11.04.2019,
majortom:
365 giorni di sport. So plakatiert unser Nachbarort Andora, plakativ sozusagen, einen durchaus inspirierenden Slogan an seinem Ortseingang. 365 Tage Sport im Jahr. Voraussetzung dafür: du darfst keinen einzigen auslassen!
Und so kommt natürlich nicht in Frage, dass wir heute komplett die Beine hochlegen. Zwar schrumpft das regenfreie Zeitfenster in der Prognose sukzessive zusammen. Gestern Abend wurde uns noch ein Window of Opportunity bis 13 Uhr vorausgesagt, was die reguläre Ruhetagsrunde von 70 km erlaubt hätte. Beim Aufstehen ist die Regendeadline dann auf 11 Uhr vorgerückt, und noch während des Frühstücks sind wir bei 9 Uhr. Das Zwischentief breitet sich von Osten her aus, und es gibt keine Ausweichstrategie. Doch das Zwischentief hat die Rechnung ohne Streckenchef Henner gemacht, der für jedes Zeitfenster eine passende Alternative aus dem Hut zaubert. Der Plan für heute also: Das Colla Michieri-triplo. Club des Cinglés de Colla Michieri sozusagen.
Auf 8.45 Uhr haben wir den Start terminiert, der Kompromiss zwischen rechtzeitig loskommen und stressfrei frühstücken. Bislang geht der Plan auf, denn wir kommen im trockenen los. "Einrollen nach Andora", gibt Henner als Devise aus, wobei sich das recht schwierig gestaltet, als er noch auf der Promenade von Laigueglia das Tempo auf 38 erhöht. Natürlich. Auf kurzen Etappen wird gleich von Anfang an Rennrad gefahren.
Also über den Hügel nach Andora und den Motor auf Betriebstemperatur bringen. Henner und Olivier natürlich vorweg, Wolfi versucht dranzubleiben, Andreas, Martin und ich bilden das Grupetto. Immerhin drei Mitfahrer konnten wir motivieren. Betreuungsschlüssel heute eins zu eins. Auf Trüffelschweinpfaden lotst und Henner dann durch Andora, zielstrebig in die erste Auffahrt nach Colla Michieri. Wir kennen sie inzwischen schon (fast) alle, denn Colla Michieri geht immer! Schon bald darauf ist der Betreuungsschlüssel Geschichte. Henner und Olivier erhöhen das Tempo und bilden eine Spitzengruppe, für uns anderen geht es nur noch um
best of the rest. Egal. Schließlich stehen wir alle oben an der Passhöhe (wenn man das denn so nennen kann), inzwischen hat der Regen eingesetzt, die Straßen sind nass und glitschig.
„Die steile Rampe machen wir aber schon noch“ verkünde ich großspurig und ernte keinen Widerspruch. Allerdings Skepsis, als wir schon in der Abfahrt eine unglaublich steile Straße sehen. Wirklich einladend sieht das nicht aus. Traktionsprobleme sind vorauszusehen, um es mal vorsichtig zu formulieren. Aber Henner sticht los, Olivier hinterher, also gibt es kein zurück mehr. Wie hoch mag die Steigung hier sein? Jenseits der 20 Prozent? Egal, jedenfalls heißt es quetschen, was das Zeug hält. Wolfi zieht davon, von hinten drückt Martin vorbei. Eigentlich müsste das ja mein Terrain sein, schließlich ist das Frühjahrsklassiker-Revier ja meine Heimat. Auch nicht schlimmer als der Keutenberg, versuche ich mich zu motivieren. Korrekt wäre (wie mir kurz darauf klar wird): auch nicht schlimmer als Keutenberg, Côte de Stockeu und Mur de Huy direkt hintereinander. Aber ich bin schon am Maximum. Als letzter keuche ich oben an. Colla Michieri doppio schonmal erledigt.
Da der Regen immer stärker wird, entschließen wir uns gegen den Club des Cinglés und wollen direkt zurück ins Hotel. Mit Olivier fahre ich noch über Andora zurück, um dort das „365 giorni“-Schild zu fotografieren. Machen wir auch. Epilog: leider stelle ich erst im Hotel fest, dass keine Speicherkarte im Foto war. Sorry, Olivier!
Inzwischen regnet es richtig. Für heute reicht es. Morgen können wir voraussichtlich nochmal eine lange und schöne Etappe fahren. So oder so, die Ligurien-Woche ist auch jetzt schon ein großartiges Erlebnis.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Der Ruhetag führt von Laigueglia über Andora und Stellanello nach Testico und weiter zum Passo di Ginestro und dann panoramareich über Cesio nach Diano Arentino. Mit 70 km und 1000 Höhenmeter verdient diese Etappe den Namen Ruhetag und bietet viele Genuss mit Meeresblick.