Auf quäldich-Reisen gilt: Es gibt keine Ruhetage. Es gibt nur Etappen, die zufällig dasselbe Ziel wie den Start haben.
Bei der Montenegro-Rundfahrt gilt das mit Einschränkung. Die heutige Etappe von Zabljak nach Zabljak führt erneut über den Durmitor Sedlo, den wir schon von gestern kennen. Er ist zwar so sensationell schön, dass man ihn am liebsten täglich fahren möchte, aber natürlich wäre es auch legitim, beispielsweise nur zum Stulac Sedlo hochzufahren und in die Tara-Schlucht hinunter zu schauen. Oder einen Termin im hoteleigenen Spa zu buchen - wenn man sich denn zur durchgestylten Kristina an die Rezeption traut. Unser Montenegro-Mastermind @
bruckner13 hätte sicher noch mehr Vorschläge.
Die erste Entscheidung haben wir bereits gestern Abend mit großer Mehrheit getroffen: Wir verzichten auf Danilos Buffet, um ihm zu ersparen, den Verpflegungscruiser über die schmalen Straßen bis in die Susica-Schlucht zu steuern. Stattdessen freuen wir uns sehr, dass Danilo sich der sportiven Gruppe auf dem Rad anschließt, um Tom herauszufordern. Schon am Morgen setzt Danilo jedoch ein Statement, dass er keinen KOM kampflos aufgeben wird, indem er im Trikot der montenegrinischen Nationalmannschaft antritt.
Als ich in meiner entspannten Gruppe die Frage stelle, ob wir die reguläre Etappe oder die abgespeckte Variante fahren sollen, sagt Peter nur: "Da wo es am schönsten ist." Womit es entschieden ist: wir fahren die Durmitor-Runde. Und auch in Isas ausdauernder Gruppe votieren alle für die reguläre Etappe. Es gibt eben keine Ruhetage auf quäldich-Reisen.
Also hinauf in den Durmitor, zum Durmitor Sedlo. Wie das südbadisch-montenegrinische Duell weiter vorne abläuft, können wir von weiter hinten nicht beurteilen, jedoch haben einige die Gruppe verlassen und bei Isa angeheuert. Dafür lässt sich Ferenc heute zu uns in die entspannte Gruppe durchreichen, wo wir ihn herzlich willkommen heißen. Der Durmitor ist immer noch wunderschön, aber heute deutlich kälter. Am Malo Durmitor Sedlo, dem zweiten Hochpunkt, kommt es dann zu Selfies mit einer Pferde-Herde.
Eine lange Abfahrt später laufen wir in Trsa ein, das wir als Mittagspausen-Punkt auserkoren haben. Vier Portionen Cevapi (die sind wie Cevapcici, nur größer), wobei Peter sich von allen vier Portionen die Zwiebeln sichert. Mutig.
Dann betreten wir frisch gestärkt Neuland. Die zweite Etappenhälfte kennen wir noch nicht. Nach einigen Wellen identifizieren wir einen sensationellen Aussichtspunkt oberhalb der Susica-Schlucht. "Da müssen wir runter, und auf der anderen Seite wieder hoch", sage ich, was auf ein geteiltes Echo stößt. Man sieht sogar schon den Stulac und die unterhalb verlaufende Passstraße des Stulac Sedlo, wo wir auch noch hoch müssen. Ein hartes Stück Arbeit liegt noch vor uns; es lässt sich nicht leugnen.
Da hilft nur die Flucht nach vorne: runter in die Schlucht, zwischen imposanten Felsformationen durch. Und auf der anderen Seite in die steile Rampe, die uns wieder aus der Schlucht hinaus führt. 16 bis 17 Prozent sind eher untypisch für Montenegro, aber wir kämpfen uns tapfer aufwärts. Immerhin lohnt es sich, denn die Ausblicke sind auf der anderen Seite mindestens genauso schön. "Das haben wir echt geschafft?" fragt Zwiebel-Peter staunend.
Unsere Hochstimmung erleidet einen kurzen Dämpfer, als uns eine Person mitten auf der Straße auflauert, die sich als Nationalpark-Ranger bezeichnet, aber genausogut eine Chimäre aus Fake-Ranger und Wegelagerer sein könnte. Er will drei Euro pro Person. Da seine Tickets echt aussehen, investieren wir das Geld (es ist im Durmitor jedenfalls gut angelegt), und selbst wenn er uns hier nur abzocken will, müssen wir zugeben, dass seine Show gut ist, und er allein schon dafür die drei Euro verdient hätte. (Später erfahren wir von Danilo, dass er echt war, aber vermutlich dennoch den Betrag in die eigene Tasche gewirtschaftet hat.)
Der verbleibende Anstieg zum Stulac Sedlo entpuppt sich dann als enorm anstrengend. Kurze steile Rampen wechseln sich mit kurzen Flachstücken ab, man findet keinen Rhythmus. "Ich hätte mich am liebsten in den Straßengraben gesetzt und geheult", meint jemand später. "Ich auch", entgegne ich, "aber ich bin ja in offizieller Funktion hier." Es war wirklich hart, aber dennoch sind wir glücklich, als wir oben sind, denn wieder war es eine sensationelle Etappe, und nun breitet sich auch noch die sagenhafte Tara-Schlucht vor uns aus. Wir können stolz auf uns sein.
Musikalische Untermalung:
Da wir heute das Souvenir Jan Sahner, den höchsten Punkt unserer Tour überwunden haben, entscheider sich der quäldich-DJ heute hierfür:
https://youtu.be/0wrsZog8qXg
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
In Zabljak, in unmittelbarer Nähe der tiefsten Schlucht Europas (der Tara-Schlucht), kann man auch andere Dinge erleben als Rennradfahren, beispielsweise eine Wanderung zu einem Aussichtspunkt 1000 m über der Schlucht. Aber wir sind zum Rennradfahren hier, und deshalb machen wir uns heute an eine schöne Rundtour durch den Durmitor-Nationalpark. Es geht zunächst nochmals über den Durmitor Sedlo, anschließend in die Susica-Schlucht, und dann über den Stulac Sedlo nach Zabljak zurück.