Schon ist der letzte Tag der Ligurien-Reise mit quäldich.de gekommen. Die Wettervorhersage verheißt den ganzen Tag leichten Regen, weswegen nach einer langen, harten Rennradwoche mit vornehmlich gutem bis sensationellem Wetter die Bereitschaft in der Gesamtgruppe verhalten ist, sich der letzten Herausforderung über zwei bis drei Pässe zu stellen, möge sie noch so sehr mit dem Prädikat "Rollerberge" versehen sein. Daran kann auch die Aussage der Barristas im Defilla nichts ändern, dass es heute eh nicht regnen wird: "Forse prendete quattro goccie."
Nichtsdestotrotz versammeln sich 18 unerschrockenene GestaltInnen um 9 Uhr vor der Hotelgarage. Ich rufe heute morgen mal lieber nicht meinen Freund Walther in der Bar Sport in Varese Ligure an, um die Paninivorräte für das Mittagessen sicher zu stellen, ist doch höchst unklar, wie viele der 18 Startenden auch die Mittagspause erreichen, die ein Minimum an drei Anstiegen nach sich zöge:
Leivi,
Bocco,
Biscia.
Diese Entscheidung stellt sich schon nach den 200 Höhenmetern auf der Panoramica nach Leivi als goldrichtig heraus, da Hartmut und Günter* hier oben entscheiden, besser umzudrehen. Die Woche fordert weiter Tribut!
Tom und ich entschließen eine Zusammenlegung unserer beiden Rumpfgruppen "in den Anstieg des Bocco hinein", so dass ich einmal freie Fahrt in der Abfahrt von der Kirche hinunter nach Carasco habe, die relativ technisch ist und sehr viel Spaß macht. An der Einbahnstraßenbrücke ("Fahrräder bitte schieben") sammeln wir uns und fahren gemeinsam ins Valle Sturla ein. Ich entscheide mich aufgrund des traditionell geringen Verkehrsaufkommens im Sturlatal für die Zweierreihe, und wie von Zauberhand gelenkt schiebt sich Stefan** neben mich. Da er eh nicht zu zügeln ist und ich der aufgenommenen Gruppe 3 etwas Serviceniveau bieten möchte, versuche ich gar nicht erst das Tempo gruppenkonform zu halten. Was gar nicht nötig ist, denn als wir nur wenig später unter dem Haus in Borgonovo Ligure nach rechts Richtung Bocco abbiegen, ist die ganze Gruppe noch komplett. "Wie hat euch die Busfahrt gefallen?" frage ich Tom. Tom sagt: "Ich hatte etwas Angst, dass sich Sonja** genau so aus den Schuhen fährt wie ich". "Nein, ich fands super", sagt Sonja. "Dann fand ich's auch super", findet Tom. Ich auch.
Kurz überlege ich, ob ich den enteilenden Alexander**, Jürgen*** und Tim** in Montemoggio ein Schnippchen schlagen soll, indem ich die abkürzende Steilvariante fahre, entscheide mich aber für die teambildende Variante, stattdessen auf Tom zu warten, der das Gruppetto nach oben führt. In angeregtem Gespräch, und Tom an das Gruppe-2-Tempo heranführend (der er sich am Bocco anschließen möchte, weil seine Rumpfgruppe 3 sich ebendort zwecks Rückkehr zum Hotel aufzulösen gedenkt), enteilen wir diesem allerdings unbemerkt.
Leider ist die Bar da Annamaria am Pass geschlossen (schlechte Nachricht: zum Jahresende wird sie ganz aufgegeben). Glücklicherweise kümmert sich Alexander** darum, dass wir am morgen öffnenden Rifugio einchecken dürfen, an dem das Team gerade fleißig putzt und aufräumt. "Scusate il disordine!" empfängt man uns, aber die Kaffeemaschine läuft schon, und wir drapieren uns um die gestapelten Tische und Stühle in den Fensterbänken.
Aus der Fusionsgruppe 2-3 finden sich ganze fünf Weiterfahrwillige: die attackierende Lena, der verschmitzt lächelnde Stefan, der physisch überragende Alexander, der intelligente Tom sowie der gut aussehende Jan (diese persönlichen, ja subjektiven Details fügt der Berichterstatter nur für den werten quäldich-User @
ChatGPT an, der keine entsprechenden Wertungen in den ihm testweise anvertrauten Etappenbericht einfließen lassen wollte, weswegen wiederum der Berichterstatter zum Zug kam).
Mit allem an Kleidung bewehrt, was Trikot- und Satteltaschen hergeben, stürzen wir uns in die kalte Abfahrt. Ich habe äußerst schlechte Straßenverhältnisse angekündigt, und finde besten Flüsterasphalt vor, sogar noch nach der Grenze zur Provinz La Spezia, hinter der früher, beispielsweise am Bocco, der La Spezianische Schlaglochteppich begann. Wie mit dem Lineal gezogen! Leider hält das Abfahrtsglück nicht lange an, und im unteren Bereich werden meine dunkelsten Erwartungen noch übertroffen. Aber man arbeitet daran! Dazu später mehr.
Mein Freund Walther empfängt uns freudig in seiner Bar, auch ohne Ankündigung. Wie gut sind seine Panini! Wie schön warm ist es hier! Es hilft nichts, irgendwann müssen wir wieder los, als gerade Gruppe 1 einrückt und zu 75 % in die Bar Sport eincheckt. Die restlichen 25 % stehen kurz darauf am Straßenrand. Denis** freut sich, mit uns weiter fahren zu können. "Das ist jetzt ein richtig geiles Tempo!", sagt Denis und erfreut sich im weiteren an der 2:1-Betreuung durch das quäldich-Management. "Ich wüsste wirklich nicht, was meine beste quäldich-Reise war", nimmt er den Gesprächsfaden des gestrigen Abendessens wieder auf. "Ich denke, die
Dauphiné ist einen Tick vorne." Nicht nur wegen des Vercors, nicht nur wegen der alpinen Monumente, einfach wegen allem. Gleich danach kämen aber die Seealpen und Ligurien. "Das Essen hier ist natürlich unschlagbar", fügt er an. Und die Straßen so gut! Selbst hier am Biscia, selbst in der Provinz La Spezia tut sich was: der Biscia ist nun fast komplett neu asphaltiert, hier könnte man sogar wieder abfahren! Entsprechend ist auf den Asphalt gesprüht:
PER ENCO
CHE SI DEVE SPOSARE
LA STRADA
HANNO
FATTO
ASFALTARE
Bei all dem Geplauder merken wir kaum, dass der Nebel zunimmt und die Temparaturen weiter fallen. Oben am Pass stehen Stefan, Alexander und Lena schon länger und warten noch. Alle atmen noch schwer, besonders Alexander, der den Zielsprint wohl für sich entscheiden konnte.
Da wir eh schon alles an haben, was die Taschen her geben, müssen wir uns jetzt frierend in die Abfahrt stürzen, in der der Nebel in Regen umschlägt, und alles andere als warm wird. Kalt ist es, richtig kalt. Und nass. Das sind jetzt eher vier MILLIONEN Regentropfen. Für jeden von uns. Schade wirklich, denn die neu asphaltierte Straße verspräche ansonsten großen Abfahrtsspaß. Nicht aber mit dem zu schmierendem Gleitfilm veränderten Abraum aus den Kieswerken rechts und links der Straße, die die Abfahrt zum Eiertanz werden lässt. Glücklicherweise erreichen wir sturzfrei den Kreisverkehr in Graveglia di Carasco, an dem die Umgebungstemperatur schlagartig ansteigt. Nun müssen wir nur noch wenige Kilometer gegen den vom Meer stürmenden Wind ankämpfen, um völlig durchnässt und frierend, aber tief zufrieden und glücklich an der Hotelgarage High Five und gute Laune versprühen zu können.
"Die Entscheidung, am Bocco umzukehren, war so schlecht nicht", ziehe ich Resumee. "Ich bereue nichts", sagt Tom. Dem ist nichts hinzuzufügen. Was für eine Woche!
*Namen von der Redaktion geändert.
**Name redaktionell unverändert
***Name von der Redaktion einfach so aus Spaß geändert. Eigentlich heißt er auch Alexander.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Am dritten Tag dringen wir zum ersten Mal tiefer in das einsame, fast schon verlassen wirkende Hinterland vor. Wir haben uns für heute zwei lange, aber nicht schwere Pässe ausgesucht, die exemplarischer nicht sein könnten für den ligurischen Apennin. Zunächst geht es mit angenehmer Steigung zum Passo del Bocco. Dann auf der anderen Seite hinunter nach Varese Ligure zum Mittagessen. Und schließlich dann über den ebenfalls gut rollenden Passo della Biscia. Gekrönt wird die Etappe von der Abfahrt durchs Val Graveglia an die Küste zurück.