31.08.2022,
majortom:
Gestern sind wir den Etappenbericht von den Pyrenäen-Geheimtipps schuldig geblieben, wofür wir uns bei allen Leserinnen und Lesern entschuldigen möchten. Wir haben uns auf die längste Etappe begeben (die einmal mehr illustriert, dass es auf quäldich-Reisen keine Ruhetage gibt, sondern nur Etappen, die rein zufällig an derselben Stelle enden, an der sie auch starten) und hatten es zudem noch mit der aragonesischen Gluthitze zu tun; außerdem galten im Hotel zu Biescas überraschenderweise mitteleuropäische statt spanischer Essenszeiten, so dass einfach zu wenig Zeit blieb. Es soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass insbesondere der Cañón de Añisclo, die fantastische Schlucht auf dem Weg zum
Alto de Fanlo allerorten (außer bei denjenigen, die doch für einen Ruhetag optierten) für Begeisterungsstürme gesorgt hat. Am Vorabend hatte glücklicherweise noch @
Pfahrer Thomas die Schlucht in den höchsten Tönen gelobt und keinen Zweifel daran gelassen, dass er nicht nur meine Werbetexte herunter betet, sondern tatsächlich höchst begeistert ist. Inzwischen gilt das auch für den Berichterstatter, der die Schlucht gleich einmal in die europäische Schluchten-Top-three einsortiert hat (Wer wissen möchte, was es noch in die Rangliste geschafft hat, kann sich gerne ab kommender Woche beim Berichterstatter melden und auch gleich die entsprechenden quäldich-Reisen buchen. Moni und Jochen kommen auch!).
Angesichts dieser Messlatte sind die Erwartungen an die heutige Etappe so mittelhoch, zumal ihr der Nimbus einer Übergangsetappe anheftet, geht es doch über eine für Außenstehende kaum zu überblickende Menge an relativ niedrigen Pässen von Biescas nach Isaba. Also von den letzten Ausläufern der Tourmalet-Mainstream-Pyrenäen hinein ins berüchtigte Rampen-Baskenland, durch absolutes Pyrenäen-Niemandsland also. Inzwischen ist klar (worauf ich im übrigen auch schon gestern Abend hingewiesen habe), dass sogenannte Übergangsetappen sich oft als die attraktivsten entpuppen, weil es doch irgendwie überall schön ist, sich die Landschaft laufend ändert, und man so doch nach jedem Alto wieder neue Pyrenäen-Eindrücke serviert bekommt. Besonders begeistet sind diejenigen Teilnehmer*innen, die geplant (Lars) oder ungeplant (Hildegard und Dirk, Namen von der Redaktion geändert) noch explorative Zusatzvarianten eingelegt haben.
Es beginnt heute morgen ganz profan. Im Osten rumpeln die Gewitter, und wir freuen uns, dass unser Weg uns heute nach Westen führt. Die ersten 40 Kilometer sind noch völlig unspektakulär. Nach Süden auf der Nationalstraße (nur diesmal ohne Simon als Lokomotive, der dreisterweise von Christoph in die Übermut-Hybrid-Gruppe abgeworben wurde), dann nach Westen parallen zur Autobahn, dann in Richtung
Col du Somport. Und dann endlich auf eine schmalere Straße zum Alto de las Blancas, dem Auftakt eines Pässetripels, das sich - Schlag auf Schlag sozusagen - die Klinke in die Hand gibt, als die Abfahrt des ersten direkt in die Auffahrt zum zweiten Pass weiter geht. Auf der ersten steileren Rampe melden sich die müden Beine, leisten aber nur kurz und unerfolgreich Widerstand; wir kommen in den Flow, drücken Hügel um Hügel weg. Ganz was anderes als die langen Pässe der ersten Tage, irgendwie so eine Art Klassiker-Terrain. Hübsch. Am Alto de los Amores stellt uns ein spanischer Bergfloh, ohne Zweifel auf KOM-Jagd, aber dennoch nicht ohne ein freundliches
buenas im Sprint an uns vorbei. Und an der Passhöhe des
Alto Aisa erwartet uns endlich wieder das bewährte Verpflegungs-Double: Thomas und Dänische Remoulade.
Irgendwie ist also die erste Etappenhälfte fast an uns vorbei geplätschert. Niemandsland, aber auf die schöne Art. Die Gewitter hängen weiter am Pyrenäenhauptkamm fest, bei uns scheint die Sonne und es ist warm. Abfahrt mit teilweise kläglichen Asphaltresten, was der Stimmung jedoch keinen Abbruch tut. Nach so vielen Jahren Pyrenäen-Geheimtipps erbarmt sich mit Lars heute zum ersten Mal ein abenteuerlustiger Teilnehmer, die Stichstraße zum Rifugio de Lizara zu fahren. Er ist begeistert, wie könnte es anders sein.
Weiter gehts:
Alto Echo, heute folgt Pass auf Pass. Das Regenradar kündigt eine Gewitterzelle zwischen hier und dem Zielort Isaba an. Für uns ein weiterer Grund, uns im hübschen Örtchen Ansó auf die Suche nach einer Bar zu begeben. Die natürlich auch schon Christoph mit seiner Gruppe gefunden hat. Wir geben uns die Klinke in die Hand, übernehmen den Tisch und bestellen Cola, Wasser und
café con leche. Mit abermals grandiosem Timing, denn die etwa zwölf Regentropfen des Gewitter-Ausläufers gehen auf den Sonnenschirm auf der Bar-Terrasse nieder und nicht auf uns. "Die Etappe heute war wieder toll", meint Jochen. "Und das Highlight kommt erst noch", ergänze ich.
Das Highlight: der
Alto Zuriza. Wildromantisch und einsam geht es am Bach entlang, die Umgebung wird immer felsiger, bis uns schließlich karlmayeske Felswände umgeben und es sich wieder nach Gebirge anfühlt. Die Pyrenäen-Geheimtipps setzen irgendwie immer noch einen drauf. Und schon sind wir durch mit dem heutigen Pässequintett, stehen an der Passhöhe und bestaunen das überdimensionale Schild, das uns nun in Navarra (und damit zumindest kulturell im Baskenland) willkommen heißt. Nach und nach finden sich nach der Abfahrt (oder der ungeplanten Zusatzvariante bis zum Ende der Asphaltstraße hinter Zuriza und anschließend der Abfahrt) alle Geheimtipp-Jäger auf der Terrasse des Hotels in Isaba ein.
Wo heute genug Zeit zum Bericht-Verfassen bleibt, da die Abendessen-Zeiten heute spanisch sind.
Ursprüngliche Etappenbeschreibung
Wir arbeiten uns heute südlich den Pyrenäenhauptkamms nach Westen vor. Ganze fünf Pässe stehen dabei auf dem Programm, die allesamt das Geheimtipp-Prädikat erfüllen. Zuerst geht es auf den Alto de las Blancas, den Alto de Los Amores, den Alto Aisa, gefolgt vom Alto Echo. Der Alto Zuriza komplettiert das Quintett. Hier verlassen wir Aragon und gelangen nach Navarra, und die Abfahrt führt uns bis in den Etappenort Isaba.