Tour de Provence

Die Provence ist berühmt für ihr Licht, das auch bekannte Maler wie Paul Cézanne eingefangen haben. Cézanne stammte aus Aix-en-Provence, und wir verlassen seine Heimatstadt nach Südosten. Die Namen der niedrigen Gebirge, Ausläufer der Provenzalischen Voralpen, sind wohl eher unbekannt: die Montagne Sainte-Victoire mit ihren weißen Felsen lassen wir im Norden liegen, dann überqueren wir die Montagne de Regagnas am Pas de la Couelle, ein Pass mit dem schönen Spitznamen „Le Petit Galibier“. Der Col de l'Espigoulier führt uns in das Massif de la Sainte-Baume, und in seiner Abfahrt glitzert schon das Mittelmeer am Horizont. Wir nähern uns der Côte d'Azur. Und erreichen dann das absolute Highlight der heutigen Etappe: die Route des Crêtes zwischen Cassis und La Ciotat, eine Küstenstraße, an der die Felsen senkrecht ins Meer abfallen. Dann fahren wir entlang der Küste bis in den Etappenort Toulon.

Vom Meer wenden wir uns heute wieder nach Norden, auf fast direktem Weg bis an den schönen Stausee Lac de Sainte-Croix. Eine Übergangsetappe? Sie hat zwar wenig lange Anstiege, das Profil ist aber durchaus anspruchsvoll. Und so genießen wir die einsame Landschaft unter der Sonne des Südens, die einsamen provenzalischen Dörfer, die Kiefernwälder des Küstenhinderlandes, die im Laufe der Etappe immer höher werdenden Berge. Am Ende werden wir in den Provenzalischen Alpen angekommen sein. Zunächst müssen wir jedoch die Grroßstadt Toulon verlassen; wir halten uns parallel zu den Hauptstraßen auf wenig befahrenen Nebenstrecken. Rechts von uns erhebt sich das Massif des Maures, dann überqueren wir das Argens-Tal, und nördich von Aups erklimmen wir mit dem Pas de la Bigue den Pass des Tages. Und können dann schon ins Ziel abfahren - am Lac de Sainte-Croix ist vielleicht sogar ein erfrischendes Bad drin.

Harte Etappe, wunderschöne Etappe. Die Verdon-Schlucht – liebevoll auch „Grand Canyon du Verdon“ genannt – ist nach der Tara-Schlucht in Montenegro immerhin die zweittiefste Europas, und die Höhenstraßen an beiden Ufern des Verdons bieten Aussichten von einem anderen Stern. Wir beginnen mit der Südseite, die Höhenmeter summieren sich schon hier, doch das ist ganz egal, denn die Landschaft ist ein Traum. So richtig atemberaubend ist dann aber erst die Route des Crêtes auf der Nordseite, von der wir praktisch senkrecht die Felswände hinab in die Schlucht sehen können. Und genießen dann vom Col d'Ayen traumhafte Blicke hinab zum Lac de Sainte-Croix. Für Conaisseure die Etappe des Jahres!

Vom Touristenmagneten Verdonschlucht bewegen wir uns heute zum Touristenmagneten Sisteron – der Durance-Durchbuch fehlt als Bild in keinem Provence-Kalender. Doch heute geht es vor allem um die traumhafte, einsame Landschaft der unbekannten Hochprovence. Es beginnt hügelig, über prototypische französische Landstraßen, rechts von uns zeichnen sich die Hochalpen am Horizont ab, links wird die Provence immer flacher, vielleicht prangt noch der Lubéron am Horizont. Mit dem Col de Font-Belle sind wir dann mitten drin in den Provenzalischen Alpen. Allzu schwer ist der Anstieg nicht, dafür umso schöner. Wunderbare Felsformationen, weite Ausblicke, kaum ein Auto unterwegs. Und dann eine lange Abfahrt nach Sisteron. Wieder eine Etappe zum Genießen.

Heute wenden wir uns nach Westen, denn dort grüßt der Géant de Provence, der mythische Mont Ventoux. Bevor wir in dessen Reichweite kommen, wartet nach kurzem Auftaktgeplänkel ein heimliches Highlight auf uns: die herrliche wildromantische Méouge-Schlucht. Der Col Saint-Jean führt uns dann vom Méouge-Tal nach Laborel, das als Pässemekka gelten könnte, sind wir doch in der Drome Provençale unterwegs, wo die Passdichte enorm ist. Dann geht es in den Col de Perty, einer der höchsten Pässe der Gegend, und an seiner Passhöhe sehen wir in einer Richtung zu den noch schneebedeckten Hochalpen, auf der anderen Seite entdecken wir endlich den Mont Ventoux. Und genießen dann eine lange Abfahrt entlang des Ouvèze-Tals, fahren westlich um den Ventoux herum und gastieren heute in Bédoin.

Am vorletzten Tag ist es soweit. Ein Tag, der ganz dem „Géant de Provence“ gehört. Wir fahren von Bédoin hinauf, die klassische Tour-de-France-Auffahrt. Kiefern- und Pinienwälder, steile Straße, mehr Rennradfahrer auf einem Fleck als sonst irgendwo in Europa. Dann die Felswüste im oberen Teil, wahlweise dem Wind oder der Hitze ausgesetzt, denn der Ventoux macht es niemandem leicht. Und doch werden wir irgendwann oben am observatoire stehen, die Provence liegt uns zu Füßen, ein unbeschreibliches Gefühl. Eine kurze Etappe heute, aber was soll den Ventoux denn noch übertreffen?

Die letzte Etappe ist oft eine Tour d'honneur. Auch unsere Schlussetappe ist nicht besonders schwierig, hält aber mit der Nesque-Schlucht noch einmal einen besonderen Höhepunkt bereit. Egal ob man die sportliche Herausforderung annimmt, bei angenehm rollenden Steigungen all in zu gehen, oder einfach nur die fantastische Landschaft genießen möchte. Über das Plateau de Vaucluse und den Lubéron fahren wir dann weiter nach Süden, wo wir am Ende des Tages in Aix-en-Provence den Kreis schließen.