23.05.2022,
Jan:
Wer in unseren Breiten hat je vom Forca d'Acero gehört? Und vom Valico di Monte Godi? Oder vom Valico Olmo di Bobbi? Sicherlich die wenigstens. Diese drei Rollerberge im besten Sinne haben uns heute eine unglaubliche Etappe in den Abruzzen beschert. Mit Wolfsichtung!
Aber der Reihe nach: überraschenderweise eröffnet der Blick aus Zimmer 105 heute morgen in Sora tief hängende Wolken an der Serra Lunga und den Monti della Meta, die wir heute über den Forca d'Acero erklimmen wollen. Gestern hatten wir den Höhenzug bei unserer langen Abfahrt nach Sora noch klar links neben uns liegen sehen. Die Enttäuschung hält sich in Grenzen, nur frage ich mich, ob es bei diesem Wetter nötig war, schon so früh los zu fahren. Wir werden uns noch darüber freuen! Aber erstmal pedalieren wir die geringen Steigungsprozente in Richtung Pass, die sogar vor der Einmündung der anderen Auffahrtsvarianten den auf dem Papier härteste Tagesabschnitt darstellen. Aber es ist mild, fast kühl, und die ziemlichen menschlichen 7 % stellen uns vor keine großen Probleme. Bald brechen wir durch die Wolkendecke. Wir sind begeistert! Auf 1300 Höhenmeter kommt der Anstieg mit zwei Kehren aus. Sanft, einsam, schön! Zum Glück ist heute Montag, und uns überholen vielleicht zwei Fahrzeuge, davon 0 Motorräder. Das hat droopy an einem Sonntag anders erlebt, was ich mir nach unseren gestrigen Erfahrungen lebhaft vorstellen kann.
Die Passhöhe selber liegt in einem kühlen alten Buchenwald, den man hier oben nicht unbedingt erwartet. Die Abfahrt ist toll und schnell, und schon sind wir bei Opi, 10 km vor der Verpflegung bei Eva, die aber noch nicht an uns vorbei gefahren ist. Anstatt in die bar an der Kreuzung einzukehren, fahren wir noch hinauf nach Opi, einem der più belli borghi d'Italia, einem der schönsten Orte Italiens. Was sich als Glücksfall erweist, denn nicht nur sehen wir in der Serpentinenauffahrt in den Ort über die Hochebene hinweg in die Bergwelt des Apennin, wir passieren auch einen Freiburger VW-Bus, deren Insassen mit Fernglas auf der Mauer sitzen. Was es zu sehen gäbe, möchte Paul wissen. Einen Wolf, sagen sie. Und tatsächlich. Unten durch die Wiesen der Hochebene streift ein Wolf!
Oben in Opi erwartet uns das schönste Kopfsteinpflaster Italiens. Und eine montags geschlossene Bar. Kurz darauf nehmen wir den Caffè an der Kreuzung. Der Barrista ist etwas ungehalten ob der Großbestellung. Paul hat Hungerast und bestellt ein Panino. Ich ziehe nach. Der Rest fährt schon weiter, Eva ruft. Das Panino ist maximal trocken. Paarzeitfahren nach Villetta Barea zu Eva. Viel bessere Panini! Danke Eva!
Und schon finden wir uns im zweiten Anstieg des Tages zum Valico di Monte Godi. Sanfte Steigungsprozente, aber dennoch 600 Hm zu absolvieren. Die Wolken haben sich aufgelöst, wir sehen sie nur weit und tief hinter uns. Abruzzenidylle pur mit geringer Vegetation, Hirtenhunden, Ginster, Gras, Weite! Am Valico ein Miniskigebiet. Süß! Abfahrt. Überraschung: Schlucht! Spontane Fotostopps. Natürlich hängen wir in Gruppe 1 noch den Valico Olmo di Bobbi an, auch wenn AP ihm nur drei Schönheitssterne spendiert hat. Wir erwarten nichts, und tatsächlich ist die Anfahrt sanft und ereignislos. Vegetations- und somit schattenfrei. 34 Grad zeigt der Garmin, es ist heiß. Zu heiß für uns nicht akklimatisierte Mitteleuropäer. Gut, dass wir eine halbe Stunde früher gestartet sind! Dann die Überraschung des Tages: am namenlosen Passübergang, wo wir den Valico Olmo di Bobbi als Stichstraße anhängen wollen, eröffnet sich ein Blick in den Gran Sasso von einem anderen Stern. Wahnsinn!
Die Stichstraße zum Scheiteltunnel Olmo di Bobbi ist dann per se ereignisarm, auch der Corno Grande ist iher nicht mehr zu sehen, in unserem Fall aber eine Pferdeherde, die vor uns die Flucht ergreift. Toll!
Nach der rumpeligen Abfahrt nach Goriano Sicoli sind die Flaschen leer, aber ein Einheimischer weist uns den Weg zur Sorgente Goriano, einem Prachtbäderbau antiken Zuschnitts. Großartigste Getränkeverpflegung aller Zeit im Schatten der übergroßen Quastenflosser, die die Quelle zieren. Dramatisch schlechte Abfahrt nach Raiano in die Marsica-Hochebene. Anstrengende 12 Kilometer zum Schmutzbier nach Sulmona. Was für ein fantastischer Tag!