Grand Tours. So nennen wir unsere Rennradreisen, die einen lange gehegten Rennradtraum erfüllen und ein ganz besonderes Erlebnis versprechen. Sei es die Teilnahme an der Cape Town Cycle Tour in Südafrika, die Bezwingung des höchsten rennradtauglichen Berges Europas, des Pico del Veleta in der Sierra Nevada, oder eine Rennradwoche entlang der wilden Pyrenäen vom Atlantik bis zum Mittelmeer. In diesem Blog-Beitrag möchten wir exemplarisch eine unserer ältesten und beliebtesten Grand Tours vorstellen – die Fernfahrt von Freiburg nach Nizza, vom Breisgau an die Côte d'Azur.
Bei einer Grand Tour geht es um einen Traum. Deinen Rennradtraum. Dein Erlebnis. Sich erfüllen, was schon lange ganz oben auf der Wunschliste steht. Und wenn man konkret nachfragt, was man mit dem Rennrad schon immer mal erleben wollte, wird immer wieder die Route des Grandes Alpes genannt. Jene Touristenstraße, die vom Genfersee bis zum Mittelmeer durch die Französischen Hochalpen führt. Sich entlang hangelt an sagenhaften Pässen, die man aus dem Fernseher kennt – wenn im Juli bei der Tour de France in den Alpen ums maillot jaune gekämpft wird. Namen, die Gänsehaut hervorrufen: Col de l'Iséran. Col du Galibier. Col d'Izoard.
Die Faszination der Route des Grandes Alpes – sie geht jedoch über das reine Pässe-Sammeln im legendären Tour-Territorium hinaus. Das viel beschworene Bonmot „Der Weg ist das Ziel“ gilt auf dem Rennrad umso mehr. Es geht um den Moment. Um jeden Moment. Das Panorama hinter der nächsten Kehre. Das Hochrecken der Arme, wenn man die Passhöhe überfährt. Oder vielleicht auch einfach nur der kurze Pausenstopp, kurz innehalten mit einem Cappuccino auf einer Terrasse im Sonnenschein. Auf der Route des Grandes Alpes jedoch hast du ein Ziel. Du kannst die Pässe herunterzählen bis zur Ankunft am Mittelmeer. Nach all den anstrengenden Etappen mit all den besonderen Momenten das Rad abstellen und ins Meer springen. Unbeschreiblich.
Noch sind die Alpen weit weg. Noch ist vor allem Nizza weit weg, denkst du dir. Das erste Hindernis: der Schwarzwald. Der Hausberg von Freiburg, der schönen Universitätsstadt in Südbaden, ganz im Südwesten von Deutschland. Der Schauinsland. Kein Vergleich zu den hors catégorie-Riesen der Route des Grandes Alpes, denkst du? Das mag sein. Aber es ist dein Moment, wo aus deiner Vorfreude Freude wird. Wenn sich nach dem idyllischen Kehrenhang im dichten Wald plötzlich die ersten Ausblicke über die Rheinebene ergeben. Die Vogesen im Dunst schimmern. Und du schließlich den ersten langen Anstieg abhaken kannst. Den ersten von vielen.
Das gemeinsame Ziel schweißt eine Rennradgruppe zusammen. Das quäldich-Motto „Rennradreisen gemeinsam erleben“ gilt umso mehr auf Fernfahrten, wenn man auf ein gemeinsames Ziel hin arbeitet. Aus „gemeinsam erleben“ wird „intensiv erleben“. Wir setzen deshalb noch einen drauf. Während die Route des Grandes Alpes in Thonon-les-Bains am Südufer des Genfersee beginnt, legen wir den Start unserer Grand Tour durch die französischen Alpen bis fast vor deine Haustüre. Acht Etappen führen dich nicht nur über die Route des Grandes Alpes, sondern auch durch den Schwarzwald, durch den Jura, durch die Schweizer Voralpen.
Zweitausend Höhenmeter. Nicht auf einer Etappe. In einem Anstieg. Zum Col du Grand Saint Bernard. Wer hat sich das denn ausgedacht? Tag vier. Du hast den Schwarzwald durchquert, den Jura, die Schweizer Voralpen. Noch immer scheint Nizza weit weg. Der Pass zieht sich. Die Etappe ist hart. Die ersten Zweifel. Doch dann auf einmal, vor dem Tunnelportal: das Schild. Nice 323 km. Nach links: Tunnel. Nach rechts: Col. Und plötzlich heben sich deine Mundwinkel wieder. Alle Zweifel sind mit einem Mal verflogen. Natürlich willst du auf den Col. Nachdem die Transitstraße im Tunnel verschwunden ist, fährst du in wunderschöner alpiner Kulisse. Kämpfst dich zur Passhöhe. Und bist angekommen – denn heute schlafen wir auf dem Pass, auf 2473 m Höhe!
Unser stetiger Vorwärtsdrang ist es, der uns von Freiburg nach Nizza führt. Grand Tour. Jeder Pass zählt. Heute endet der Vorwärtsdrang jedoch an der Passhöhe des Col du Grand Saint Bernard. Eine Bergankunft. Was bei Profirennen die wohl größte Herausforderung ist, wird bei unserer Grand Tour zum Höhepunkt. Nicht nur zum topografischen, sondern auch zum dramaturgischen. In der Dämmerung die Ruhe auf der Passhöhe des Grand Saint Bernard erleben. Zu wissen, dass wir am folgenden Tag in der Morgensonne nach Italien abfahren. Zu spüren, dass Nizza heute wieder ein großes Stück näher gerückt ist.
Du blickst zurück. Und du blickst voraus. Der letzte Pass – der Col de la Bonette. 2715 m. Der vierthöchste Pass der Alpen. Du weißt: von hier aus geht es nur noch bergab. Nach Nizza. Ans Mittelmeer. Doch eine letzte Herausforderung muss noch sein. Du willst weiter bergauf, auf die Panoramaschleife zur Cime de la Bonette auf 2802 m Höhe. Wo dir die Seealpen zu Füßen liegen. Ergriffen hältst du an, die Unterarme auf dem Lenker abgestützt. Du bist auf Augenhöhe mit den Hochalpen des Mercantour. Kannst das Mittelmeer erahnen. Ungläubiges Kopfschütteln. Staunen.
Grand Tour, das bedeutet auch: über sich hinaus wachsen. Die Herausforderung annehmen. Die Herausforderung meistern. Triumphieren. Für dich alleine oder mit anderen. Besondere Momente erleben. Und besondere Momente teilen. Ziele erreichen. Am achten Tag Nizza erreichen. Aus eigener Kraft von Freiburg nach Nizza. Den lang gehegten Traum erfüllen. Oder gar übererfüllen? Die besonderen Momente dort sammeln, wo du sie erwartet hast. Aber auch dort, wo du sie nicht erwartet hast.
Und was ist dein Rennrad-Traum?