08.04.2019,
majortom:
Das Versprechen von elf Sonnenstunden hatten wir ja schon für den gestrigen Tag gegeben. Und so verwundert es angesichts des gestrigen Nieselregens auf den ersten 3,7 Kilometern auch nicht, dass trotz übereinstimmender Wetterprognosen verschiedenster Apps die ligurische Frühlingssonne erst geglaubt wird, als sie auch beim Start auf eine kleine Ecke des Parkplatzes schaut, auf die sich 14 vor Tatendrang strotzende Rennradfahrer drängen. (Einen erkältungsbedingten Ausfall haben wir leider zu beklagen - Gute Besserung!)
Ein Frühlingstag in den Alpen steht heute auf dem Programm. Mit dem Colle Caprauna geht es auf fast 1400 m Höhe, und das ausgehend vom Meer. 1375 Höhenmeter am Stück also. (Unter der Annahme, dass wir mit der Hinterradnabe in der Brandung starten, was wir natürlich nicht tun. Aber es klingt gut.) Heute gönnt uns Streckenchef und Local Hero Henner immerhin knapp 20 Kilometer einrollen, die entlang des in der Morgensonne strahlenden Mittelmeers natürlich mit vollen Zügen genossen werden. Der Nupsi nach Albenga wird erbarmungslos weggequetscht, die Vespa- und Fiat-Panda-Fahrer im leicht anarchistischen Straßenverkehr Albengas in ihre Schranken verwiesen. Und so sind wir auch schnell wieder aus dem Ort raus und cruisen das Tal hinauf, das uns letztendlich zum Colle Caprauna führen wird.
Bald schon ist es wieder so, wie wir es an Ligurien lieben. Grüne Hänge, die schneebedeckten Alpengipfel am Horizont, eine Straße ohne Verkehr und malerische ligurische Bergdörfer. 28 Kilometer Freigabe ab der Kreuzung; es beginnt ganz harmlos, wird dann aber peu à peu auch mal steiler. Unsere Spitzenfahrer Matthias und Andreas warten hin und wieder mal auf den Rest der Gruppe, zu groß ist wohl der Respekt von einer ausgedehnten Wartezeit auf der Passhöhe. Immer mehr Serpentinen überraschen uns im oberen Teil. Keine Spur mehr von der mediterranen Vegetation der Küstenzone. Hier oben ist es alpin. Noch alpiner ist dann tatsächlich das mehr als fantastische Panorma von der Passhöhe auf die schneebedeckten Alpen. Henner hat nicht zu viel versprochen.
Tatsächlich ist es kalt auf der Passhöhe, und ich gebe die Abfahrt nach Garessio frei, obwohl noch nicht alle oben sind. Eine schöne Abfahrt, zumindest bis zur Einmündung ins Tal, wo sich dann zunehmender Gegenwind anschickt, unsere Laune zu trüben. Natürlich ohne Erfolg, denn die Euphorie ist nach wie vor groß, obwohl sich nun auch die ersten knurrenden Mägen melden. Mittagspause ist in Garessio geplant, und da sich unsere Gruppe in der Abfahrt zersplittert hat, kehren wir nun in zwei verschiedenen Locations ein. Seis drum, alle bekommen leckere Panini, und auch das Timing ist perfekt: Als Teilgruppe zwei Teilgruppe eins abholen möchte, kommen sie in derselben Sekunde gerade aus ihrer Bar heraus.
Sechs Kilometer zum Colle San Bernardo sind dann natürlich keine wirkliche Herausforderung mehr, auch wenn immer mehr Wolken aufziehen, und der Spitzengruppe an der Passhöhe auch der kalte Wind zu schaffen macht. Aber es ist eine schön trassierte Passstraße mit schönen Ausblicken auf die verschneiten Berge ringsum. Noch schöner ist die Abfahrt, kurz hinter der Grenze vom Piemont zurück nach Ligurien sogar auf frisch asphaltierter Straße (eine Wohltat). Trotz mehrerer kleiner Wellen wird die Abfahrt souverän gemeistert, und es stehen nur noch 18 km heimrollen auf dem Programm.
Also nochmal durch Albenga durch, auf die Küstenstraße, über den Nupsi und ab in die liebgewonnene Bar an der Strandpromenade.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Das Colle Caprauna ist einer der höchsten Übergänge der ligurische Küsten und bietet eine phantastische Aussicht von der Passhöhe auf die letzten Alpenausläufer. Zunächst aber müssen wir den Anfang des eigentlichen Passes erst über Alassio, danach das für Ligurien untypische, topfebene Albenga und schlussendlich durch das gefühlt unendlich lange und heimtückisch leicht ansteigende Tal des Rio Pennavairo erreichen. Wird sind fast erleichtert, als es bei Nasino übergangslos von der Horizontalen in die Vertikale übergeht. Abwechslungsreich geht es nach oben, am aussichtsreichen Dorf Alto vorbei bis zum Panoramablick von der Passhöhe. Nicht umsonst hat man hier eine Rastmöglichkeit eingerichtet, die den müden Radfahrer magnetisch anziehen wird. Die Unentwegten rasen aber gleich die teilweise etwas holprige Abfahrt nach Norden hinunter und am knackigen aber kurzen Gegenanstieg vor Prale zeigt es sich, wer noch Strom in den Beinen hat.
An der Kreuzung von Cantarana angekommen hat man die Wahl der Qual: links kann man für wenig mehr als 100 Höhenmeter einen der bekanntesten und wichtigsten Ligurienübergänge einkaufen und von dort über Pieve di Teco, Albenga und Alassio ins Hotel zurückkehren während es wesentlich anstrengender aber sehr lohnend hinunter nach Garessio und von dort über das Colle San Bernardo die genauso lange wie schöne Abfahrt nach Albenga hinunter geht. Ein Muss ist bei dieser Variante der Abstecher zur Kaffeepause im authentischen mittelalterlichen Borgo von Zuccarello. So gestärkt vergehen die letzten KiIometer über Albenga und Alassio wie im Fluge.