08.08.2014,
axscoach:
Heute steht ein 121 km langer Rundkurs von Spindlersmühle an. Trotz der relativ kurzen Distanz zeigt das Roadbook 2900 Hm. Da nicht alle Strecken barometrisch im Tourenplaner erfasst sind, summiert sich die Runde am Ende sogar auf 3350 Hm. Und die haben es in sich. Drei richtige Riesengebirgs-Highlights stehen vor uns.
Aber der Reihe nach: locker gehts durchs Tal der jungen Elbe nach Hohenelbe und über Landstraßen nach Cerny Dul, wo wir nach Links in Richtung Jánské Lázne abbiegen. Der kleine Sattel hinüber nach Svoboda Nad Upou ist schnell erreicht (Wer kennt den Namen dieses Sattels?). Dort geht die Stichstraße zur Cerna Hora ab. Den Vergleich zum Spindlerpass am Vortag kann er zwar bei weitem nicht halten, dennoch überzeugt er mit schönen Tiefblicken entlang der Abfahrts- und Kabinenlift-Schneisen. Vom charakterisch von weither sichtbaren Funkturm gibt es keine Aussicht, daher machen wir nur kurz ein Bild und setzen uns auf einen schnellen Café in die Baude. Als wir gerade zur Abfahrt blasen, kommt auch Thomas an, der vorher noch – nicht ganz ohne unser Zutun – in die Abfahrt nach Svoboda nad Upou irre geleitet wurde und so 260 Hm mehr in den Beinen hat.
Dafür darf er die seehr gut laufende Abfahrt eben dort hin zweimal genießen.
Auf der Landstraße ist dann der Standort der ersten Verpflegung schnell erreicht. Länger dauert es, Silvi und Alex tatsächlich aufzuspüren. Wir finden sie schließlich einen Kilometer weiter in Richtung Pec pod Sneskou, wo pünktlich der Regen einsetzt und wir uns in den Schutz des Kiefernwaldes flüchten um auf Baumstämmen sitzend Krapfen zu vertilgen.
Die Moral bröckelt. Der größere Teil fährt gleich auf der Hauptstraße weiter und gelangt so ohne Verlust von Höhenmetern nach Mala Upa. Fünf aufrechte trotzen dem Regen, 3 km übler Schotterstrecke und den 300 zusätzlichen Höhenmetern an der Lysecinske Boudy vorbei zum Cestnik (1003 m), wie so oft schon in den beiden Tagen herrlich auf schmalstem Asphaltband durch Fichtenwälder.
Mala Upa mit seiner großen Kirche ist schnell erreicht, von dort geht es hinab ins Aupertal, wo wir schnell in den Löwengrund einbiegen. Das Ziel ist hier, der Schneekoppe möglichst nahe zu kommen, die nicht mit dem Rennrad befahren werden darf. Herrlich ist es hier. Den Jeleni Potok entlang (vielleicht Hirschbach?) führt die Straße stetig nach oben, bis sich die Schneekoppe über den Kamm hebt. Den kahlen Berg mit der charakteristischen Baude bewundern wir oben längere Zeit, bevor wir weiterfahren und jäh von einem Forsttrupp ausgebremst werden, die auf einer Länge von ca einem Kilometer die Straße in ein Moloch aus Schnittgut und Baumresten verwandelt hat. Jetzt verstehen wir auch den Zusatz "Letovy Prostor" am Verbotsschild für Fahrzeuge und Fußgänger unten am Eingang zum Löwengrund – es dürfte wohl Forstarbeiten heißen.
Im Löwengrund wurden wir übrigens nicht von Löwen angefallen. Der Name
stammt wohl von einem Bergwerk aus dem 16. Jahrhundert mit Namen "Goldener Löwe".
Reichlich ermattet rollen wir wieder in Mala Upa ein und nehmen die wenigen Höhenmeter zum Restaurant Rusalka in Kauf, wo wir tatsächlich
üppig und gut essen.
Jetzt steht nur noch eine Schippe Sand zwischen uns und dem Abendessen: der Modre Sedlo. Nun gut. Steil ist er. Sehr steil. Höhenmeter hat er. Viele. Es ist der härteste Anstieg Tschechiens und steht dem gestern befahrenen Spindlerpass nicht nach. In nichts. Schöner ist er sogar mit dem sensationellen Blick über Cerna Hora, Schneekoppe, das Hohe Rad und hinunter zur Wiesenbaude. Heute abend ergibt die Frage des Tages ein Unentschieden. Ein Drittel findet, der Modre Sedlo ist härter als der Spindlerpass, ein Drittel sieht es anders herum und ein Drittel kann sich nicht entscheiden. In Punkto Schönheit geht die Wertung deutlich für den Modre Sedlo aus, auch nach Einbezug der Abzüge, die die 3,5 km Schotter auf dem Weg zurück ins Elbtal mit sich bringen.
Ermattet erreichen wir Spindlersmühle, ermattet sinkt der Berichterstatter nun in Morpheus' Arme.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Im Elbtal können wir langsam wieder die Beine aktivieren und rollen nach Hohenelbe (tschech. Vrchlabí). Auf dem Tagesplan steht das Ostriesengebirge. Das Massiv der Černá hora breitet sich bald vor uns aus. Der Schwarze Berg ist der erste Anstieg im Programm. In Černý Důl beginnt die Steigung zuzunehmen und nachdem wir in die Stichstraße zum Gipfel eingebogen sind, befinden wir uns endgültig im Anstieg zur Černá hora. Nach ca. 6 km, auf denen knapp 500 Hm und eine weitere 20% Rampe bezwungen werden, darf an der heruntergekommenen Sokolská bouda nach Süden den Ausblick in das tschechische Tiefland bewundert werden. Vom Fernsehturm gibt es leider keine weiteren Aussichten, aber man kann sich schon mal die charakteristische Kegelform des Turms einprägen. Das wird helfen, den Berg im Laufe des Tages schneller wieder zuerkennen.
Wir fahren hinab in den Kurort Janské Lázně und weiter ins Upa-Tal. Immer leicht bergan folgen wir dem Talverlauf nach Albeřice. Im Anstieg zur und vorbei an der Lysečinská bouda darf man erneut Kraftfahrzeug-freie Waldstraße genießen. Nach kurzer Abfahrt erreichen wir das schöne Bergdorf Malá Úpa, in dessen Hintergrund sich die Schneekoppe erhebt. Da die Schneekoppe nicht legal mit dem Rennrad befahren werden darf, versuchen wir zumindest sehr nah heran zu kommen. Das geht nirgendwo besser als im Löwengrund (tschech. Lví důl), der erst vor wenigen Jahren offiziell als Radweg freigeben wurde. Am Ende des Grundes offenbart sich der Osthang der Schneekoppe und vielleicht ist auch der Berggeist Rübezahl irgendwo in der Nähe. Die Straße windet sich aus dem Grund heraus und mit der Černá hora grüßt ein bereits bekannter Berg am Horizont. Am Ende dieser kleinen Exkursion in Landschaftskunde führt uns die Straße wieder ins Upa-Tal. Nach einigen Talabwärts-Kilometern mit hoher Geschwindigkeit halten wir uns rechts und folgen der Beschilderung nach Pec pod Sněžkou.
Was Podgórzyn für Polen ist, ist Pec für Tschechien, nämlich der Ort, an dem der schwerste Berg des Landes beginnt. Nirgendwo in Tschechien kommt man mit dem Rennrad höher als am Modré Sedlo. Mit 1500 m ist man fast in alpinen Gefilden unterwegs und Schnee bis Ende Mai ist hier die Regel. Am Sattel steht eine Kapelle. Einmal innehalten und die Berge auf sich wirken lassen. Vielleicht ist das hier die eindrucksvollste Szenerie im ganzen Riesengebirge. Wer will, kann noch die 2 km hinab zur Wiesenbaude fahren, die mit ihrer Größe in der Tundra-Landschaft ein bisschen unwirklich anmutet. Die Abfahrt vom Modré Sedlo gestaltet sich ein wenig anspruchsvoll und es gibt eine Schotterpassage zu überwinden, die jedoch mit etwas Vorsicht und mindestens 23 mm Reifenbreite niemanden zur Verzweiflung bringen sollte. Am Ende der Abfahrt haben wir beachtliche 1000 Hm vernichtet und befinden uns wieder in Vrchlabí. Zurück nach Labská geht es auf bereits bekannter Route durch das Elbtal. Mit ein bisschen Abstand kann man hier diskutieren ob Spindlerpass oder doch Modré Sedlo der schwerste Berg des Riesengebirges ist.