Durmitor zum Zweiten. Da mein Handy den Regen der Auftaktetappe vom Flughafen nach Kotor am Samstag nicht überlebt hat, fahre ich heute morgen um 8 mit dem Begleitfahrzeug ins Stadtzentrum von Zabljak, um mir im Telekom-Shop ein neues zu kaufen. Der Versuch, das gestern zu erledigen, scheitert an den Öffnungszeiten: 8-15 Uhr. Aber, immerhin, 8 Uhr, das sollte vor dem Etappenstart zu schaffen sein. Es dauert, ein Smartphone ohne SIM-Lock oder gar mit Dual-SIM gibt es nicht, also hole ich mir ein Alcatel-Onetouch für 29 Euro. SIM-locked auf T-Mobile Montenegro. Sensationell!
Dann aber schnell zurück zum Hotel, das klappt gerade noch, um heute, an Tag 3, endlich einmal pünktlich um neun Uhr los zu fahren. Dann winkt mich die Polizei raus. Strafe für zu schnelles Fahren: Euro 20, zu zahlen im Postbüro von Zabljak, gegen die Quittung bekäme ich dann auch den Führerschein zurück, der als Pfand zu hinterlegen ist
Also doch wieder Start um 9.35 Uhr. Ich gebe den Schmidt-Brüdern die Gelegenheit, mich heute kaputt zu spielen, alle anderen verteilen sich auf die verschiedensten Optionen des heutigen Tages, die möglich sind, weil wir heute einmal nicht Koffer packen müssen, sondern in Zabljak bleiben, um ringsum Schabernack zu treiben. Der Meistbetriebene ist die 86-km-Runde über Durmitor Sedlo, Trsa, Susice-Schlucht und Stulac Sedlo, die uns AP ans Herz gelegt hat. Aber auch Peters E3- hoch zum Stulac, zurück, Wanderung zum Curovac und versprochene Megablicke in die Taraschlucht erfreut sich großer Beliebtheit. Auf die
geile Extremrunde über 148 km und 3500 Höhenmeter durch die Piva-Schlucht hat sich noch niemand eingeloggt.
Die Schmidtbrüder schlagen gleich vom Start weg ein hohes Tempo an, ich denke mir, das wird was geben, erfreue mich aber trotz meiner leichten Unruhe an dem blauen Himmel, der einen heißen Tag verheißt. Und Bräunung, oder... äh... Sonnenbrand, denn ich habe in all der Hektik natürlich keine Sonnencreme aufgetragen. Glücklicherweise ist Josh das hohe Anfangstempo mitgegangen, und lässt mich während der Fahrt seine Sonnencreme aus seinem Rucksack kramen. Zum Anhalten bleibt natürlich keine Zeit, also Schnelleincremung auf dem Sattel, und weiter geht's mit der munteren Jagd auf Rainer und Winfried.
Schnell ist der Abzweig zum Durmitor Sedlo erreicht und die Hauptstraße hinter uns gelassen. Wieder steht die Sonne in unserem Rücken, so wie gestern, als wir den Pass aus der anderen Richtung gefahren sind. Ich mag Streckendopplungen auf einer Rundfahrt grundsätzlich nicht so gerne, hier ist es ein Muss, und so, wie wir hier fahren ist es einfach traumhaft. Abends von Westen, morgens von Osten, die Abendsonne und die Morgensonne im Rücken. Die nicht einmal 400 Höhenmeter zum Pass sind bei starkem Rückenwind schnell absolviert, ein unglaublicher Genuss bei diesem Licht. Und auch, wenn die andere Richtung sicher die Schönere ist, bringt es auch heute morgen wieder richtig Spaß. Auch der zweite Anstieg nach der Zwischenabfahrt ist schnell absolviert, der Basketballkorb wird natürlich nochmals fotografiert, und auch die Prärie vor Trsa ist heute morgen genau so schön wie gestern. An dem Pavillon, an dem Peter gestern auf dem Boden lag, um uns zu fotografieren, sammeln wir uns zur Lagebesprechung. Hier hatten uns die "Entspannten" auf Grund überlegener Renntaktik gestern rechts überholt. Das Votum fällt eindeutig aus: heute ist kein Tag für die Extremrunde, denn alle wollen auch noch zum Curovac wandern und in die Taraschlucht schauen. Also biegen wir nicht links ab auf die Abkürzung zum Piva-See, sondern fahren wellig weiter nach Trsa, wo wir einen sehr guten Espresso und einen himmlischen Apfelkuchen essen. Hinter Trsa biegen wir rechts ab, passieren eine Schafherde und tauchen in den Wald vor Nedajno ein. Eigentlich wollen wir hier zu Mittag essen, aber der Apfelkuchen hält noch vor. Kurz hinter Nedajno erreichen wir die Susice-Schlucht, in die wir etwas abseits der Straße wunderbar tief hineinblicken können. Und gleich darauf hinunter fahren, denn der weitere Weg nach Crne Gore geht hinunter in die Schlucht und auf der anderen Seite wieder bergauf. Jeweils sehr steil auf sehr schmaler, aber guter Straße mit ziemlich vielen Geröllablegerungen. Vorsicht ist geboten, und am Lenker ziehen ist angesagt, als die Steigung 17 % erreicht. Jetzt wirds anstrengend, und Bilder will ich schließlich auch noch machen.
Oben angekommen ergeben sich fast genauso gute Schluchteinblicke wie auf der Gegenseite, und auch die weiten Blicke in die Ferne sind sagenhaft. Welle über Welle überblickt man, bis in der Ferne die für uns namenlosen Felsgrate ferner Gebirge aufragen. Und wir kämpfen uns weiter hoch Richtung Stulac Sedlo. Ich könnte jetzt tatsächlich langsam etwas zu Essen vertragen, und Rainer und Winfried fahren, was das Zeug hält. Am Stulac bin ich wirklich froh oben zu sein. Wir diskutieren, welche der Felsnasen unter uns wohl der Curovac ist, und können ahnen, wo die Taraschlucht liegt. Die Felsabbrüche zur Linken sind auf jeden Fall begeisternd. Von meiner Vorabfahrt letzter Woche kenne ich etwas weiter unterhalb ein Berggasthaus, das wir nun ansteuernd wollen. Aber auch die Blicke hier sind wunderbar und reichen bis hinunter nach Zabljak und weit darüber hinaus. Und an dem Berggasthaus kann man sogar den schwarzen See sehen, eine weitere Touristenattraktion von Zabljak. Wir essen Kacamak, Polenta mit Joghurtsauce. Nahrhaft, aber keine kulinarische Großtat.
Kalt ist es hier oben, wir ziehen alles an, was wir dabei haben und stürzen uns in die Abfahrt. Wieder grandiose Ausblicke über Felsgrate, Ferne und Zabljak. Wir verlieren schnell an Höhe und sind überrascht, dass wir fast schon in Zabljak sind, als der Abzweig zum Curovac nach links ausgeschildert ist. Wellig geht es für viereinhalb Kilometer dahin, dort steht Peter mit dem Begleitauto und wandert mit uns zum Curovac. 15 Minuten sind angekündigt, als Berglauf schafft man das auch, aber schon früh auf dieser Wanderung ergeben sich tolle Bilder in die Schlucht, die schnell deutlich machen, dass sich dieser Fußmarsch lohnen wird – ein Novum auf quaeldich-Reisen.
Leider ist der Akku meiner Kamera pünktlichen zum Abmarsch geplättet, und so fotografiere ich mit Peters Spiegelreflex. Über auch für ungeübte Bergsteiger gut gehbare, steile, verwinkelte, verwachsene Pfade erreichen wir den Curovac und blicken fast 900 m tief in die Tara-Schlucht. Wow!
Insgesamt eine der abwechslungsreichsten Fahrten, die ich je gemacht habe, mit stets ändernden Landschaften und Eindrücken. Großartige Etappe! Danke, AP!
Und fast schon wieder Mitternacht. Mir fallen die Augen zu. Doch kaputt gespielt. Danke, Rainer und Winfried! Bis morgen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am dritten Tag führt eine Rundtour durch den Durmitor-Nationalpark über die höchsten Pässe des Landes: Durmitor Sedlo und Stulac Sedlo.
Wir haben die Qual der Wahl. Da wir noch eine Nacht in Zabljak bleiben, ist auch ein kompletter Ruhetag drin, mit Besuch im Wellness-Bereich unseres ****-Hotels (vielleicht aufgewertet durch eine Wanderung zum „schwarzen See“). Oder man fährt ganz gemütlich auf den Stulac sedlo, der direkt von Zabljak seinen Ausgang nimmt, garniert mit einem Abstecher zum Aussichtspunkt oberhalb der imposanten Tara-Schlucht. Oder man fährt die Rundtour über Durmitor sedlo (den kennen wir zwar schon, aber der lohnt sich auch nochmal in Gegenrichtung) und Stulac sedlo (der sogar nochmal eine Spur wilder und abgelegener ist - aber vollständig asphaltiert). Zeit genug für einen Abstecher in die Sauna ist dann auch noch...
Höhenmeter: ca. 1900