Wir bemühen jetzt nicht den zweitklassigen Spruch, ob es denn schon wieder Weihnach… - nein: Wir legen einfach einen drauf und fest, dass in Rennradspanien Weihnachten und Ostern gelegentlich und spektakulär zusammenfallen. Also fix die Koffer gepackt und hoch hinaus in Spaniens Norden. Nicht in die Pyrenäen, sondern in die Kantabrische Kordillere – diesen für die mitteleuropäische Rennradwelt doch recht großen weißen Fleck auf der Landkarte (obwohl ja gerade Bilbao unkompliziert und direkt von Deutschland aus ansteuerbar ist). Schauen wir also, was sich hinter den nächsten beiden Kalender-Türchen zu Portillo de la Sía und Estacas de Trueba so verbirgt…
Nur gut 90km westlich von der baskischen Boomcity Bilbao – eine hübsche Aufwärmetappe also – erwartet uns … nicht viel. Auf den ersten Blick. Knapp 2000m hohe Bergzüge. Steil und grün ragen sie vom der Bizkaya kommend auf. Kleine Bergdörfer. Bevölkerungsschwund. Jobs? Landwirtschaft, Autoschraubereien, Forst. Eine dünn gesäte touristische Infrastruktur nur wenige Kilometer vom brodelnden Küstenstreifen entfernt. Die Unterkünfte sind hier kleiner (und so manche posada wie diese hier von Emilio auch feiner), die wenigen Bars zuverlässig geöffnet. Kein Passjunkie muss hier darben!
Ob Baskenland, Kantabrien oder Asturien – eins ist sicher: Dieses Land ist Rennrad-Land. Egal, wie das Wetter ist, die Kette liegt stramm. Die Beflissenen wissen: Hier, wo die die Ortsnamen und Radbekleidungsmarken unaussprechlich sind, wurde der spanische Radsport geboren. Hier wird auch bei Regen gefahren (denn die nächste Bar hat ja auf und die Dusche verzieht sich meist doch recht schnell). Wir klicken ein – und verlieren kurz darauf den Kampf mit der Dichtmilch – die Felge macht fortan einen auf funky Weihnachtsbaum:
Gleich hinter Ramales folgen wir dem Asón bis zu seinem Quell-Wasserfall und dürfen an der ersten Passmarke anschlagen. Die Wolken vom gestrigen Sturzregen, bei dem es auch kurz mal in den Wintergarten der Herberge tröpfelte, hängen noch tief. Wir kurbeln weiter, Flechten ummanteln die kleinen Stieleichen. Es gibt hier nur die 4m breite Straße, 10 Autos pro Stunde, keine Orte und uns. Willst Du mit Dir selbst mal wieder ins Reine kommen – das ist Dein Berg: Meditative 5-8%, der Puls arbeitet sich langsam nach oben, Sichtweiten von 50m. Und all das nur für diesen königlichen Moment des Durchbrechens der Wolkendecke kurz vor dem Gipfel des Portillo de la Sía. Oben auf 1250m gibt´s sobaos und leche frita (also trikottaschentauglichen lokalen Süßkram). Nicht gesund, aber authentisch!
Es wäre doch zu schade, wenn sich nach der Abfahrt nun gleich der Estacas de Trueba in den Weg legen würde. Unser local hero Emilio hatte uns gestern in der Herberge wärmstens ans Herz gelegt, den Trueba von der Nordseite zu fahren – denn nur so kämen wir vorab in den Genuss der "Göttlichen Kurve" hinter dem nächsten Zwischenpass (Lunada) und zwei weiteren „Wellen“, bevor es dann die klassische Nordseite von Vega de Paz hinaufginge. Seine Definition von Wellen ist dann zwar doch eine andere als die unsere, aber die Kurve hat durchaus Charisma:
Unten in Vega hat natürlich die sidrería auf – wir entscheiden aber, uns erst den Portillo de las Estacas de Trueba und dann erst im Tagesziel in Espinosa den vergorenen Apfelsaft einzuhelfen. Gut so, denn alsbald sind wir freudetrunken mitten in den schottischen Highlands, auf Irland oder sonst wo – aber doch nicht in Nordspanien?! - Gut 800m über Vega halten wir am Gipfel der letzten Klettersession des Tages inne: Könnte es irgendwo besser sein? Irgendwann? Irgendwie? Und wenn, wo in Spaniens Norden wäre das?
So grün kann Spanien nicht sein? So verkehrsfrei? Und cidre gibt´s nur in Frankreich? Überzeug Dich selbst - unsere Kordillerentage 2023 stehen fest:
22.5.2023 - auf der Baskenland-Rundfahrt
20.6.2023 - bei der Grand Tour nach Asturien zu den Picos de Europa
Technischer Hinweis: Aufgrund der Enge der nordspanischen Bergstraßen und Bars können wir leider nur bis zu 30 Feierwütige mitnehmen ;-)