10.09.2021,
majortom:
Jetzt also auch noch Albanien. Als hätte es nicht gereicht, sich in ein wunderschönes Balkan-Land mit traumhafter Gebirgskulisse allerorten einzuleben, in Montenegro. Jetzt müssen wir doch tatsächlich an Tag sechs unserer Reise nochmal umdenken, da es kein Niksicko mehr gibt, sondern Tirana. Dass wir inzwischen die "s" und "c" spielend auf der Tastatur finden, spielt auf einmal keine Rolle mehr. Stattdessen müssen wir nun einen Weg finden, "ë" zu tippen...
Bevor wir jedoch zu unseren Erlebnissen in Albanien kommen, muss ich erst nochmal erläutern, warum es gestern keinen Bericht mehr gab. Leider hat ein gemeingefährliches Gitter (und das ist völlig ohne Ironie so gemeint) ganz am Ende der Abfahrt vom letzten Pass einen unserer Teilnehmer zu Fall gebracht, und wir waren mit der Odyssee durch montenegrinische Krankenhäuser beschäftigt. Inzwischen befindet sich der Verletzte in guter Obhut in Podgorica, und wir wünschen von Herzen Gute Besserung!
Die heutige Etappe ist lang, mit 131 km sogar die längste unserer Woche, aber nicht ganz so höhenmeterreich wie die vorangegangenen. Wir starten also voller Neugier auf das zweite Reiseland Albanien, dem wir heute einen Besuch abstatten, nachdem Montenegro uns in den vergangenen Tagen bereits so begeistert hat. Die Erlebnisse, sie verblassen hier erstaunlich schnell, weil einfach ein Highlight das nächste jagt, sich in die Netzhaut bannt und die vorherigen verdrängt. Wir starten voller Vorfreude, die wir auf dem beginnenden flachen Abschnitt bis zur Grenze noch auskosten können. Tatsächlich entpuppt sich dann der Grenzübergang selbst als Highlight - wo können wir Schengen-verwöhnten Mitteleuropäer das denn noch erleben, dass man an einem Schlagbaum steht, und man sich den Pass auch mal genau anschaut? Die montenegrinischen Grenzbeamten gehen es jedenfalls ganz gemütlich an, müssen sie sogar, denn sie haben gerade keinen Strom. Kurze Zeit später ist der jedoch wieder da, und der Schlagbaum geht auf Knopfdruck auf, wir dürfen hundert Meter vorfahren, wo sich eine ähnliche Prozedur bei den Albanern wiederholt. Ob die Albaner wohl immer so neidisch auf die andere Seite rüber schielen, weil sie ihren Schlagbaum mechanisch von Hand öffnen müssen?
Wir dürfen also rein, und sind beinahe sofort im ersten Anstieg zum
Qafa e Bordolecit - nur schwer auszusprechende Namen also auch diesseits der Grenze. Wir erwartet ist die Steigung unregelmäßig, es ist inzwischen heiß geworden, aber wir kurbeln souverän hoch zur Passhöhe. Die Nordseite des Passes ist ziemlich unspektakulär. Die Südseite dagegen ist atemberaubend schön. Dolomiteske Gipfel, bizarre Felslandschaften, und immer wieder verengt sich das Tal schluchtartig. Wir staunen.
Wir staunen auch, als wir beim Mittagessen im Restaurant kurze Zeit später ein Schmalzgebäck mit Honig serviert bekommen, das wir gar nicht bestellt haben. Aber ehrlich gesagt wissen wir gar nicht so genau, was wir bestellt haben, und da es hammerlecker ist, greifen wir beherzt zu. Kurze Zeit später stellt sich heraus, dass die Pancakes eigentlich für die Hybridgruppe sportiv-ausdauernd am Nachbartisch bestimmt waren. Aber auch sie sind satt geworden.
Die Abfahrt geht spektakulär weiter, und als wir im Tal angekommen sind, möchte niemand mehr über den inzwischen geöffneten neuen Grenzübergang nach Montenegro zurück. Wir nehmen auch gerne noch den zweiten Anstieg des Tages mit, den
Lek e Hotit, der sich in schönen Serpentinen den steilen Abhang hinauf windet. Sensationell. Wir fühlen uns etwas schuldig gegenüber unserem montenegrinischen Gepäckfahrer Danilo, aber wir sind inzwischen nicht nur Montenegro-, sondern auch Albanien-Fans geworden. Plötzlich Donnergrollen, doch wir schaffen es noch rechtzeitig über den Berg, der hier wohl die Wetterscheide ist - auf der anderen Seite scheint wieder die Sonne. Und in der Abfahrt sehen wir den Skutarisee, dem die morgige Etappe gewidmet sein wird.
Etwas dreißig Kilometer fehlen noch bis ins Ziel nach Shkodër, und wir bemühen uns, sie im Flow wegzudrücken. Belgischer Kreisel war gestern, wir bevorzugen den albanischen Kreisel. Und kommen schon bald darauf zum verdienten Schmutzbier in der lebhaften albanischen Metropole.
Musikalische Untermalung:
Inspiriert von einem unserer Fotos hat der quäldich-DJ heute folgendes ausgesucht:
https://youtu.be/o2swYMpljA8
Ursprüngliche Etappenbeschreibung:
Eine lange Etappe wartet auf uns, dafür ist die Höhenmeter-Ausbeute moderat. Wir lernen ein weiteres Land des wilden Balkan kennen: Albanien. Die ersten 35 km verlaufen jedoch noch in Montenegro, gemächlich und immer leicht bergab entlang des tief ins Gebirge eingeschnittenen Tals des Flusses Lim. Sobald wir die Grenze überschritten haben, fahren wir dann bergauf, zum höchsten Punkt des Tages am Qafa e Bordolecit. Eine lange Abfahrt führt uns ins schöne Civenje-Tal, wo wir uns wieder der montenegrinischen Grenze näheren - der Grenzübergang ist zwar schon fertig gebaut, aber immer noch nicht in Betrieb. Wir möchten sowieso weiter nach Süden zum wunderschönen Skutarisee, müssen dafür aber nochmals einen schönen Serpentinenhang erklimmen, bevor es dann entlang des Sees flach nach Shkoder geht.