Dieser Berg ist hoch. Er ist lang. Er ist ein Koloss. 3396m Höhe. Und (noch) mit dem Rennrad befahrbar. Das Rennraddach Europas. Auf den 50km ab Granada, davon 40 am Stück bergauf, kommen somit durchaus ein paar mehr Minuten Fahrzeit zusammen als an den gefühlt winzigen Alpenriesen von Galibier bis Riedbergpass. Die Prozente im Einstieg sind knackig, die Luft wird dünner. Ab 2500m eine "Fahrradstraße", denn Autos dürfen nicht weiter hinauf. Warum auch? Schließlich löst sich der Asphalt irgendwann einfach auf und wird teils rüder Schotter.
Kann oder soll man hier klar denken? Nein. Soll man sich die Sinnfrage stellen? Nein. Was soll man dann hier? Wir erinnern uns des elften Gebots, dass der Radsportgott einst in eine Schiefertafel am Veleta ritzte: "Du sollst treten." - Und doch wird nebenbei, Höhenmeter für Höhenmeter, im Peloton durchaus gesprochen. Oder gedacht. Oder geflucht:
680m, Granada: "Komm, Du willst es doch auch!"; "Robert, bringen diese Nasenpflaster eigentlich was?" - "Ja, Sonnenschutz"
750m, Anfahrt nach Güéjar: "Heute sehen wir endlich mal bekloppte Autofahrer" - "??" - "Die Fahrer der Erlkönige der deutschen Automarken." Und genau das hat sich wieder bestätigt. Sollen Sie doch von Zuffenhausen 100x in den Neckar fahren zum Testen der Bremsen.
850m, erster Warm-Up-Hügel: "Die Clara (Radler) bringt es irgendwie auch nicht mehr so richtig."
1100m, irgendwo in den Rampen aus dem Genil-Tal heraus: "Wieviel Prozente hat es hier eigentlich gerade?" "Zuviele!"
1600m: "Steht dort unten Stefan?" "Ja" "Ich fahr mal runter." Und sogleich wieder rauf, denn es war nicht unser Food-Truck-Stefan, sondern der Stefan auf dem Rad. Und der hatte nun wirklich keine Schinkenbrote dabei.
2000m: "So, Schlachtefest. Die zwei britischen Typen kassiere ich jetzt!"
2300m: "Mei bin i fett worre" ("Was bin ich fett geworden" - die zwei Briten sind mittlerweile enteilt. )
2700m: "Sag nichts!"
2850m: "Sooo geil!" (Christoph befindet sich bereits in der rauschenden Abfahrt, während der Rest noch fröhlich weiter tritt)
3200m: "Die Luft wird immer dünner" - "Welche Luft?"
3350m: Gruppe 1 läuft?!?
3396m, ganz oben: "Grandios!" "Muss man gemacht haben. Und zwar genau ein Mal." Und natürlich wird fortlaufend gejubelt, Räder verbotenerweise über Kopfhöhe gereckt. Selfies an die Flammen und Liebsten daheim verschickt. Oder obercool und verwegen in die Kamera geguckt.
3300m, an der "Guide-Relaisstation" (um alle nach Gipfelerklimmung wieder einzusammeln: "Wer ist noch oben?" "Ähem..." Ah ja...diese Frage ist für uns immer der Test der Hirnfunktionen in großer Höhe;-)
2620m, an der Virgen de las Nieves: "Sie ist wirklich auch unsere Schutzpatronin" (denn die miese Wettervorhersage bewahrheitete sich zum Glück nicht)
2505m, am Foodtruck: "Gummibärchen?" "Ja" "Aber jeder bitte nur 1 pro Tausend Höhenmeter" "Super, dann sind es ja schon mal 3"
850m, Pinos Genil am Ende der eigentlichen Abfahrt: "Schnellste 40km! Nimmst Du den Rekord an?" Aber ja, lieber Radcomputer.
680m, nach Rückkunft: "Seit ich im November gebucht habe, habe ich mich auf diesen Tag gefreut."
Epilog: Auf 720m am Abend bekommt Rolf endlich sein Stück Käsekuchen, dass er gestern woanders bestellte, nicht bekam und es dann doch auf der Rechung fand. Es ist schön, in ein glückliches Gesicht zu schauen! Ganz egal, auf welcher Höhe!
Der Veleta steht nun also im Palmarès! Nach einer weiteren Etappe haben wir nun unseren "Endbahnhof" Vinuela erreicht und werden morgen noch ein letzes Mal auf die Räder steigen. Vorsichtshalber haben wir noch nichts von schlechtem Wetter in die Runde geworfen - wir glauben ganz fest daran, dass auch morgen wieder der Himmel stahlblau strahlt. Gemäß dem 11. Gebot wollen wir schließlich noch einmal ordentlich treten. Den Blog der diesjährigen Sierra-Nevada-Umrundung schließen wir allerdings schon heute und freuen uns auf die nächste Ausgabe im kommenden Jahr!
Offizielles Werbetextchen:
Das Rennraddach Europas wartet. Monumentale 50km, die nur ein Attribut kennen: BERGAUF!
Wir hätten (mindestens) zwei Streckenoptionen - alle sind einfach nur herrlich. Abgebildet haben wir die Variante über Pinos del Valle hinauf nach Güéjar-Sierra und weiter auf einem einsamen, zunächst kurz mal sehr steilen Sträßchen bis zum Naturparkzentrum auf 1600m zu klettern. Weiter geht es auf der alten Passtraße durch den Pinienkranz bis auf 2200m und über dem Skidorf zur ominösen Schranke. Ab hier gilt: Keine Autos!. Die Straße durch das Skigebiet und seine schroffen Schieferhänge ist oben sehr schlecht. Ganz oben noch einige Meter Schotterpiste und dann ist es geschafft: 3396m ü. NN.
Der Pico del Veleta!
In der Abfahrt nehmen wir ab dem NP-Zentrum für besonderen Flow die Hauptstraße, genießen die gigantischen Tiefblicke und das Panorama der Sierra de Huétor im Norden, bevor wir auf etwa 1000hm nach Pinos Genil abzweigen. Spätestens ab jetzt sollte es wieder kuschelig warm werden :-). Entspanntes Ausrollen über Cenes hinab nach Granada. Der Veleta steht im Palmarès!