15.06.2021,
Jan:
Zum ersten Mal in der Geschichte der Grand Tours rezyklieren wir heute eine Etappe, und zwar von Pontarlier nach Bourg-en-Bresse, so schon gefahren bei Freiburg-Bordeaux 2018. Und das war kein Fehler: der Jura ist hier noch einsamer als gestern, der Doubs glitzert in der Morgensonne, der Ain brennt sich ins Gedächtnis mit der wunderbaren Stausee-Aussicht hinter Montcusel. Traumhaft! Dazu weht uns ein steter Rückenwind schnell gen Mittagsverpflegung – aber Moment! Wir sind in Gruppe 2 (ich bin heute der Hilfsguide von
mago) viel zu schnell unterwegs, Volker erwartet uns erst um zwölf, und wenn wir weiter so drücken, sind wir um halb elf bei ihm! Also doch noch ein Café aufgesucht, statt Getränkeverpflegung 1, denn Helenas Fahrzeug ist in der Werkstatt, die Abgasfilteranlagenwarnleuchte brennt. Der Café in Saint-Laurent-en-Grandvaux tut gut, und dem Zapfhahn entfließt eiskaltes Wasser. An diesem nun heißer werdenden Tag eine Wohltat! 17 zügig auf der Jura-Hochfläche gefahrene Kilometer später treffen wir als vorletzte Gruppe bei Volkers Waldschattenverpflegung an der Côte des Pirards ein. Hinter uns ist nur noch die deutlich später gestartete Gruppe 1. Volker überschlägt sich förmlich bei dem Versuch, die ausgefallene Verpflegung bei seiner besseren Hälfte zu kompensieren. Bei der zügig aufgebauten Behelfs-Mechanikerstation (Sergej, wo bist du?) montieren wir Thomas' 10-fach-Kassette auf ein Ersatzlaufrad (Freilaufschaden) und Freds nagelneuen Reifen neu (Schlauch tritt aus). Das muntere Gruppenwürfeln geht somit in die nächste Runde.
Die direkt anschließende Abfahrt von der Côte des Pirards durch die jurassische Almenidylle gehört mit zum Schönsten der heutigen Etappe. Wellig, aber deutlich stärker abfallend als ansteigend fliegen wir hiernach dem Höhepunkt der heutigen Etappe zu, dem Aussichtspunkt über dem Ain, den wir als Führende der Gesamtetappe erreichen. Wunderbar, siehe Tagestitelbild!
Die Gefahrenstelle der folgenden rasanten Abfahrt meistern wir gekonnt, die kurz darauf anschließende enge Brückenquerung führt zu einer Überinterpretation der deutsch-schweizer Freundschaft mit übersteigertem Nähebedürfnis. Zum Glück bleiben nur Schürfwunden und ein von
mago meisterhaft zentriertes eierndes Vorderrad von der Asphalt-Kontaktaufnahme.
Wir sammeln uns mental und lassen Gruppen 3 und 4 vorbei. Hiernach ist die Luft etwas raus, und wir erfreuen uns am Windschatten der bald vorbeischießenden Gruppe 1, die sich nach der Vorbeifahrt von unserer Lethargie anstecken lässt. Freundlicherweise erwartet uns ein nicht-identifizierter Engel einer der Vorgruppen auf der Pont de l'Ain de Thoirette. Thoirette (nicht verwandt mit dem Tourette-Syndrom) heißt Jubeln auf französisch, und so nehmen alle Gruppen zusammen im Café du Pont einen oder zwei davon!
Wir verlassen den Ain und wenden uns der längsten Tagesauffahrt zu, zur
Côte de Corveissat. Die Steigungsprozente sind gnädig, die Mittagshitze nicht. Ich muss zugeben, dass ich leide! Ein Königreich für ein Eisbad!
Das bekommen wir nicht, aber die erhabene Überfahrt über den Col de France dafür fast geschenkt! Die ganze Gruppe ist daran vorbei gefahren. Die ganze Gruppe? Nein! Ein unbeugsamer Reiseleiter hört nicht auf, die französischen Passschilder zu markieren. Wir waren hier!
Ein Einzelzeitfahren und etwas Stadtverkehr später rollen wir triumphal in Bresse ein! Schmutzbier kennt Gruppe 2 nicht. Thomas und ich begeben uns auf die Grand Mechanical Tour de Bresse und beheben im
Optimum Bikes den Freilaufschaden! Darauf ein Bresse-Huhn!
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Die Etappe ist eine alte Bekannte für Veteranen von Freiburg-Dune du Pilat 2018. Von Pontarlier nach Bourg-en-Bresse. Wieder eine lange, aber nicht allzu schwere Etappe durch den einsamen Teil des französischen Jura in den Departements Jura und Ain. Höhepunkt der Etappe ist ausnahmsweise mal kein Anstieg, sondern eine wildromantische Abfahrt: diejenige von Montcusel hinab zum Stausee Lac de Choiselet. Die einzige wirkliche Bergwertung des Tages ist die nicht wirklich anspruchsvolle Côte de Corveissat, dann sind wir schon vor den Toren von Bourg-en-Bresse.