21.03.2022,
Jan:
Anders als gestern noch vorhergesagt, und anders als befürchtet, werden wir heute von der angenehmen Wettervorhersage überrascht, dass es bis zum Abend trocken bleiben soll. Dann holen wir natürlich die Fahrt zum Cap Formentor nach, die eigentlich den Auftakt in diese Reise hätte bilden sollen.
Ein ganzer trockener Tag! Was für ein Glück! Da wird nicht lang überlegt, sondern um halb neun statt um neun losgefahren, damit wir ohne Stress alle Optionen des Tages ziehen können. Ohne die Gruppe zu fragen, klar. Einfach machen. Schon nach drei Kilometern steht der erste optionale Anstieg an, der dem Zeitmangel am Einrollsamstag zum Opfer gefallene
Puig de Santa Magdalena, der Hausberg Incas. Entspannte 180 Höhenmeter, wunderschön trassiert durch einen Olivenhain, mit auch heute tollen Blicken über die Insel. Es ist zwar diesig, aber dennoch können wir die Silhouette des
Puig de Randa sehen, und die Bucht von Alcudia mit dem
Cap de Formentor vor uns im Dunst - da wollen wir hin!
Wir müssen ziemlich gegen den Wind ankämpfen, aber macht nichts, weil wir unsere Lok Simon in den Wind spannen, kurzfristig abgelöst durch alle anderen Mitfahrer (m). Über Campanet fahren wir, noch ohne Rennradhorden im Gegenverkehr, über den Camí vell de Pollenca. Ab der Hauptstraße folgen wir weiter dem Radweg durch die Steingärten, was nur eine bedingt gelungene Entscheidung ist, denn die uns hier entgegenkommenden Horden nehmen die ganze Straßenbreite ein. Ohje!
Aber wir schaffen es kollisionsfrei bis Port de Pollenca, wo wir an der Strandpromenade durch die hoch aufspritzende Gischt fahren. Und schon befinden wir uns im Anstieg zum Coll de la Creueta, dem forderndsten Teilabschnitt zum Cap Formentor. Eine Gruppe Handbiker aus dem Tessin erntet unseren vollen Respekt. Als wir kurz darauf einen Platten zu verarzten haben, tauschen wir uns noch kurz aus - so beeindruckend!
Am Hochpunkt (mit Zugang zum Mirador de Mal Pas), fahren wir ohne Stopp weiter Richtung
Talaia d'Albercutx. Simon muss alles mitnehmen, Boris, Raphael, Wolfgang und Joachim lassen sich nicht zweimal bitten. Ich war erst einmal oben. Schon damals haben mich die Blicke in beide Richtungen hinunter zum Meer beeindruckt. Heute wieder. Und diese Stille! Hier fährt auf einmal niemand mehr. Klar, der Belag lässt zu wünschen übrig. Die Böen fegen uns fast vom Rad, aber glücklicherweise halten alle den Lenker fest. Oben markiert ein wenig anheimelnder Unterstand den Hochpunkt. Eine Steintreppe führt hinauf zum Turm, Wolfgang, Raphael und Simon seilen sich an und wagen gemeinsam mit mir den Aufstieg. So toll! Fantastische Ausblicke zum Col de Creueta, zum Mirador und die Bucht. So schön! Klare Empfehlung. Der
Talaia d'Albercutx ist die
Cime de la Bonette Mallorcas.
Auf dem Weg runter werden wir nochmals beinah vom Rad gefegt, Raphael legt eine Safety-Phase ein, weil er fürchtet, dass ihm der Wind die Brille vom Kopf fegt. Schon heftig. Ab dem Parkplatz vom Plaja de Formentor, nach der Abfahrt vom Creueta, wird wieder gedrückt, was das Zeug hält. Puh... Hier passieren wir auch eine erste Barriere, die aber noch Fahrzeuge passieren lässt. Weit hinter dem Tunnel erst ist der Weg zum Cap derzeit voll für Motorfahrzeuge gesperrt, weil am Leuchtturm gebaut wird. Vor dieser Barriere: Verkehrsinfarkt. Nichts geht mir, die Autos können weder vor noch zurück.
Wir aber fahren weiter, der Wind ist weiterhin stark. Toms entspannte Gruppe kommt uns entgegen und warnt uns vor dem weiteren Abschnitt. Auch sie hat es fast vom Rad gefegt. So schön hier! Und tatsächlich gefährlich, hauptsächlich wegen der vielen Radfahrer, die ihren Untersatz nicht alle unter Kontrolle haben bei diesen Bedingungen. Aber wir kommen gesund ans Cap. Paul hatte uns schon vorgewarnt, dass das Café geschlossen hat, und tatsächlich ist das Portal versperrt. Macht nichts, dann essen wir in Port de Pollenca!
Die Befahrung des Cap Formentor weist im Pässelexikon 18 km und 487 Höhenmeter aus. Pillepalle! Faktisch bedeutet es aber das doppelte, nämlich 36 km und 974 Höhenmeter. Nicht mehr ganz so pillepalle, vor allem, auch schon ohne die Stichstraße zum
Talaia d'Albercutx, die zugegebenermaßen nicht mehr ganz so viel beisteuert, nämlich nur 150 Höhenmeter. Dennoch sind wir uns alle einig, dass wir jetzt langsam was zu essen brauchen. Schnell ist die beste Bäckerei Port de Pollencas aufgetan, in der genau kein weiterer Radfahrer sitzt. Zugegebenermaßen befindet sie sich auch an der hässlichsten Straßenkreuzung der Stadt. Macht aber nichts, irgendwann sind alle sieben Radfahrer bedient und insgesamt auch relativ schnell mit tatsächlich ziemlich guten Backwaren gesättigt, so dass wir uns (wenn auch nur durch die effizientere Boxenstoppstrategie) endlich an den beiden anderen Gruppen vorbeischieben.
Nun ist der
Coll de Femenia keine große Hürde mehr. Aber die Jungs (m) drücken schon wieder so! Ich mag den Anstieg, und ich mag die verwitterten Felsen zur Linken. Ich mag auch den Blick auf den Puig Major im weiteren Verlauf, der versteckt sich allerdings heute in den Wolken.
Am
Coll de Sa Bataia entscheiden wir uns kältebedingt gegen den folkloristisch notwendigen Café und stürzen uns in die tolle Abfahrt nach Caimari. Und schon sind wir, um kurz nach drei, wieder am Hotel, trocken! Wir sind trocken geblieben!
Und haben alles raus geholt, aus diesem schönen Tag auf Mallorca!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Cap Formentor ist Pflicht. Die herrliche Küstenstraße, die bis an die Nordspitze der Serra de Tramuntana führt, gehört zum absoluten Pflichtprogramm eines Mallorca-Aufenthalts, und so haken wir dieses Highlight gleich auf der ersten regulären Etappe ab. Auf Nebenstraßen fahren wir über Campanet an Pollenca vorbei, durch den Port de Pollenca und dann zum sagenhaften Cap Formentor. Dort angekommen haben wir gerade mal ein Drittel der Höhenmeter absolviert. Auf der gleichen Strecke geht es zurück bis Port de Pollenca, und dann fahren wir direkt hinein in die Sierra de Tramuntana. Über den Coll de Femenia erreichen wir den berühmten Coll de Sa Bataia ("die Tankstelle") und fahren in einer rauschenden Abfahrt hinab nach Caimari und zurück nach Inca.