Heute morgen ist der rote Teppich der Hoteleinfahrt zu unserer Bodega im Lecrín-Tal wieder eingerollt. Warum eigentlich, wir wollen unser Domizil doch auch wieder würdevoll verlassen?!
Während ich noch am neuen Rad herumbummele, sehe ich schon an Guide Nr.1 Torstens verschmitztem Blick, dass er heute wieder was im Schilde führt. Wahrscheinlich nur Gutes. Ich lasse ihn erst einmal mit seiner Gruppe davonziehen. Irgendwann kommt schon der legendäre "Kürzeler-Hügel" (dieser Code wird nur vor Ort erklärt), wo wir ihn wieder erwischen.
Aber eigentlich ist alles entspannt. Wir donnern die Sierra-Nevada-Umrundung 2018 heute mit gerade einmal 2 Hügeln auf 100km aus. Langsam den Zug auf Fahrt bringen und dann "Rock´n´Roll" ist angesagt. Grupo 2 erwischt die 3 dann auch schon kurz nach Padul. Die SPD-Hufe scharren, die Schaltungen wiehern freudig. Teil 1 der MIssion erfüllt: Reisegeschwindigkeit. Da kann ich mich mal fix rausfallen lassen und die doch etwas "sofaeske" Sitzposition meines Ersatzrads sportifizieren. Und schwupps kommt Tante Torsten mit den Seinen vorbeigehuscht. Nu pagadi, sajez! Hinterher!
Die Beine sind warm, heute wäre eigentlich ein Wildschwein-Tag: Rhythmuswechsel im Berg, Attacken, bis das Laktat spritzt. Ich entschließe mich für die moderate Variante und fahre stattdessen durch Torstens Gruppe hindurch, während er mich gönnerhaft ziehen lässt (er spielt wohl nur mit mir...). Interessante Eindrücke nehme ich aus dieser Überholaktion mit: Da wird schon mal gesungen und gepfiffen, auch ein Knie ist leise zu hören. Werner nutzt die Chance und lässt sich im Windschatten bis an den Gruppenkopf ziehen, auch noch ein, zwei andere vergrößern den Zug.
Ich drehe mich noch einmal um: Torsten tänzelt förmlich auf dem Rad, er fährt teils einbeinig. Ist er unter- oder überclarisiert? Egal, weiter zu den meinen und hinauf zum Cruze de Jayena. Damit ist das Tagewerk schon geschafft und der Blick wendet sich von der Sierra Nevada im Osten nun nach Westen ins weite Olivenland bis zur schroffen Sierra Tejeda und Almijara. Abfahrt, yeah!
Zwischenzeitlich höre ich aus der schnellen Gruppe, dass im Lokal bei der ersten Pause zuckerfreie Fanta mit Extra-Zucker angereichert wird. Ähem, ja. Dinge gibt´s :-)
Nunmehr wartet mit dem Navazo nur noch ein kleiner Hügel. Doch der Fluch, den Ricardo gestern über mich bannte ("Pannenhagen"), schlägt wieder zu: Plattfuß, nicht bei mir, aber ich pumpe. Tante Torsten nutzt das gnadenlos aus: wusch, vorbei und ausgetanzt hat er mich. Schnell fahren macht halt keinen Sinn, wie schon Guidekollege Paul in den Pyrenäen feststellte. Aber Spaß, und so nehmen wir die Verfolgung dankend auf. Derweil verbläst es (im Wortsinne) so manche Gruppe. Mehrheitlich findet man aber wieder im nächsten Lokal zusammen.Der frische Orangensaft eint halt doch.
Torsten kehrt später in der "Hühnerbar" ein, denn von dort aus hat er den Logenplatz auf den letzten Bergsprint des Tages am ikonischen Felseinschnitt des Boquete de Zafarraya, den Team Dubai heute für sich entscheidet. Ich bin halt der Pannenhagen. Die Revanche für morgen ist aber schon angekündigt und kartiert. Aber vielleicht schlage ich auch einfach nur mit der Wildschweintaktik zurück im Giftstieg von Comares oder auch ganz woanders morgen...Spannend wird´s!
Und so rollen wir königliche finale 10km hinunter nach Vinuela, aus dem Talkessel bläst uns die Heißluft wie mit einem Föhn entgegen. Schnell in den Pool und ein Schmutzbier!
Währenddessen kämpfen andere mit den Balkontüren und schrauben sicherheitshalber mit dem Multitool erst einmal den Rahmen auf. Oder hätte man doch einfach nur den anderen Türflügel öffnen müssen? Wir verbuchen das unter natürlichen Verschleißerscheinungen nach 8 Tagen in Andalusien.
Ein paar Stunden später ist nun auch der letzte Tanz durch die Anekdoten der Tour mit Tante Torsten fröhlich getanzt. Misson accomplished: X Clara. Die morgige Ausrollrunde kann kommen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Heute endet die eigentliche Rundfahrt. Den Stieg bis Pádul merken wir kaum. Gemeinerweise geht es weiter durch Oliven, Mandeln, Wald und Weideland hinauf bis zum "Doppelpass" am Cruze de Jayena. Oben zweigen wir nach Westen ab. Es wartet eine noch einmal völlig andere Landschaft, geprägt von Oliven und den Blicken auf die kahlen Gipfel der Sierra Tejeda und ihrer Schwestern am Horizont.
Vorbei am türkis lockenden Bermejales-Stausee steuern wir Alhama de Granada an, einen jener Orte, die in der Reconquista arg umkämpft waren. Durch moderates Terrain geht es bis Ventas de Zafarraya - nach der legendären Grillhähnchenbar startet hier die Schussfahrt ins Ziel in Viñuela direkt am gleichnamigen Stausee.
Geschafft, Beine hoch oder ins Wasser, Chillomat an der Hotelbar, Wohlsein beim Betrachten des Sonnenuntergangs hinter den umgebenden Bergen sind angesagt!