19.06.2021,
Jan:
Heute berichte ich mit doppelter Motivation von der siebten Etappe auf unserem Weg von Basel nach Barcelona, die uns von Millau nach Narbonne führt. Es ist die regulär längste Etappe im Reiseverlauf, zeigt sich aber mit 1800 Höhenmetern auch einigermaßen gnädig.
Der erste Teil der Motivation ergibt sich aus unserer Befahrung der Gorges de Dourbie ganz zu Anfang unserer Etappe, als mich
Zeckenklaus für meine lyrisch-prosaischen Etappenberichte lobt. Das freut mich wirklich, insbesondere, weil der gestrige erst zu später Stunde oder gar nicht mehr geschrieben worden ist, was meine Beine heute zugegebenermaßen spüren. So fühle ich mich wohler denn je in Gruppe 4, die vom ersten Kilometer an Speeddating-kreiselt, als hätte sie nie etwas anderes gemacht. Aufgrund der mannigfaltigen organisatorischen Zwänge des gestrigen Abends bin ich nicht gut vorbereitet. Glücklicherweise weiß auch
Kultur-Attaché Ulrich, Sektion Allgäu nicht, wie die Schlucht heißt, die ich allerdings oben schon benannt habe. Es ist schon eine tolle Ecke, mit Gorges du Tarn, Gorges de Jonte und Gorges de Dourbie, mit den gestern erlebten Causses Méjean und Noir und der heutigen Causse Larzac, aus die wir aus der Gorges de Dourbie aufsteigen. Oben wartet schon Helena auf uns mit der ersten Getränkeverpflegung, und tatsächlich haben wir auch schon 40 Kilometer absolviert. Es bringt richtig Spaß, auch weil wir heute nochmals nicht von der Sonne gebraten werden, auch obwohl am Horizont dunkle Regenwolken dräuen.
Helena kräftigt uns mit Getränken, Bananen und Gummibärchen, und fortan fahren wir wellig über die Hochfläche, stets konzentriert im Wind speeddatend, stets auf die Regenwolken zu, die sich an der Abfallkante des Zentralmassivs aufstauen und, zumindest von hier gesehen, dort abregnen. Der Wind weht uns zügig ins Gesicht, und so bin ich zuversichtlich, dass die Regenfront im Zweifel schnell über uns hinweg gefegt sein wird. Der Belag hier oben ist ruppig. «
Authentisches Zentralmassiv», sagt
Kultur-Attaché Jan, Sektion Wien - somit ein Lebenshöhepunkt! Aber herrlich ist es hier oben, die Karsthochfläche weißt groteske Verwitterungsstrukturen auf, der Nebel wird dichter, das Ambiente gespenstisch. Mit viel Glück führt uns die Straße zwischen den dichtesten Regenwolken hindurch, und so benetzen uns nur wenige Tropfen, bevor wir die rasante Abfahrt aus der Hochfläche hinunter ins Gravezontal nach Lunas, und weiter ins Orbtal angehen. Feinster Asphalt, Schussabfahrt, alles trocken, Freude pur!
Und schon sind wir in Bédarieux, wo
mago Dörtes Umwerferproblem gekonnt diagnostiziert, und die an der Verpflegung verbleibende Rumpfguidekompetenz ihren Sram-Red-Etap-Umwerfer seine Diagnose in bestem Wissen und Gewissen in eine funktionierende, wenn auch noch am Berg ratternde Schaltung umsetzt. Dennoch herrscht große Freude am Orb, denn das Rattern tritt erst kurze Zeit später auf, am
Col de Plaussenous, dem zweiten und letzten Hindernis, das sich uns heute in den Weg stellt.
Niemand, auch ich, weiß nicht, dass wir diesen Anstieg einfach im Orbtal hätten umgehen können. Dennoch bin ich vermutlich der einzige, der das immerhin im Anstieg noch erfährt, weil ich mir die Passbeschreibung auf quäldich durchlese (ich hatte schon erwähnt, dass ich schlecht auf die Etappe vorbereitet war). «
Tom ist halt ein Menschenfeind», sage ich zu Klaus, aber er glaubt mir nicht. Zu schön, und zu umjubelt, war Toms Streckenplanung der letzten Etappen. Nun stehen noch knappe 60 flache Kilometer ins Etappenziel nach Narbonne an, und die werden zwangsläufig hart bei dieser Etappenlänge am siebten Tag der Rundfahrt. Glücklicherweise steht Helena in Roquebrun am Orb, am Flussbad. Und Volker ist bei ihr! Volker hat unser Gepäck, Volker hat unsere Badehosen! Kurz darauf sind
Alexander und ich im Wasser,
jimi ist schon dort, einfach in der Radhose. Herrlich ist es. Gar nicht so warm, genau richtig! Klaus droht mit Wiederbuchung, Dörte gefällt's!
Gruppe vier fährt erstmal wieder zurück über den Orb, mit fantastischem Orts- und Burgblick auf Roquebrun zu, um dort einen Café zu trinken. 11 double expresso für 10 Gruppenmitglieder und angeregtem Austausch mit dem Wirt später überfahren wir zum dritten Mal die Orbbrücke und bewegen uns nun routiniert kreiselnd auf Narbonne zu, nur noch zwei kleine Wellen wegdrückend. «
Wie Sie soeben bemerkt haben, haben wir den Sinkflug auf unser Tagesziel Narbonne eingeleitet», ertönt
Alexanders sonore Stimme in der Kabine. «
Ich hoffe, Ihnen hat unser kurzer Flug von Millau nach Narbonne gefallen, wir würden uns freuen, Sie auch morgen wieder auf dem Flug nach Figueres willkommen zu heißen! Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie die Landung.»
Der zweite motivierende Faktor: morgen unterstützt Überraschungsgast
Dr. Tom Bender das Kabinenpersonal in Gruppe 4! Darauf einen Crémant!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir sind angekommen im Midi, dem Süden Frankreichs. Und sind doch noch lange nicht in Barcelona. Die längste Etappe steht heute auf dem Programm, von Millau nach Narbonne. Es ist wieder eine einsame, eine schöne Etappe über französische Landstraßen, die mit der Dourbie-Schlucht beginnt. Die Côte de Combe Redonde bringt uns dann auf ein karges, einsames Hochplateau, und teils auf schmalen Straßen arbeiten wir uns nach Süden vor. Vom Col de la Baraque de Bral fahren wir ab ins Tal des Orb, und haben mit dem Col de Plaussenous noch eine Bergwertung vor uns, bis es dann hinab in die Ebene des Languedoc geht. Durch die Weinberge steuern wir flach bis wellig auf den Etappenort Narbonne zu.