Diesen tollen Beitrag aus dem Peloton verdanken wir unserem Sportreporter par excellence, Valentin. Herzlichen Dank!!!
Das erste mal auf unserer Reise scheint uns Petrus nicht wohlgesonnen. Schon bei der obligatorischen Etappenvorstellung am Vorabend zwischen Hauptgang und Dessert wurde daher entschieden: der Col d‘ Izoire fällt aus dem Programm. Bei zu erwartenden Temperaturen um die 5 Grad und allfälligem Starkregen wäre die Abfahrt ein zu heisses, oder eher einfrierendes Unterfangen. Ein Auge weint, doch das vernünftige bleibt trocken.
Und schon am nächsten Morgen zweifelt niemand mehr an dieser Entscheidung. Regen ist angesagt und so werden aus den Tiefen des Reisegepäcks die Wunderwaffen der wärmenden und wasserabweisenden Materialien für die Haut des Sportlers hervorgebracht. Die Stimmung ist trotz des nassen Wetters positiv aufgeladen; irgendwie scheinen alle zu wissen: eine epochale Regenetappe gehört zu einer Grand Tour durch die Alpen auch mal dazu.
Wir rollen die ersten knapp 50 Kilometer, mal leicht bergauf, dann wieder runter, durch Briançon, vorbei an der Abzweigung zum Col d‘ Izoire, in Richtung Guillestre. Die Bremsen also schon mal im Nassen eingebremst, den Körper, nach fast einer Woche Hochsommer, an den Temperatursturz gewohnt und das Material auf Herz und Nieren getestet, gibt es in Guillestre eine kleine Zwischenverpflegung. Eine Banane und eine Hand voll Gummibärchen sogenannter (,,marginal gains“) sollten für den Aufstieg reichen. Wer möchte kann noch Kekse, Salzstangen und weitere Müsliriegel tanken, jedoch immer im Bewusstsein: am Berg zählt jedes Gramm.
So begeben wir uns in den Aufstieg zum Col de Vars. Der Berg liegt im Nebel und die Sicht reicht teilweise nur bis zur nächsten Kehre. Mit 19km Gesamtlänge und 5,8% Steigung im Durchschnitt scheint dieser Pass nicht allzu mächtig wie der z.B. gestern bezwungene Galibier, sollte jedoch nicht unterschätzt werden. Der Nebel und die immer wieder einsetzende Regenfälle tun der aufgeregten Stimmung ihr Übriges bei. Da ist mal eine 12% Rampe, die richtig weh tut und nach der nächsten Kurve ein flacheres Stück, einen Rhythmus zu finden ist schwierig. Durch den Nebel ist kaum etwas vom Bergpanorama zu sehen, gerade diese Ambience macht die Auffahrt aber auch irgendwie episch.
Oben treffen wir uns, die wir einzeln angekommen sind, und bilden spontan Gruppen für die Abfahrt. Schnell wieder rein in die Regenjacke, die langen Handschuhe an und ein kleiner Plausch mit einer anderen Radgruppe aus dem Saarland.
Bei guten Wetterbedingungen eine schnelle und eher einfache Abfahrt auf guten Belag, gestaltet sich das Unterfangen bei strömendem Regen und dichtem Nebel etwas herausfordernder. Dafür ist Radsport wiederum ein Mannschaftssport, und im Tross unserer Reise sind auch gute Abfahrtsspezialisten vertreten. Das Rücklicht des Vorderen immer im Blick, nicht riskant sondern routiniert, führen zwei der eidgenössischen Fahrer die vorderen der Gruppe durch die Abfahrt. Der Radsportler erkennt: diese zwei beherrschen sowohl ihre Maschine, als auch die nasse Straße. Jede Kurve wird in bester Linie genommen, die Erfahrung aus der bergigen Schweiz zahlt sich aus.
Im ersten Teil der Abfahrt kann gut gerollt, im zweiten Teil muss etwas getreten werden, was aber bei einsetzender Kälte an den Gliedmaßen, bedingt durch Starkregen und Wind, als willkommene Herausforderung angenommen wird. Ausserdem verirren sich kaum motorisierte Verkehrsteilnehmer auf den Pass,Wetter zum Vorschein: es ist sehr wenig Verkehr. Das Hotel mit einer warmen Dusche ist unser Sehnsuchtsort und so nähern wir uns in gleichmäßiger, guten Geschwindigkeit über die Straße des Ubaye-Tals unserer Unterkunft in Jausiers, wo Sisa uns sogar mit einem Nachmittagssnack am Bus überrascht. Alle haben es unbeschadet ins Ziel geschafft, lediglich die jetzt rutschige Treppe im Hotel macht einem Teilnehmer noch einen Strich durch die Rechnung: Gerade noch mit blauer Pobacke davongekommen…
So verbringen wir den Abend am Fuß des Col de la Bonette, welcher morgen die letzte grosse Hürde auf unserem Weg nach Nizza darstellt. Doch wer bis hierher gefahren ist, der wird es auch bis ans Mittelmeer schaffen.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Weiter folgen wir der Route des Grandes Alpes nach Süden; zwei Pässe müssen dabei heute bezwungen werden. Der Anstieg zum Col d'Izoard beginnt direkt in Briançon, so dass die Beine schnell auf Hochtouren kommen müssen. Dafür können wir nun spüren, dass wir so langsam in den Süden kommen, die Gegend wird trockener und mediterraner. Am Col d'Izoard sollte man sich dann nicht allzu schnell in die Abfahrt stürzen, denn die verwitterte Landschaft auf der Südseite, Casse Déserte genannt, will entsprechend gewürdigt werden. Die Abfahrt führt uns bis nach Guillestre, wo es nahtlos in den zweiten Anstieg des Tages über geht: den Col de Vars. Dieser wird auf der Route des Grandes Alpes immer nur als Übergangspass angesehen, da der Skiort Vars nicht gerade schön ist, doch mehr als 1000 Höhenmeter wollen überwunden werden, so dass man ihn nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Dann erreichen wir das Ubaye-Tal und können bis zum Etappenort Jausiers gemütlich ausrollen lassen.