Nachts geht ein heftiger Gewitterregen über Grainau ab, wo wir im Hotel am Badersee perfekt empfangen werden. Nach dem umfangreichen Frühstück und einleitenden Worten am Start starten alle Gruppen pünktlich um 9 Uhr auf die erste Etappe über Namlossattel und Hahntennjoch nach Imst.
Das Wetter macht es uns leicht, es rollt, der Himmel strahlt blau. Auf einmal Unruhe im Gruppenkopf, Welle durchs Peloton, Sturz. Sehr unnötig, aber glücklicherweise vom Sturzopfer perfekt abgefangen. Ab da ist die Wachsamkeit erhöht, die Gruppe läuft. Vom Namlossattel werde ich positiv überrascht. Ich hatte nicht viel erwartet, schließlich führt eine recht breite Straße hinüber. Aber die Tiefblicke hinunter zur Lech und die wunderbaren Wälder, Wiesen und Felsen rechts und links der Strecke lassen Urlaubsstimmung aufkommen.
Schnell ist die Passhöhe und nach einigen flüssigen Kurven die Mittagspause in Namlos erreicht. Viel zu früh, klar, Hunger hat eigentlich noch niemand. Aber der Kaiserschmarrn schmeckt und die Sonne strahlt. Über Peter erreicht uns die Nachricht einer Sperrung am Hahntennjoch – eine Mure ist abgegangen, Sperrung bis 12. Perfekt, es ist 5 vor. Tatsächlich wird die Ampel mit unserer Ankunft auf grün geschaltet, und wir beginnen eine der schönsten Anfahrten der nördlichen Alpen: die Nordanfahrt zum Hahntennjoch. Die berüchtigte Startrampe führt uns von Elmen in eine sanfte Almenlandschaft, in der wir noch einmal verschnaufen können.
Wenig später aber macht der Anstieg ernst, und fast kehrenfrei zieht sich die Straße gen Himmel. Ich schließe mich dem Gruppetto an, und nicht mehr alle können den Blick vom Asphalt heben, um die zunehmend imposant werdenden, massiven Felsformationen rechts und links der Straße zu genießen.
An der Passhöhe wartet Daniel mit der Getränkeverpflegung. Wir halten die Pause kurz, denn es riecht förmlich nach Regen. Trocken erreichen wir nach rasanter Abfahrt Imst. Im Schlussanstieg einzelne Tropfen, aber weiter nördlich Inn-aufwärts steht die Regenwand.
Einmal um halb drei am Hotel – das kommt bei der Deutschland-Rundfahrt so gut wie nie vor. Gruppe 1 ist schon eine Stunde lang hier, und auch Gruppe 3 kommt noch trocken ins Ziel. Deutlich weniger Glück hatten Gruppen 3 und 4, die zu lang an der Mittagsverpflegung aufgehalten und am Hahntennjoch voll vom Gewitter erwischt wurden, mit dicken Hagelkörnern, die die Straße bedeckten. Die Größenangaben der Hagelkörner schwanken und nehmen mit fortschreitender Stunde weiter zu. Tatsächlich aber war es wohl dramatisch und die Einschläge schmerzhaft. Nach weiteren Murenabgängen konnten die Begleitfahrzeuge am Timmelsjoch erst nach Stunden nach Imst abfahren. Nun sind aber endlich alle im Hotel, und das Abendessen beginnt pünktlich um 18 Uhr.
Mit Bangen schauen wir auf das Wetter von morgen. Zwischen 4 Grad / Nebel, 10 Grad / Regen ist alles drin. Drückt uns die Daumen!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Erster Tag einer langen, anspruchsvollen, abenteuerlichen Tour. Das bedeutet eine schlechte Nacht und viel Nervosität: In welche Gruppe gehöre ich, wie stark sind die anderen, wer ist dabei, wie ist das Fahren in der Gruppe, wie läuft das hier ab, etc. ....
Dazu ist Tag 1 da. Es ist für alle ein spezieller Tag. Die Guides sind genauso aufgeregt wie die Teilnehmer, die Abläufe im Team laufen noch nicht ganz rund, die Beine genausowenig.
Profil und Streckenlänge von Tag 1 sind ideal um in den Touralltag reinzukommen. Es gibt zwei Anstiege zu bewältigen. Die Streckenlänge ist kurz, so dass es nicht weiter schlimm ist wenn wir uns etwas Verspätung einhandeln weil noch nicht jedes Rädchen ins andere greift. Und zum Schluss gibt es noch eine kleine Bergankunft, so dass man sich am Ende des Tages bestimmt weiss, in welcher Gruppe man in den Folgetagen am besten aufgehoben ist.
Bereits nach etwas mehr als 10 Kilometern verlassen wir Deutschland und überqueren die Grenze nach Oesterreich. Beständig geht es durch das Tal der Loisach leicht bergauf, bevor wir in Bichlbach ins Berwangertal abbiegen und zum Namlossattel hochfahren. Ein schöner, leicht zu fahrender Pass der eher Mittlegebirgs- als Alpencharakter hat und uns daher einen guten Vorgeschmack auf die bevorstehenden Anstiege im Apennin gibt.
Der Pass führt auf der anderen Seite hinunter in das Tiroler Lechtal, welchem wir nur kurz flussaufwärts folgen, um dann Richtung Hahntennjoch abzubiegen. Nach noch recht angenehmer Fahrt durch das Bschlaber-Tal macht der Pass zum Schluss richtig ernst. So werden wir am heutigen, ersten Tag auch darauf eingestimmt was uns bei der Alpenüberquerung und den Pässen im Südtirol noch erwarten wird: dunkelrote Farbe im Steigungsprofil.
Dabei sollten wir natürlich nicht vergessen die Alpenkulisse zu geniessen und hoffen dass am heutigen Samstag im Frühsommer noch nicht allzuviele Wochenendausflügler unterwegs sind.
Die Abfahrt bringt uns nach Imst an den Inn. Unser Hotel und Etappenziel liegt aber nicht im Talboden, sondern etwas erhöht in der Gemeinde Arzl. Also ein kleiner Bergpreis auf den letzten 2 Kilometern.