06.04.2019,
majortom:
Endlich wieder Ligurien! Die Vorfreude war groß, nachdem ich Anfang des Jahres eine spontane Rochade meiner geplanten Reisen durchgeführt habe und somit den letzten noch vakanten Guide-Posten für unsere Rennradwoche in Laigueglia ergattert hatte. 2010 bin ich zuletzt zum Radfahren in Ligurien gewesen, jetzt also nach langer Pause wieder Sonne, Meer und Berge in Italien.
Und so übernehmen ab heute Henner, Olivier und ich den Staffelstab von Jan, Silvi und Paul aus Chiavari. Es geht nahtlos weiter mit der Ligurien-Berichterstattung. Die Ponente genannte Region westlich von Genua hat von Initiator und Streckenplaner Henner so viele Vorschusslorbeeren bekommen, dass die Messlatte immens hoch liegt. Nach der Einrollrunde bin ich geneigt, ihm prophylaktisch zuzustimmen: und steht eine grandiose Rennradwoche bevor.
Wir reflektieren also, solange im Hotel der Aperitiv serviert wird. Ein gemütlicher Vormittag, ein leckeres Panino am Meer zum Mittag, und dann um 14 Uhr der langersehnte Start in die Woche mit der knapp 70 km langen Einrollrunde. Urlaubsstimmung, als wir die ersten drei Kilometer flach am Meer entlang cruisen, auf der Aurelia nach Norden. Doch schon in Alassio wird es ernst. 400 Höhenmeter hinauf zur Testico-Kammstraße stehen auf dem Programm. Die erste Freigabe unserer Woche. "Freigabe?" vergewissert sich Matthias, der von hinten zu mir heranrollt. "Das heißt nicht, dass du Vollgas fahren
musst", sage ich, doch da hat er schon das Tempo erhöht und ist auf und davon. Zuhause hat er nur Flachland, erklärt er mir später, also will er die Berge auch ausnutzen. Das restliche Peloton meiner entspannten Gruppe verspürt deutlich weniger Druck, und wir fahren gemächlich hoch, verlassen den Ort, der sich weit den Hang hinauf zieht, genießen die Ausblicke zum Meer, die schmaler werdende Staße, die beginnende ligurische Bergwelt. Das ist Ligurien: sobald man die Küstenzone verlässt, ist man sofort in völliger Einsamkeit unterwegs. Die uns begegnenden Autos wird man nun bis zum Etappenende an einer Hand abzählen können. Nun ja, fast...
Der Anstieg ist bewältigt, Matthias wieder eingefangen, und wir cruisen nun über die wunderschöne Höhenstraße, die uns tiefer in die Bergwelt hinein führt. Ausblicke rechts, Ausblicke links, blühender Thymian und Salbei am Straßenrand. Eine wunderbare ligurische Idylle, auch wenn inzwischen der Himmel komplett zugezogen ist und es nun doch ein wenig kalt wird. Wir passieren Testico und sind somit im zweiten Anstieg des Tages zum Passo die Genestro, auch dieser sehr gemütlich zu fahren. Es macht Spaß.
Wir haben den höchsten Punkt des Tages erreicht, und alles was die Trikottaschen und Rucksäcke hergeben wird angezogen für die Abfahrt nach Garlenda. Eine schöne Straße durch Olivenhaine, auch wenn der doch recht holprige Asphalt keine Höchstgeschwindigkeiten zulässt. Macht nichts. In Garlenda hat sich Henner vor einem
aimentari positioniert und wartet auf uns. Die sportive und die ausdauernde Gruppe wurden zusammengelegt und Olivier anvertraut, und Henner bietet sich an, diejenigen, die den letzten Anstieg zurück zur Kammstraße nicht mehr fahren möchten, höhenmeterneutral über Albenga zurück ins Hotel zu geleiten. Doch er hat die Rechnung ohne den Wirt gemacht, denn Kneifen kommt für die entspannte Gruppe nicht in Frage. Wir sind schließlich zum Radfahren hier.
Der namenlose Pass an der Kammstraße ist der für mich schönste Anstieg des Tages. Eine schön trassierte Straße, tolle Ausblicke bis zum Meer, und vor allem die absolute Einsamkeit des ligurischen Hinterlands. Ein Traum. Henner fährt vor, also schließe ich mich dem Grupetto an und kurbele schön langsam hinauf. Oben kreuzt sich dann die Acht. "Ah, das ist hier, wo wir vorhin nicht abfahren sind...", stellt die Gruppe fest. Stimmt. Wir fahren auf der anderen Seite des Kamms ab, auf steiler holpriger Abfahrt. "Hier können wir Windschatten fahren", sagt Henner unten im Tal. Viel fehlt nicht mehr, und er spannt sich vor das Feld, bricht für uns den Wind, während ich nach hinten absichere.
So erreichen wir Andora und haben nur noch einen letzten Nupsi entlang der Aurelia bis nach Laigueglia zu bewältigen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Wie auf jeder Quäldich-Reise steht am ersten Tag die Einrollrunde auf dem Programm - in unserem Fall wartet schon ein echtes Highlight der ligurischen Küste auf uns: die Kammstrasse von Testico. Zunächst verlassen wir jedoch unser Hotel, um uns auf der Staatsstraße 1, der berühmten Aurelia, dem Meer entlang warmzufahren. Das dauert nicht allzu lange, da es in Alassio schon stramm hoch nach Moglio geht, wo die Kammstrasse nach Testico beginnt. Immer mehr oder weniger eben geht es auf knapp 500m dem scharfen Grat entlang, der die Täler der Wildbäche Merula und Lerrone trennt. Die Straße wurde umsichtigerweise auf der sonnigen Seite gebaut, und es geht es mit viel Flow voran, in regelmässigen Abständen wird der Blick auf die Ebene von Albenga im Osten und dem im Frühjahr meist noch schneebedeckten Alpenhauptkamm im Norden frei. In Testico angekommen beginnt die letzte gemütliche Steigung zum Passo di Ginestro, der angesichts der hier herrschenden Vegetation seinen Namen voll verdient. Geradeaus geht es in das Hinterland von Imperia, wir biegen aber heute rechts ab und geniessen die lange Abfahrt nach Garlenda. Es geht schnell und ohne Gegenanstiege durch die für Ligurien so typischen Olivenhaine hinunter. In Garlenda gibt es eine ebene Fluchtmöglichkeit über Albenga zurück nach Laigueglia, während die Ausdauernden noch eine Zahn ins Höhenprofil einbauen können und die sehr angenehm zu fahrenden Auffahrt zur Kammstrasse nehmen und sich auf der anderen, wesentlich steileren, Seite hinunter nach Stellanello stürzen. Dort angekommen geht die Weiterfahrt nach Andora und von dort auf der Aurelia fast wie von alleine vonstatten....