval und
Ommegang im
Ratskeller
Epilog II: Die sportive Gruppe kommt erst irgendwann am späten Nachmittag zurück. "Gibst du mir freie Hand?" hat Stephan heute morgen gefragt. Natürlich! Er hat es ausgenutzt...
Epilog II: Am Sonntag sind wir natürlich auch noch Rad gefahren. Und wieder war es eine sensationelle Runde, die sich eher auf die idyllische Seite der Ardennen abseits des Liège-Bastogne-Originalterrains beschränkt hat. Wir sind also vier Tage Rad gefahren, obwohl es im Vorfeld so aussah, als würden wir vier Tage nur den Dauerregen durchs Fenster beobachten können. Klassikerstimmung bei Klassiker-Wetter. Sensationell!
Foto: heute kein Symbolbild, sondern der Blick aus dem Fenster am Samstag morgen c/o entspannte Gruppe.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Unsere zweite Etappe ist eine Dreiländertour, wobei wir uns nicht nur in Belgien, sondern auch kurz in Deutschland, größtenteils aber in den Niederlanden aufhalten, wo wir das Terrain des Amstel Gold Race mit dem berühmten Cauberg erkunden wollen. Vorab sei schon gesagt: der Cauberg ist eigentlich der am wenigsten spektakuläre Abschnitt.
Es geht nordwärts, über Kelmis bis Gemmenich, wo der Anstieg zum Vaalserberg, der das Dreiländereck bildet, den Auftakt des heutigen Rampen-Reigens macht. Wir fahren auf niederländischer Seite ab, es geht aber kurz darauf für ein kleines Stück durch Deutschland, mit dem Lemierser Berg gibt es auch hier eine Bergwertung. Dann sind wir sofort aber wieder auf niederländischem Gebiet, wo sich der Hulsberg und der Eyserbosberg anschließen. Dann fahren wir ein Stück durchs Geultal, es folgt der Cauberg und der Gulperberg kurz darauf. Mit der Rückkehr nach Belgien wird das Profil dann eher wellig als hügelig. Wir erreichen in Verviers das Vesdre-Tal und schließen mit der Côte des Bansions und der Barrage de la Gileppe noch zwei letzte Anstiege an, bevor es zurück nach Eupen geht.