21.08.2021,
Pocatky:
All on Schwimmen in Raschau
Es ist Freitag abend, wir sind in Oberwiesenthal angekommen und ich gerade den Blog von tortentom gelesen. Ja, es ist richtig, es gibt wichtigere Dinge im Leben als Rennradfahren, die gab es immer und wird es immer geben. Ja, wir leben ein privilegiertes Leben und dies auch bereits in dem Moment, wenn wir eine Quäldich-Reise buchen. Und bei den anderen Dingen, auch wenn sie uns sehr nahe gehen, müssen wir manchmal anerkennen, dass wir sie nicht ändern können. Dass wir die Entscheidungen darüber, wie in bestimmten Situationen agiert wird, delegiert haben, auch durch die Ausübung des Wahlrechts, und dann vertrauen müssen, dass in unserem Sinne agiert wird. Ich habe mir bei der Buchung die Frage gestellt, ob ich statt dieser Reise nicht eher Flutopfern vor Ort im Ahrtal helfen müsste. Am Ende habe ich mich aus persönlichen Gründen dagegen entschieden, helfe anders und so sollte es jede/r von uns tun. Aber auch Rennradfahren hilft, jedem von uns, jeweils anders und doch manchmal überlebenswichtig. Und auch denen im Ahrtal, wenn der Saisonabschluss von Quäldich in Koblenz, den ich noch vor einigen Tagen auf der Webseite gesehen habe, stattfindet - alle Überschüsse dieser Reise werden an eben diejenigen gespendet, die bei dieser Flutwelle alles verloren haben.
Aber unsere heutige Etappe hat trotz der Welt um uns herum einen Bericht verdient und auch wenn es jetzt schreibtechnisch fast unmöglich ist, diesen Schwenk zu machen, ich versuche es trotzdem und ziehe Rudi Carell zu Hilfe:
,,Wann wird's mal wieder richtig Sommer
Ein Sommer, wie er früher einmal war?
Ja, mit Sonnenschein von Juni bis September
Und nicht so nass und so sibirisch, wie im letzten Jahr?"
Unseren heutigen Tag, den 20.08.2021 können wir wie folgt zusammenfassen:
Zeilen 1 bis 3: Den ersten Schatten wirft Andres um 11:04, Sommer ist gefühlt nach der Mittagspause zwischen 14:30 und 15:30, wir haben aber inzwischen unsere Erwartungen an einen Sommer runtergeschraubt, aber es ist blauer Himmel zu sehen und die Temperatur übersteigt 10 Grad.
Zeile 4: Start am morgen um 30 Minuten verschoben, kalt, nass, 10 Minuten nach dem Losfahren im Muldental Sprühregen, ca. 30 Minuten lang, kalt bleibt es, von oben aber trocken, kurz vor Raschau öffnet sich der schwarze Himmel erneut, ca. 16:00, wir stellen uns unter, fahren 15 Minuten später los und erreichen ca. gegen 18:00 sibirische Kälte am Fichtelberg.
Ja, die Bedingungen waren nicht ideal, es war aber ein toller Tag. Heute gingen wir mit unserer Stempelkarte stanzen, den ersten Teil der Stoneman Miriquidi C-Edition bezwingen. Gestartet in Holzhau, nass werdend im Muldental (nach ca. 5 gefahrenen Kilometern) und erstmals stanzend in Blockhausen. Haken dran, ging. Dann kommt Niederlauterstein, mit 18% weniger schön, aber oben ist oben. Dann stärken wir uns erstmals, machen Rast, hoffen, der blaue Himmel bleibt uns treu, lassen wesentliche Teile der Regenausstattung bei Alex, fahren mutig kurz kurz und ohne Regenüberschuhe (alles falsche Entscheidungen) weiter und bilden uns neben dem Stanzen bei den Greifensteinen kulturell weiter. Danach fahren wir sogar Radweg (für 600m) und gehen bei Raschau schwimmen, angezogen, komplett, soll jetzt in sein. Wir stellen uns bei einer Schuhmacherin unter, lassen das Gewitter vorbeiziehen und gehen in den finalen Anstieg des Tages rein. Rittersgrün ist easy, der Rest des Anstieges zum Fichtelberg zieht sich, die Gruppe ist auseinander und oben wieder zusammen. Wir stanzen unsere Karte für heute das letzte Mal und Andreas hat ein breites Lachen im Gesicht - gestern noch über Mitfahrgelegenheit im Bus bei Alex nachgedacht, fährt er alle Berge trotz des fehlenden letzten Rettungsganges hoch - eine beeindruckende nächtliche Metamorphose. Aber die Freude über das Ende des ersten Tages verlagern wir ins Hotel und fahren schnellstens vom Fichtelberg runter, gefüllt sind wir kurz vorm ersten Schneesturm des Jahres.
Über eine eher längerfristige Verwandlung seiner Selbst berichtet Oli beim Abendessen, 2016 noch Biker der eher anderen und lauteren Art, dann ein Fahrrad für 160 Euro und nun Rennradfahrer der Gruppe 1, beeindruckend und bestätigend, dass es beim Rennradfahren nicht nur darum geht, die Kurbel zu bewegen. Es muss stetig passieren. So wie das Leben, das große Leben. Das besteht auch nur aus kleinen Schritten. Einer nach dem anderen. Nur gehen müssen wir jeden selber.
Die erste Hälfte der Stempelkarte ist also erledigt, für die zweite morgige härtere Hälfte wünschen wir uns Sonne und trockene Strassen. Ja, ich weiß, wir sind wieder beim ersten Absatz. Aber diesen Wunsch haben wir einfach.
ursprüngliche Etappenbeschreibung
Eine echte Herausforderung erwartet uns mit dem Stoneman Miriquidi Road. Die beliebte und anspruchsvolle Rennradstrecke durch das Erzgebirge werden wir in zwei Etappen unter die Räder nehmen, um uns den silbernen Stoneman-Stein zu verdienen, den jeder Finisher bekommt. Der erste Teil des Stoneman führt uns von Holzhau durch das Muldental bis nach Blockhausen zum Checkpoint, wo wir unsere Stempelkarte erstmalig entwerten. Mit Niederlauterstein, den Greifensteinen, Rittersgrün und dem Fichtelberg müssen wir noch vier weitere Stempelstellen ansteuern und dazwischen die attraktive Strecke durch das Erzgebirge genießen. Nach 130 km und reichlich 2000 Höhenmetern kommen wir in Deutschlands höchstgelegener Stadt an - Oberwiesenthal!