08.08.2019,
majortom:
Col de l'Iséran. Mit 2770 m Höhe der höchste Pass der Alpen (da die Mogelpackung Cime de la Bonette selbstverständlich nicht zählt, handelt es sich hierbei schließlich nicht um einen Pass im geografischen Sinne, sondern um eine Panoramaschleife, die halt zufällig über 2800 m Höhe führt). Unstrittigerweise ist der Col de l'Iséran jedoch das Dach unserer Tour, also der höchste Punkt, den wir anfahren. Und während die Tour de France am höchsten Alpengipfel immer zu Ehren ihres Gründers das Souvenir Henri Desgrange vergibt, haben wir natürlich zu Ehren des quäldich-Gründers einen viel wichtigeren Preis zu vergeben: das Souvenir Jan Sahner! (Wer genau sich diesen Sonderpreis gesichert hat, ist bei Redaktionsschluss noch nicht bekannt...)
Nun gut, aber vielleicht entschuldigen wir uns erstmal dafür, dass es gestern keinen Bericht gab. Es lag daran, dass während der Etappe über den Col de la Croix de Fer das
extreme weather protocol zum Einsatz kam, und der potentielle Berichterstatter sich mit einer Rumpfgruppe im Chalet an der Passhöhe verschanzt hatte, als plötzlich waagrechter Starkregen fiel. Einige wahre Helden der Gruppen sportiv bis entspannt erwischte der Regen dagegen an deutlich ungünstigerer Stelle mitten in der Abfahrt. Bis auf einen Sturz mit leichten Blessuren sind glücklicherweise alle wohlbehalten durchgekommen. Gute Besserung an dieser Stelle - die Gestürzte saß jedoch heute schon wieder auf dem Rad und konnte sogar die B-Variante auf den Col du Petit Saint Bernard fahren. Chapeau!
Schon gestern Nachmittag ist jedoch der savoyardische Sommer zurückgekehrt, und auch heute morgen verwöhnt er uns in Aussois mit blauem, nahezu wolkenlosen Himmel. Da wir auf 1400 m Höhe starten, ist es am Morgen noch angenehm kühl, was uns auch auf den zähen Anfahrtskilometern die Maurienne hoch entgegen kommt. Eine erste Rampe bei Termignon sowie der Col de la Madeleine (ein anderer) lassen die entspannte Gruppe, aus deren Sicht heute abermals berichtet wird, schon früh auf der Etappe zersplittern. Inzwischen stecken ja auch schon vier harte Etappen in unseren Beinen, die nicht jeder gleich gut weg gesteckt hat. Insofern ist es sehr bewunderswert, mit welchem Elan doch jeder einzelne die Etappe angeht. Das Souvenir Jan Sahner ist ein Ehrenpreis auch für den Letzten!
Wir erreichen Bonneval-sur-Arc, wo das Maurienne-Hochtal endet, die Gletscher imposant über uns prangen, und die Straße sich nun am Hang empor schlängelt. Flaschen füllen am Brunnen, denn uns stehen 950 Höhenmeter bevor, und wir sind schon so gut wie auf 2000 Meter Höhe. Der Iséran an Tag fünf - auf jeden Fall ein hartes Stück Arbeit. Aber auch ein sehr lohnenswertes. Es geht durch hochalpine savoyardische Murmeltier-Idylle, und wir kommen den Bergen um uns herum immer näher. Traumhafte Ausblicke über die in der Sonne leuchtenden Berge am Grenzkamm nach Italien. Und dann erreichen wir die Passhöhe, wo sich der möglicherweise größte Aha-Effekt der Etappe einstellt. Während bei anderen hohen Pässen die Berge immer noch deutlich höher aufragen, scheinen sie am Iséran auf Augenhöhe zu sein. Und wir haben ganz nebenbei den höchsten Pass der Alpen bezwungen! Und auch wenn die Bergwertung heute Jan gewidmet ist, reicht sein Lieblingsbegriff "episch" nicht aus, um den Moment zu beschreiben. Das ist mehr als episch. Das ist kolossal!
Louis hat den Europcar-Panzer ein paar Kehren tiefer positioniert, wo wir uns gewohnt kolossal verpflegen. Da die meisten Gruppenmitglieder es vorgezogen haben, schon weiter Richtung Val d'Isère abzufahren, sind wir nun ein übersichtliches zwei-Mann-Grupetto. Macht aber nichts. Wir genießen die Abfahrt, meistern souverän in der Sommerhitze den letzten Anstieg nach Les Moulins und rollen zufrieden in Villard-Dessus (nicht zu verwechseln mit Villard-Dessus) ein. Mal schauen, ob das heutige
menu sportif dem gestrigen das Wasser reichen kann...
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wiederum nur ein Pass steht heute auf dem Programm, doch der hat es so richtig in sich, denn der Col de l'Iséran ist mit 2764 m der höchste echte Alpenpass. Doch zunächst beginnt die fünfte Etappe, wie die vierte aufgehört hat - weiter befahren wir das Arc-Tal bergauf. Bis Bonneval-sur-Arc steigt das Tal weiter nur gemächlich an, so dass wir heute genügend Zeit zum Einrollen haben. Die Abzweigung zum Col de Mont Cenis in Lanslebourg macht uns dann bewusst, dass über die Bergkette zur Rechten die Grenze nach Italien verläuft. Dann, in Bonneval, wird aus dem Bergaufrollen ein richtiges Klettern, denn die eigentliche Auffahrt zum Col de l'Iséran beginnt. Bis auf 2764 m führt uns die höchste echte Passstraße der Alpen hinauf - denn die Cime de la Bonette in den Seealpen ist schließlich kein richtiger Pass. Nach etwa 50 km An- und Auffahrt folgen 50 km Abfahrt, und schon sind wir in Bourg-Saint-Maurice, dem Zielort der Etappe. Ein echtes Pässemekka übrigens, denn neben dem Iséran starten hier noch zwei andere Passstraßen - der Petit St. Bernard, und der Cormet de Roselend, der morgen auf dem Programm steht. Kurz gesagt also: einmal rauf, einmal runter, fertig.
Variante: Ein lohnenswerter Abstecher führt zum Lac de Tignes. So kommt man heute auf 112 km und 2200 Hm.