10.08.2014,
axscoach:
Vorgezogener Start um halb neun in Harrachov. Auf breiter Straße gehts runter ins Isertal und dann hoch zum Tannwaldpass, wo die erste Überraschung des Tages wartet. Eigentlich steht heute nur Flüsterasphalt auf dem Programm. Hier jedoch durchkreuzt die erste Baustelle unser Vorhaben, die leider nicht nur wie gehofft durch den Ort, sondern deutlich weiter führte. Dennoch schöne Abfahrt und in der Kehre rechts hoch Richtung Smedava. Herrlich einsam geht es durch den Wald nach Sous, wo der gleichnamige Stausee Ahs und Ohs und ein Wendemanöver fotowilliger Recken hervorruft. Traumhaft skandinavisch gehts am Stausee entlang, fast unmerklich ansteigend zum Hochpunkt Smedava. Herrliche Abfahrt, unterbrochen nur durch eine Minibaustelle hinunter nach Bily Potok und weiter ins Neißetal durch landwirtschaftlich geprägte Gegend – eine unerwartet schöne Abwechslung nach drei Tagen Wald- und Wieseneinsamkeit.
Der Oldrichovske Sedlo erinnert mich an den Anstieg zum
Einsiedler Sattel im Erzgebirge, ist aber deutlich kürzer. Oben ist die erste Verpflegung aufgebaut, die wir nach den gestrigen Erfahrungen hierin vorverlegt haben. Alex und Silvi haben sich wieder richtig ins Zeug gelegt und kredenzen Krapfen und Fruchtplunder in der herrlich im Wald gelegenen Schutzhütte.
Vom Sedlo rollts gut runter und auf breiter Straße sanft ansteigend nach Albrechtice, wo wir auf eine herrlich schmale Straße abbiegen. Rechts grüßen Windräder und ein "Sonnenkraftwerk" - üble Kühltürme mit euphimistischer Sonnenbemalung. Hier befinden wir uns jetzt schon nördlich von Liberec, um nach Südwesten vorzustoßen und somit den Jeschken von hinten erklimmen zu können. Die folgende Abfahrt jedoch hemmt unseren Vorwärtsdrang gewaltig durch eine schier endlose Aneinanderreihung von Baustellen, die erst in Andelska Hora hinter uns gelassen werden. Wir folgen der Beschilderung nach Christofovo Udoli, die uns in ein liebliches, abgeschiedenes Tal führt, in dem die Zeit vor 100 Jahren stehengeblieben zu sein scheint. Christofovo Udoli, auf deutsch Christophsgrund, weiß durch eine Ansammlung von Wirtschaften zu überzeugen, von denen wir blind eine auswählen. Hier sitzen wir schön unter Sonnenschirmen, warten aufs Essen und sind schlussendlich satt, zufrieden und zurück auf dem Rad, um dem Flusstal weiter zu folgen und den gut rollenden Anstieg zum Křižanské sedlo anzugehen, der uns über den Jeschkenkamm führt und somit unserem Endgegner näher bringt.
Oben haben die Wartenden bereits eine tschechische Schönheit ausgemacht, die dort mit ihrem Fitness-Bike samt Platten gestrandet war. Reto zückt seinen 28"-Crosser-Schlauch, die Meute verabschiedet sich ins Tal, und ich und Tobias vollziehen den der Völkerfreundschaft geschuldeten Akt. Die Dame überlässt uns voller Dankbarkeit unserer nun anstehenden Aufgabe. Schnell ist der Anstieg zum Jeschken erreicht, und Tobias sagt "immer schön, so eine Gruppe von hinten aufzurollen". Ich sage nichts und denke: "Ja, wenn man es in seinem eigenen Tempo macht". Ich übergebe Tobias seinem
Spielkameraden und sehe mit Erstaunen, welch Wettkampfgeist der nahende Abschluss geweckt hat. Alle Teilnehmer mobilisieren die letzten Reserven. Der Rollerasphalt und die atemberaubenden Rundumblicke auf Liberec im Osten und das Böhmische Becken im Westen verleihen uns auf der Stichstraße zum Gipfel zusätzliche Kräfte. Oben liegen sich die Kontrahenten der Auffahrt versöhnt in den Armen und nach dem obligatorischen Schlussfoto vor dem charakteristischen Jeschken-Mast verlieren sich die Teilnehmer in der Abfahrt nach Liberec, zum Ziel unserer Rundfahrt.
Nur ich muss oben bleiben, mein schönes neues Volagi wurde von einem Vollhonk mit seinem Großstadt-Jeep beim rückwärts einparken in eine Feuerwehrzufahrt geplättet. Als die Polizei eintrifft, entlädt sich das Gewitter. Es ist die erste quaeldich-Reise, die ich nicht auf dem Rad beenden kann.
Herrlich wars. Alle sind sich einig: das Riesengebirge ist nicht nur eine Reise wert. Spindlerpass von einer anderen Welt, Schneekoppen-Ambiente am Löwengrund, Modre Sedlo mit den märchenhaften Blicken ins Kerngebiet des Riesengebirges, und die irre Befahrung der Jeschken-Spirale mit dem sagenhaften Rundumblick – das sind vorerst Zappels eindrücklichste Erinnerungen an vier satte Radtage.
Es grüßen von der A13 euer
Jan und euer
Zappel.
Bilder folgen morgen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Nach einer hoffentlich erholsamen Nacht und Träumen vom geheimnsvollen Riesengebirge beginnt in Harrachov der Schlusstag. Verglichen mit den letzten Tagen bietet diese Etappe nicht mehr die ganz schweren Anstiege. Zum Ausklang geben wir uns am letzten Tag mit knapp 2000 Hm zufrieden.
Das Riesengebirge lassen wir im Iser-Tal hinter uns. Über Kořenov, Souš und vorbei an der gleichnamigen Talsperre fahren wir hinauf in die Höhen des Isergebirges. Wir kreuzen am Wittichhaus die Strecke vom ersten Tag, stürzen uns in die serpentinenreiche Abfahrt nach Hejnice und lernen nun den nördlichen Teil des tschechischen Isergebirges kennen, dessen Ausläufer noch von uns überquert werden wollen. Durch schöne Buchenwälder gelangen wir nach Oldřichov und nähern uns langsam unserem Ausgangsort Liberec.
Halt, da fehlt was! Der Jeschken darf bei dieser Reise nicht fehlen. Wir kreuzen also noch das Neißetal, überqueren den Kamm des Jeschkengebirges hinter Kryštofovo Údolí und nehmen von Süden den Jeschken unter die Räder. Ab Křižany darf sich jeder nochmal auspowern oder einfach nur genießen. Auf den letzten Kilometern zum Jeschken, hoch über Liberec, kreist die Straße um den 1012 m hohen Berg bis der Kurvenradius immer kleiner wird und der Gipfel erreicht ist. Ein wahrer Höhepunkt und eine geeignete Stelle um die 1. quaeldich.de-Riesengebirgs-Rundfahrt ausklingen zu lassen. Bei gutem Wetter blickt man ins Iser- und Riesengebirge und kann die letzten Tage Revue passieren lassen. Denn vom Jeschken geht es bis nach Liberec nur noch 10 km bergab.