16.06.2022,
majortom:
Gestern noch musste der quäldich-Leser auf einen Tagesbericht aus den Dolomiten verzichten, und der Grund dafür ist mitnichten der Müßiggang des Berichterstatters oder eine aperolschwangere Geburtstagsparty am quäldich-Cruiser, sondern einzig und allein die Tatsache, dass wir Hagen für den
Alto de l'Angliru bei seiner
Asturien-Rundfahrt die volle Aufmerksamkeit lassen wollten. Heute sind wir jedoch wieder mit vollem Enthusiasmus dabei und berichten von der fünften Etappe. Einer Etappe en ligne von Canazei nach Cortina d'Ampezzo, was einigermaßen schwer fällt, haben wir unser Hotel in Canazei und die ausgezeichneten Schweinebacke-Menus dort doch eindeutig lieb gewonnen. Doch nach zwei Nächten in Canazei werden nun die Karten neu gemischt.
17 Kilometer geschenkt bekommt man nicht jeden Tag zum Auftakt der Etappe, und so rauschen wir euphorisiert aber auch demütig am Morgen das Val di Fassa hinab bis Moena. Irgendwo unterwegs stellen wir noch eine belgische Rennradgruppe und ziehen in einer kurzen Gegenwelle gnadenlos an ihnen vorbei, doch fällt es ihnen im abfallenden Terrain natürlich nicht schwer, den Kontakt zu uns zu halten. Was dann die Aufgabe für den ersten Pass des Tages, den
Passo di San Pellegrino gewissermaßen vorgibt. quäldich vs. Frittenequipe. Als der Tony Martin von Gruppe 2 habe ich zu diesem Zeitpunkt mit der Tempoarbeit im Flachstück meine Aufgabe fürs Team längst erledigt, und ich zögere nicht lange, mich ins Grupetto zurückfallen zu lassen und lediglich die Rouleure der Belgier noch mit dem einen oder anderen Nadelstich zu piesacken. An der Spitze des Feldes hat unsere deutsch-kolumbianische Allianz sich der Aufgabe angenommen, und souverän werden die Belgier (zumindest nach mir zugetragenen Berichten) versägt. "Von denen konnte eh nur einer was, und der auch nicht wirklich", berichtet der
Interims-Kulturattaché später. Dazu ist natürlich auch noch zu sagen, dass der San Pellegrino auch ganz hübsch ist, wirklich beeindruckend aber erst an der Passhöhe und in der Abfahrt.
Apropos Abfahrt: Vorbereitung ist alles, und so kennen wir bereits von der dritten Etappe den Tunnel vor Cencenighe Agordino beziehungsweise dessen Umfahrung, als auch die Schotter-Umfahrung des Tunnelumfahrungstunnels. Auch das anschließende Teilstück zur Mittagsverpflegung bei Sylvia in Massarè ist bestens bekannt; in souveräner Manier hat sich Sylvia denselben Parkplatz wie vor zwei Tagen gesichert, und das gewohnt oppluente Buffet erwartet uns. Sensationell.
Beim Essen werden Geschichten und Gerüchte über den nun bevorstehenden
Passo di Giau ausgetauscht. "Ein Bekannter, der viele Radmarathons fährt, hält ihn für viel anspruchsvoller als den Fedaia", gibt Oliver zu bedenken. Lothar kontert: "Der ist zwar durchgängig steil, hat aber keine so fiesen Rampen." Ich selbst muss in Erinnerungen kramen, die aus
dem Jahr 2005 stammen; so lange ist es nämlich her, dass ich den Giau gefahren bin. Wir sind damals mit Gepäck oben angekommen, und es war der dritte Pass des Tages. Meine Diagnose also: machbar.
Sechs flache Kilometer, und wir sind im Vorgeplänkel nach Selva di Cadore. Die schlecht beleuchteten Tunnels standen schändlicherweise nicht im Team-Briefing (Minuspunkte für den Organisator), aber wir quetschen souverän nach oben und freuen uns auf die eigentliche Passauffahrt mit 900 Höhenmetern auf 10 Kilometern (Pluspunkte für die Gruppe!). Ein hartes Stück Arbeit wie erwartet, insbesondere mit einer doch recht steilen Rampe zu Beginn. Während im unteren Drittel nochmal die Sonne scheint, zieht es dann leider mehr und mehr zu, und die umgebenden Dolomitengipfel verschwimmen immer mehr. Dennoch ist vor allem der letzte Teil im offenen Gelände wirklich schön, und der Giau darf im Schatten der Sellarunden-Pässe zurecht als Geheimtipp gelten.
Als die letzten Fahrer die Passhöhe erreichen, beginnt es zu nieseln, und von hinten rückt eine Regenwand heran. Schnell scheuche ich unsere Equipe in die Abfahrt, sobald alle Regenjacken angezogen sind. Um richtig nass zu werden, reicht der Regen jedoch nicht aus, und so rollen wir schon bald in Pocol ein. Fünfte Etappe beendet. Yeah! Splittergruppen fahren noch auf ein Eis nach Cortina (was zurück ca. 340 Hm bedeutet) oder die Erweiterungsoption zum
Rifugio Cinque Torri.
Morgen warten dann die Drei Zinnen auf dem Weg ins Val Badia.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung.
Nach zwei Nächten verlassen wir Canazei und wenden uns zunächst nach Südwesten, das Fassa-Tal hinunter. So gelangen wir nach 15 Kilometern gemütlichem Einrollen nach Moena, wo die Auffahrt zum Passo di San Pellegrino beginnt. Es ist ein nicht ganz so harter Pass, was ja nach den Strapazen der letzten Tage auch mal ganz schön ist. Teile der Abfahrt und dem anschließenden Rollen im Tal kennen wir dann schon von vorgestern, doch zum Schluss wartet nochmal ein Highlight auf uns. Der einsame Passo Giau bietet abermals herrliche Dolomiten-Panoramen, und auch die felsige Abfahrt nach Cortina d'Ampezzo, wo wir das Nachtlager beziehen, kann sich sehen lassen.