Es ist eine schwierige Frage, was die schwierigere Aufgabe war: die 127 km lange Tour d'honneur, die wir heute absolviert haben, oder alle Teilnehmer davon zu überzeugen, dass sie sich dieser Schlussetappe stellen. Nach dem Ventoux gestern waren die Provence-Wunschzettel bei vielen abgearbeitet, die Köpfe und die Beine gesättigt. Und nun also eine weitere Schlucht, der Gorges de la Méouge, mit einer langen Anfahrt über den Col de Perty. Die einhellige Meinung nach der Etappe: ja, es hat sich gelohnt. "Von allen Schluchten der Woche war das mit Abstand die schönste!" – ich weiß gerade nicht mehr, wer das gesagt hat (und würde mir persönlich auch nicht zutrauen, eine Schluchten-Rangliste zu erstellen), aber es zeigt doch, dass auch der letzte Tag noch einmal die Provence von der schönsten Seite zeigen konnte.
Das Wetter: sommerlich. Warm, sonnig, auch schon am Morgen, als wir zur langen Tour d'honneur aufbrechen. Wir fahren heute mal wieder das Ouvèze-Tal hinauf, am Stück fast 1000 Höhenmeter zwischen Buis-les-Baronnies und dem Col de Perty. Aber 1000 Höhenmeter auf 33 km, wodurch sich vieles wieder relativiert. Die Tunnelumfahrung ist schnell genommen, und schon sind wir wieder auf der Hauptstraße, wo Paul mit der entspannten Gruppe von hinten heranfliegt. Da sie durch den Tunnel gefahren sind und somit von der offiziellen Strecke abgewichen, fallen sie jedoch sowieso aus der Wertung.
Teilweise spürt man die Steigung das Tal hinauf kaum, und es läuft gut, die Kilometer fallen. Die Olivenhaine gehen über in die Obstplantagen, die Lavendelfelder, und schließlich in karge alpine Landschaft, auf der Schafe weiden. Deshalb mag ich das Ouvèze-Tal, weil man nach und nach alle Vegetationszonen durchläuft. Und schließlich der Col de Perty, schöne Steigung um die 5 Prozent, viele Kehren, immer schönere Ausblicke hinab ins Tal. Ich lasse mich dazu hinreißen, in der Spitzengruppe mit raufzufahren, schließlich weiß ich mit Paul einen weiteren Guide hinter mir, der im Falle eines Defekts bei einem Teilnehmer die Kohlen aus dem Feuer holen kann.
Auf der Passhöhe treffen wir Tom und die Sportiven, und genießen gemeinsam die Ausblicke auf Ventoux hinter uns und die schneebedeckten Hochalpen hinter uns. Fantastisch, vor allem da die Alpen sich vor zwei Tagen, als wir schonmal hier oben waren, noch in den Wolken verborgen haben. Nach und nach treffen immer mehr Fahrer ein, viele gezeichnet vom Anstieg, aber alle glücklich. Die entspannte Gruppe hat sich mit der ausdauernden durchmischt, und wir warten, bis alle oben sind. Damit ist die Etappe eigentlich fast schon geschafft, denn nun fehlen keine längeren Steigungen mehr. Jetzt haben wir endgültig unsere Tour d'honneur.
Es geht hinab nach Laborel, wir füllen die Flaschen auf am Brunnen, und eine basisdemokratische Entscheidung fällt zugunsten einer frühen Mittagspause beim Bäcker in Orpierre aus. Also rollen wir talabwärts dorhin und plündern wie ein Heuschreckenschwarm den Laden, Quiche und Croissants wandern über die Theke, wir bevölkern die Tische vor dem Laden, genießen die Sonne, oder suchen wegen der Hitze sogar den Schatten auf. Dann geht es weiter hinab das Céans-Tal, über die Hügel parallel zur Hauptstraße im Buëch-Tal und biegen dann kurz darauf ins Méouge-Tal ein, wo wir den Wendepunkt der Etappe erreicht haben.
Die Schlucht ist fantastisch, die Begeisterung groß, und aufgrund der touristisch motiverten Freigabe werden die Möglichkeiten zu Fotostopps genutzt. Hoch aufragende Felsen, der rauschende Fluss, weiterhin herrliches Sommerwetter. So langsam wird dann woch auch allen klar, warum ich so vehement für diese Etappe geworben habe.
Wir treffen uns wieder in Barret-sur-Méouge, wo dann der etwas zähe Teil der Etappe beginnt. Ein faux plat, ständig ein bis zwei Prozent Steigung, und so langsam aber sicher schwinden dann doch bei einigen die Kräfte. Doch wir finden ein anständiges Tempo, so dass alle gut mitkommen, und so bringen wir auch die 17 Kilometer bis zur Abzweigung kurz vor Séderon hinter uns, wo wir in Richtung des Col de Mevouillon abbiegen. Der Pass ist bis auf den letzten Kilometer eine Fortsetzung des faux plat, und stehen wir bald schon alle am letzten Passschild unserer Tour.
Die Abfahrt ist bei leichtem Gegenwind etwas zäher als vermutet, doch nach einer Kaffeepause in der Auberge du Moulin nehmen wir noch die Tunnelumfahrung. Die Kilometer werden heruntergezählt, die letzte Etappe geht zuende. Etwas Wehmut ist bei allen dabei, allerdings auch Vorfreude auf den Apéro heute vor dem letzten Abendessen, und die Vorfreude, sich auf der nächsten quaeldich.de-Reise wiederzusehen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Schluchten gibt es in der Provence irgendwie wie Sand am Meer. Heute wartet abermals ein sehr schönes Exemplar auf uns, die Gorges de la Méouge, für die wir am letzten Tag nochmal eine etwas längere (wenn auch nicht sehr höhenmeterreiche) Etappe auf uns nehmen. Der Löwenanteil der Höhenmeter wartet auf den ersten 33 Kilometern auf uns, denn wir fahren rauf zum Col de Perty. Den kennen wir schon, aber die facettenreiche lange Auffahrt entlang des Ouvèze-Tals ist so schön, da kann man den Pass auch nochmal von der anderen Seite fahren. Dann geht es hinab fast bis an den Buëch; weiter nach Osten werden wir in unserer Trainingswoche nicht kommen. Ein paar Hügelchen entlang des Flusstals, dann haben wir das Méouge-Tal und die schöne Schlucht erreicht. Ganz langgezogen uns sanft geht es wieder bergauf, und der letzte Pass der Woche, der Col de Mévouillon, hat diese Bezeichnung eigentlich kaum verdient... dann hinabrollen nach Buis, und leider ist die Woche schon zuende.